Grichting tritt zurück und macht Ferien: Bischof Bonnemain baut Bistumsleitung um

Der neue Bischof von Chur plant die Zukunft ohne Martin Grichting (53). Der Generalvikar trat am Tag der Bischofsweihe von allen Ämtern zurück und ist in den Ferien. Er bleibt aber Domherr. Bonnemain erwägt, Grichtings Job als Generalvikar ersatzlos zu streichen.

Raphael Rauch

Die Medienmitteilung der Woche besteht aus 93 Wörtern. «Dr. Martin Grichting, bisheriger Generalvikar der Diözese Chur, hat vor der Weihe und Amtseinsetzung des neuen Diözesanbischofs seine Demission von allen diözesanen und überdiözesanen Ämtern und Funktionen erklärt, ausser von seinem Amt als Domkapitular», teilt die Bischöfliche Kanzlei mit.

Bonnemain verzichtet wohl auf Super-General

«Der bis zur Weihe des neuen Bischofs zuständige Apostolische Administrator, Msgr. Peter Bürcher, hat diese Demissionen angenommen und Martin Grichting für die im Bistum geleisteten guten Dienste gedankt. Gegenwärtig befindet sich Domherr Grichting in den Ferien», heisst es weiter.

Bischof Joseph Maria Bonnemain entscheide «in der nächsten Zeit und nach geeigneten Beratungen darüber, ob er einen Generalvikar für das ganze Bistum ernennen wird». Will heissen: Er setzt möglicherweise auf drei regionale Generalvikare für Zürich/Glarus, Graubünden und die Urschweiz – und verzichtet auf einen Super-General.

Drahtzieher bei der geplatzten Bischofswahl

Mit 53 Jahren hat Grichtings steile Karriere im Bistum Chur ein abruptes Ende gefunden. Grichting gilt als Drahtzieher unter den Bischöfen Vitus Huonder und Peter Bürcher. In Hintergrundgesprächen hatte Grichting keinen Hehl daraus gemacht, dass er seine Tage im Bistum Chur für gezählt sieht. Er kokettierte mit dem Bild der indischen Witwe, die nach dem Abgang des alten Bischofs verbrannt werde.

Grichting gilt auch als Drahtzieher der geplatzten Bischofswahl im November. Im Domkapitel hatte er scharfe Geschütze aufgefahren. Laut Protokoll graute ihm vor einem «progressistischen Kurs der Deutschschweizer Bischöfe sowie Äbte und der Vertreter des staatskirchenrechtlichen Systems».

Angriff auf Basel, St. Gallen und Einsiedeln

Die Dreierliste des Papstes bestand aus Offizial Joseph Bonnemain, dem Generalabt der Zisterzienser, Mauro Lepori, und dem Abt von Disentis, Vigeli Monn. Grichting sah darin eine «feindliche Übernahme des Bistums Chur durch die Bischöfe von Basel, St. Gallen und den Abt von Einsiedeln. Sie haben sich, wie bekannt geworden ist, in Rom direkt massiv in die Bischofsernennung für Chur eingemischt», sagte Grichting im Domkapitel.

Auch griff er die Bischöfe von Basel, Felix Gmür, und von St. Gallen, Markus Büchel, direkt an: Sie würden die sakramentale Struktur der Kirche unterminieren.

Grichting fehlte bei der Bischofsweihe

Doch auch die Vertreter des dualen Systems bekamen ihr Fett weg. «Ihre erpresserischen Drohungen haben sie ja öffentlich bekannt gemacht», sagte Grichting. Es werde versucht, dem Bistum Chur «bistumsexterne Mönche aufzunötigen, die nie als Vikar oder Pfarrer in der Pastoral waren. Es fehlt ihnen die Erfahrung mit den zum Teil schweren pastoralen Problemen unserer Pfarreien.» Grichting gilt als Kritiker des dualen Systems.

Schon nach der Ernennung Joseph Bonnemains durch Papst Franziskus gab es Anzeichen dafür, dass Grichting nicht Teil der künftigen Bistumsleitung sein würde. Am Tag der Ernennung fehlte Grichting ebenso in der Kathedrale wie bei der Bischofsweihe.

Zynismus und Expertise im kirchlichen Stiftungswesen

Wer von Grichting nicht abhängig war, hatte an seinem zynischen Humor bisweilen Freude. Den bewies er auch in der SRF-Comedy-Sendung «Giacobbo/Müller».

Was selbst Grichtings schärfste Kritiker dem nun ehemaligen Generalvikar konzedieren: Der Kirchenrechtler gilt als hervorragender Experte für den undurchsichtigen Dschungel des kirchlichen Stiftungswesens. «Niemand kann das so gut wie Martin Grichting. Er ist hier nicht so schnell zu ersetzen», sagt ein Bistums-Insider.

Im Bistum Chur hatte Grichting zusätzlich zum Amt des Generalvikars folgende Ämter inne:

 

Die Trennung von allen Ämtern bis auf das Amt des Domkapitulars ist allerdings noch nicht vollzogen:

 

Wäre es nach dem ehemaligen Bischof Vitus Huonder gegangen, dann wäre Martin Grichting auch Weihbischof geworden – und später sein Nachfolger als Bischof. Aufgrund seines Hardliner-Kurses und seiner Kritik am dualen System galt Grichting aber als nicht vermittelbar. Huonder musste von den Plänen Abstand nehmen:

Der neue Bischof Joseph Bonnemain hatte im Gespräch mit kath.ch signalisiert, er könne sich eine Zusammenarbeit mit Grichting vorstellen: «Indem wir normal miteinander umgehen und das Vergangene abschliessen. Ich hätte keine Mühe, aber es braucht eine gegenseitige Bereitschaft», sagte Bonnemain.

Martin Grichting war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.


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