Zum Tode von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hans Küng (1928 – 2021)

Am Osterdienstag starb Hans Küng, einer der bedeutendsten katholischen Theologen der Gegenwart, im Alter von 93 Jahren in seinem Haus in Tübingen. Die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Tübingen trauert um einen ihrer renommiertesten Wissenschaftler.

Als 32-Jähriger wurde Hans Küng 1960 für das Fach Fundamentaltheologie an die Katholisch-Theologische Fakultät berufen. 1963, wechselte er an der Fakultät auf den neu eingerichteten Lehrstuhl für Dogmatik und Ökumenische Theologie und wurde zugleich Leiter des neu gegründeten Instituts für Ökumenische Theologie. In seinen ersten Jahren an der Fakultät nahm Hans Küng als «Peritus», den damaligen Bischof von Rottenburg beratend, am II. Vatikanischen Konzil teil und gehörte zu den jüngsten Konzilstheologen. In den zwei Jahrzehnten an der Fakultät beeindruckte Hans Küng Studierende wie Kollegen durch seine Lehrveranstaltungen; er wirkte u.a. im Rahmen des Studium generale über die Fakultät hinaus in die Universität hinein. Er schrieb seine grossen, bis heute bedeutsamen Monografien, u.a. «Christ sein» und «Existiert Gott?». Auf diesem Weg prägte er das theologische Profil der Fakultät und deren wissenschaftliche wie öffentliche Reputation.

Hans Küng betrieb eine geschichtsbewusste Theologie: Der Inhalt des christlichen Glaubens hat Anteil an dem geschichtlichen Werden der Welt, in dem dieser Glaube stattfindet. Zumal als eine wissenschaftliche Disziplin hat sich Theologie dem Werden der geglaubten «Wahrheiten» zu widmen und ihnen dadurch Sinn und Relevanz für gegenwärtig lebende Menschen zu verschaffen. In diesem Sinn war Hans Küng daran gelegen, die im Christentum tradierten Glaubensüberzeugungen mit den Denkformen und Selbstverständlichkeiten der Moderne zu vermitteln, zumal er deren Wurzeln wiederum auch in den christlichen Traditionen erweisen konnte. Seine Theologie verstand Hans Küng immer auch missionarisch. Sie sollte den Zeitgenossen in modernen Gesellschaften den christlichen Glauben als eine sinnvolle und vernünftige Denkform erweisen. In seiner geschichtsbewussten Theologie stiess er allerdings auch auf Inhalte, zumal auf dogmatische Setzungen, die sich nicht als sinnvoll erweisen lassen – und die deshalb der kritischen Negation bedürfen.

Deshalb veröffentlichte Hans Küng 1970 sein Buch «Unfehlbar? Eine Anfrage». Aus der kritischen Analyse von Geschichte und Inhalt eines kirchlichen Dogmas stellte er die Lehre von der Unfehlbarkeit des Papstes bei dogmatischen und moralischen Lehrentscheidungen in Zweifel. Von kirchlicher Seite wurde das Buch zum Anlass für ein über Jahre hinweg schwelendes Verfahren gegen Hans Küng genommen. Warum man dieses Verfahren Ende der 1970er-Jahre zur Eskalation brachte, ist noch nicht erforscht. Jedenfalls stellte die vatikanische Glaubenskongregation mit Billigung des damaligen Papstes Johannes Paul II. 1979 bei Küng gravierende Abweichungen von der Lehre der Katholischen Kirche fest. Damit entzog sie ihm die kirchliche Lehrerlaubnis – und damit auch die Erlaubnis, Katholische Theologie an der Tübinger Katholisch-Theologischen Fakultät zu lehren.

Die Monate vor und nach dem Entzug der Lehrerlaubnis waren für Hans Küng nach eigenem Bekunden eine äusserst belastende Zeit. Er hatte sich in dieser Zeit von seiner Fakultät mehr an Solidarität erwünscht, als er erfahren konnte. Viele an der Fakultät standen ihm tatkräftig und auch öffentlich zur Seite. Jedoch sprach sich die Fakultät mit einer knappen Mehrheit der Professoren gegen das Verbleiben von Hans Küng an der Fakultät aus. So musste Hans Küng 1980 der Fakultät mit deren Zustimmung verlassen – und lehrte von nun an als fakultätsunabhängiger Professor für Ökumenische Theologie an dem aus der Fakultät ausgegliederten Institut für Ökumenische Theologie. Mit grossem theologischen Ertrag und grosser öffentlicher Resonanz tat er dies bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1996. Aber auch in dieser Zeit und auch nach seiner Emeritierung unterhielt Hans Küng gute Kontakte in die Fakultät hinein. Er blieb insbesondere «seinem Institut» und den dort Forschenden eng verbunden – und dies auch, nachdem es nach seiner Emeritierung wieder in die Fakultät eingegliedert wurde.

Die Katholisch-Theologische Fakultät ist dankbar, dass Hans Küng über zwei Jahrzehnte hinweg mit grosser Leidenschaft und hohem theologischen Ertrag an der Fakultät gewirkt hat und dass sein Name bis heute mit dem Ansehen, aber auch mit dem Selbstverständnis der Fakultät verbunden ist. Die heute an der Fakultät Lehrenden und Forschenden wissen, dass sie auch heute noch an seiner Denkkraft und der Wirksamkeit seiner Theologie gemessen werden. Die Fakultät ist beeindruckt, dass Hans Küng den Weg einer ökumenischen Theologie vorgegangen ist, an den sie heute anschliessen und sich mit der Evangelisch-Theologischen Fakultät sowie dem Zentrum für Islamische Theologie gemeinsam um eine Theologie aus dem interreligiösen Dialog heraus bemühen kann. Die heute an der Fakultät Lehrenden und Forschenden sind auch davon beeindruckt, dass Hans Küng die Freiheit seiner wissenschaftlichen Lehre und Forschung verteidigt und den kirchlichen Beeinträchtigungen der Wissenschaftsfreiheit nicht nachgegeben hat. Die Fakultät ist betrübt darüber, dass der Entzug der Lehrerlaubnis für Hans Küng bis heute das Verhältnis zwischen akademischer Theologie und der Kirche belastet. Sie bedauert, dass weder die römische, noch die deutsche Kirche Hans Küng als katholischen Theologien rehabilitiert und den Entzug der kirchlichen Lehrerlaubnis als schweren Fehler eingestanden hat. Schliesslich ist sie darüber bekümmert, dass mit den inneren Kontroversen in den heiklen Monaten eine Wunde in die Geschichte der Fakultät gerissen wurde, die bis heute nicht gänzlich ausheilen konnte.

In dieser Stimmungslage trauert die Fakultät um eines ihrer bedeutendsten Mitglieder; sie trauert um einen grossen Wissenschaftler der zeitgenössischen Katholischen Theologie; sie trauert um einen denkstarken katholischen und zugleich ökumenischen Theologen. 06.04.2021 Matthias Möhring-Hesse Dekan

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