Köln statt Luzern: Tobias Häner wird Professor an Woelkis Hochschule

Tobias Häner (42) ist Priester des Bistums Basel. Bislang war er im Luzerner Reusshaus tätig. Nun wechselt er nach Köln – als Professor für Altes Testament. In Köln plant Kardinal Rainer Maria Woelki eine konservative Kaderschmiede.

Raphael Rauch

Heute ist Hoher Donnerstag. Sehen Sie als Kenner des Alten Testaments vor allem die christliche Passion – oder eher das jüdische Pessach?

Tobias Häner*: Ich bin ganz im christlichen Triduum unterwegs. Das jüdische Pessach ist mir aber sehr nahe. Ich habe von 2004 bis 2005 das Theologische Studienjahr in Jerusalem absolviert und habe das Pessachfest in Jerusalem sehr intensiv erlebt.

Was fasziniert Sie am Alten Testament?

Häner: Mich fasziniert die Welt, die sich durch die biblischen Texte eröffnet. Sie spiegeln die Höhen und Tiefen unseres Lebens wider. Die alten Texte sind nicht leicht zugänglich. Wir leben in einer anderen Zeit, haben eine grosse kulturelle Distanz. Umso schöner ist es aber, diese Texte immer wieder neu zu entdecken.

Ihre Habilitation hat Hiob zum Thema. Was ist eine Hiobsbotschaft?

Häner: In der biblischen Geschichte kommen vier Boten zu Hiob mit katastrophalen Nachrichten. Durch Kriege und Naturkatastrophen verliert er seine Viehherden, seine Knechte und seine Kinder. Daher ist eine sehr schlechte Nachricht eine Hiobsbotschaft.

Was fasziniert Sie am Buch Hiob?

Häner: Das Hiob-Buch ist sehr vielfältig. Das menschliche Leid steht im Vordergrund. Und die Frage: Sieht Gott den Menschen in seinem Leid? Das Hiob-Buch stellt mehr Fragen als Antworten zu geben. Aber das Buch lädt ein, sich mit den Fragen des Leidens, des Haderns und des Zweifelns auseinanderzusetzen. Es kann ein Trost-Buch sein, aber auch eine echte Herausforderung.

Ist das Buch Hiob in Corona-Zeiten besonders aktuell?

Häner: Ich finde schon. Viele Menschen leiden. Viele Menschen haben Grund zur Klage. Wir dürfen klagen, so wie Hiob vor Gott sein Leid klagte. Die Corona-Pandemie bedeutet ein massiver Kontrollverlust. Daraus kann aber ein neuer spiritueller Weg entstehen und eine neue Gottesbegegnung wachsen.

Das Alte Testament spiegelt eine patriarchalische Gesellschaft wider. Die Männer haben das Sagen, Frauen werden vergewaltigt oder gesteinigt. Was sagen Sie Studenten, die behaupten: Das Buch Levitikus verteufelt Homosexualität – also dürfen wir keine Schwulen und Lesben segnen?

Häner: Pauschalurteile sind nach bibelwissenschaftlicher Methode unlauter. Es ist nicht der richtige Weg, einzelne Bibelstellen für heutige gesellschaftliche Fragen herauszupicken.

Sie sind Priester des Bistums Basel. Passen Sie überhaupt zum konservativen Kölner Kardinal Woelki? Seine Hochschule soll eine konservative Kaderschmiede werden.

Häner: Ich halte wenig von liberalen und konservativen Etiketten. Mir geht es um solide Wissenschaft und spannende Forschung. Ich bin Kardinal Woelki noch nie persönlich begegnet.

Sie haben in Luzern bei der feministischen Theologin Ruth Scoralick studiert. Sie ist so ziemlich das Gegenteil von Kardinal Woelki.

Häner: Ich gehe nach Köln, weil ich dort die Möglichkeit habe, Altes Testament zu lehren. Ich habe bei Ruth Scoralick viel gelernt. Ebenso bei Erich Zenger in Jerusalem und bei meinem Doktorvater Franz Sedlmeier in Augsburg.

Sie haben das neue ökumenische Institut im Luzerner Reusshaus mitaufgebaut. Bleiben Sie diesem erhalten?

Häner: Emotional auf jeden Fall. Ich werde auf der Website auch weiterhin als Mitarbeiter aufgeführt. Aber erst einmal muss ich nach Köln umziehen und mich dort einfinden. Ich habe vorerst keine Zeit, am Reusshaus einen Lehrauftrag wahrzunehmen.

Sie bleiben im Bistum Basel inkardiniert. Werden Sie pendeln, so wie viele deutsche Professoren in Fribourg nach Deutschland pendeln?

Häner: Ich habe in Köln ein Zimmer in einem Frauenkloster. In den Semesterferien werde ich in die Schweiz kommen und kann mir Aushilfstätigkeiten als Priester vorstellen.

Sie wirken am Telefon zurückhaltend. Sind Ihnen die Deutschen nicht zu laut, zu forsch, zu fordernd?

Häner (lacht): Ich sehe das als Chance, an meinem Temperament zu arbeiten. Und ich habe einen Vorteil: Als Schweizer ist man in Deutschland ein Exot und beliebt. Umgekehrt ist das nicht immer der Fall. Aber die Unpünktlichkeit der Deutschen Bahn wird an meinen Nerven zehren.

Trinken Sie gerne Kölsch?

Häner: Es gibt unterschiedliche Meinungen darüber. Aber mir schmeckt’s.

Mögen Sie Karneval?

Häner: Das ist nicht ganz mein Ding. Natürlich kenne ich als Basler die Fastnacht. Zu der habe ich ein gespaltenes Verhältnis. Mal habe ich an ihr teilgenommen, mal bin ich ihr ausgewichen.

Welche Hobbys haben Sie?

Häner: Ich bin Marathon-Läufer. Meine Bestzeit bin ich in Luzern gelaufen, drei Stunden und zehn Minuten. Mein letzter Lauf war in Wien mit drei Stunden und 30 Minuten. An meine Bestzeit komme ich leider nicht mehr heran.

* Tobias Häner (42) ist Priester des Bistums Basel. Er befindet sich in den Endzügen seiner Habilitation über das Buch Hiob an der Uni Augsburg. Zuvor promovierte er dort über das Buch Ezechiel. Er gehört zum Gründungsteam des neuen ökumenischen Instituts im Reusshaus in Luzern.


Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

https://www.kath.ch/newsd/koeln-statt-luzern-tobias-haener-wird-professor-an-woelkis-hochschule/