Madonna, Magdalena und Jesus: Wie eine Schweizer Malerin biblische Figuren darstellt

Endlich öffnen die Museen wieder! Das Kunsthaus Zürich zeigt eine Werkschau der Schweizer Malerin Ottilie Wilhelmine Roederstein. Zu Lebzeiten war die Künstlerin international anerkannt, ging danach aber vergessen. Sie malte auch religiöse Bilder.

Alice Küng

Ottilie Wilhelmine Roederstein zählt zu den wichtigsten Schweizer Malerinnen der frühen Moderne. Sie lebte von 1859 bis 1937 und arbeitete als freischaffende Künstlerin. Für ihre Porträts und Stillleben erhielt sie zu Lebzeiten international Anerkennung.

In den 1880er- und 1890er-Jahren malte sie auch religiöse Szenen. «Diese waren damals sehr beliebt und prestigeträchtig», sagt Kuratorin Sandra Gianfreda vom Kunsthaus Zürich.

Roederstein war eine der wenigen Frauen, die sich in diesen Bereich vorwagte. «Es war ein männlich dominiertes Terrain.» Auch das Aktzeichnen war Frauen früher aus sittlichen Gründen verwehrt. In Wahrheit haben sich die Männer gemäss Kuratorin jedoch vor der weiblichen Konkurrenz gefürchtet.

Magdalena und ihr Schmerz

Trotz Widerständen in der Gesellschaft gelang es Roederstein, sich im Bereich der religiösen Malerei Respekt zu verschaffen. «Als Frau akzeptiert zu werden, war nicht einfach.» Mit ihrer «Pietà» des toten Christus stellte sie ihr Können im Aktzeichnen unter Beweis.

Roederstein malte auch eine Madonna, eine Christus-Szene und Magdalena. «Magdalena war damals ein beliebtes Sujet.» Das Schmerzempfinden von Trauer und Leid stand laut Gianfreda in diesem Gemälde von Roederstein vermutlich im Vordergrund.

Ein Malstil im Wandel

Roederstein selbst lebte religiös, war aber aus der Kirche ausgetreten. «Im christlichen Glauben an einen gütigen Vater und in der Urweisheit der tiefen Denker des Ostens suchte sie Halt», sagte ihr damaliger Freund Heinz Häberlin.

Roedersteins Malstil änderte sich im Laufe ihrer Karriere mehrmals. Zuerst malte sie sehr realistisch, dann fast impressionistisch und zuletzt sachlich-nüchtern. «Bei den späteren Gemälden ab 1910 dringt ihre eigene Handschrift immer stärker durch», sagt Gianfreda.

Ihre Wiederentdeckung

Nach ihrem Tod 1937 geriet Roederstein schnell in Vergessenheit. «Die Zäsur des Zweiten Weltkriegs spielte dabei eine grosse Rolle», sagt die Kuratorin. Nach 1945 sei die figurative Malerei verpönt worden und die abstrakte Kunst rückte ins Zentrum.

Später habe man sich hauptsächlich für männliche Künstler wie Ferdinand Hodler oder Arnold Böcklin interessiert. Über 80 Jahre nach dem Tod von Roederstein widmet ihr das Kunsthaus in Zürich jetzt die erste monografische Werkschau der Schweiz.

Der Fokus auf die Frauen

«Wir wollen vermehrt historische Künstlerinnen dem breiten Publikum zugänglich machen», sagt Gianfreda. Roederstein spiele für das Kunsthaus ausserdem eine wichtige Rolle: «1920 schenkte sie der Institution 16 Werke.»

Ab Dienstag, 2. März, ist das Kunsthaus Zürich wieder geöffnet – und zeigt insgesamt rund 70 Werke der Künstlerin bis zum 5. April.


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