«Die neue Allianz eröffnet auch Bischof Felix eine Chance»

Aus der Allianz «Es reicht!» wird die «Allianz Gleichwürdig Katholisch». Das Ziel: als Netzwerk von Reformkatholiken Veränderungen in der Schweizer Kirche anzustossen. Das Fastenopfer und die Kantonalkirchen Aargau und Zürich sind nicht dabei.

Raphael Rauch

Die neue Allianz heisst «Allianz Gleichwürdig Katholisch» und wirbt mit dem Hashtag «#gleicheWürdegleicheRechte». Ist Ihnen kein griffigerer Name eingefallen?

Katharina Jost Graf*: Mir gefällt der Name sehr gut. Er zeigt eine Kontinuität zur Allianz «Es reicht!». Und er bringt auf den Punkt, was uns wichtig ist: gleiche Würde und gleiche Rechte in der katholischen Kirche und in der Welt.

Welche Vision hat die neue Allianz?

Jost Graf: Wir gehen davon aus: Wir Menschen sind nach Gottes Bild geschaffen. Dadurch wird uns eine besondere Würde zuteil, ganz unabhängig von Geschlecht und Herkunft. Aus dieser Gleichwürdigkeit ergibt sich, dass jedem Menschen die gleichen Rechte zukommen. Wirkliche Gleichberechtigung in Kirche und Welt ist unsere Vision.

«Wir sind kein Club von Utopisten.»

Ist die Allianz utopisch? Die katholische Kirche hat eine klare Hierarchie, in der Frauen und Laien von vielen Führungsämtern ausgeschlossen werden.

Jost Graf: Wir sind kein Club von Utopisten. Die Kirche ist mehr als die römische Amtskirche. Schauen wir uns das duale System an: Hier wird schon jetzt Demokratie und Gleichberechtigung in einem hohen Mass gelebt. Geschlechtergerechtigkeit ist beispielsweise bei der Jubla und in vielen Pfarreiteams Realität.

Natürlich geht unsere Vision über die Grenzen des Kirchenrechts hinaus. Wie uns aber Kirchenrechtler sagen, liesse sich auch mit dem bestehenden Kirchenrecht noch einiges mehr an Gleichberechtigung verwirklichen.

Was wollen Sie dieses Jahr erreichen?

Jost Graf: Wir verstehen uns als Projekt, das sich konkret vier Jahre vorgenommen hat. Es geht darum, nun möglichst rasch einen kleinen Trägerverein zu gründen. Anschliessend wird eine Geschäftsstelle mit einer Projektleiterin oder einem Projektleiter aufgebaut.

Dann geht es ums Community-Building: Wir wollen bekannter werden, unsere Ideen vorstellen, uns vernetzen. Das kann digital funktionieren – aber natürlich auch durch den persönlichen Austausch, sobald die Pandemie das zulässt.

«Namhafte Beiträge wird es von dritter Seite geben.»

Wer wird die Geschäftsstelle finanzieren?

Jost Graf: Da sind einige Abklärungen am Laufen. Die drei Trägerorganisationen Jubla, KAB Schweiz Christliche Sozialbewegung und der Schweizerische Katholische Frauenbund (SKF) werden wohl einen kleineren Sockelbeitrag leisten. Namhafte Beiträge wird es aber von dritter Seite geben. Das ist aber noch nicht spruchreif. Zudem setzen wir auch aufs Crowdfunding.

Wer wird die Projektleitung übernehmen?

Jost Graf: Das wissen wir noch nicht. Die Stelle wird bald ausgeschrieben. Unsere Wunschvorstellung wäre eine Person mit 80 Prozent. Die Geschäftsstelle könnte eventuell bei der Jubla angesiedelt werden. Auch wir vom Frauenbund würden gerne die Projektleitung beherbergen, allerdings haben wir leider kein freies Büro.

Wer bestimmt den Kurs der Steuergruppe?

Jost Graf: Wir alle gemeinsam. Wir haben sehr flache Hierarchien. Jede und jeder engagiert sich entsprechend des individuellen Charismas.

«Jeder und jede kann mitmachen – und muss dafür kein Formular ausfüllen.»

Pro Forma werden Sie einen Verein gründen. Warum?

Jost Graf: Wir brauchen den Status einer juristischen Person, um ein Bankkonto zu führen und um das Fundraising zu betreiben. Der Verein ist aber nur die juristische Hardware. Das eigentliche Leben spielt sich in der Projektgemeinschaft, in der Steuergruppe und hoffentlich bald auf der Geschäftsstelle der Allianz ab, die sich sehr offen und dynamisch versteht. Jeder und jede kann mitmachen – und muss dafür kein Formular ausfüllen.

Wer wird Vereinspräsident oder Vereinspräsidentin?

Jost Graf: Das ist offen. Ich könnte mir ein rotierendes Präsidium vorstellen. Stand heute werden Frauenbund, Jubla und KAB den Trägerverein gründen.

Die Allianz «Es reicht!» hat sich vor allem am Bistum Chur abgearbeitet. Sollte es in ein paar Monaten einen neuen Bischof geben – sind Sie dann sprech- und handlungsfähig?

Jost Graf: Wie Sie hoffentlich feststellen, sind wir bereits jetzt sprech- und handlungsfähig. Und mit der Stelle, die geschaffen wird, werden wir dies noch professionalisieren. Betreffend dem Bistum Chur oder überhaupt den Bischöfen ist mir wichtig, zu betonen, was Jubla-Bundespräses Valentin Beck im Interview mit kath.ch gesagt hat:

«Die Allianz versteht sich nicht als Fundamental-Opposition, sondern als Brückenbauerin. Sie will Ansprechpartnerin sein für eine zukunftsfähige und glaubwürdige Art von Kirche. Wir reichen den Bischöfen die Hand und möchten sie bei Reformen unterstützen.»

Was sind die Unterschiede zwischen der alten und der neuen Allianz?

Jost Graf: Wir sind vielleicht mehr für etwas als gegen etwas. Wir werden stärker mit der Westschweiz und wenn möglich auch mit dem Tessin zusammenarbeiten. Und dank einer eigenen Geschäftsstelle können wir professioneller auftreten und starke Kampagnen fahren. Zudem können auch Einzelpersonen mitmachen.

«Wir haben keine Selbstdarsteller.»

Gibt es bei Ihnen in der Steuergruppe unterschiedliche Interessen – oder nur Friede, Freude, Eierkuchen?

Jost Graf: Wir sind uns weitgehend einig. Ich spüre einen grossen gegenseitigen Respekt. Gleiche Würde, gleiche Rechte – das fordern wir nicht nur, sondern das leben wir auch in der Steuergruppe. Unterschiede gibt es vielleicht im Stil.

Was mir gut gefällt: Wir haben keine Selbstdarsteller, die mit Monologen oder übermässig vielen theologischen Fachbegriffen auftrumpfen. Wir haben eine gute Arbeitsatmosphäre.

Sie sprechen in der Medienmitteilung von einer achtköpfen Steuergruppe, nennen später aber nur sieben. Könnte es sein, dass der achte Akteur das Fastenopfer ist?

Jost Graf: Das müssen Sie Bernd Nilles vom Fastenopfer fragen.

Im Vorfeld war davon die Rede, dass sich die Landeskirchen Zürich und Aargau für eine Mitgliedschaft interessieren. Gibt’s hier Neuigkeiten?

Jost Graf: Nein.

Sie arbeiten für das Bistum Basel. Wie würden Sie Ihrem Bischof Felix Gmür die neue Allianz vorstellen?

Jost Graf: Bischof Felix, die «Allianz Gleichwürdig Katholisch» eröffnet auch Ihnen eine Chance. Hier zeigt sich die Kirche in der Welt von heute, facettenreich und mutig. Eine Kirche, die vorwärts geht, konstruktiv und eben gleichwürdig ist.

«Die Bischofskonferenz kann vom Austausch nur profitieren.»

Welchen Beitrag kann die Allianz für den Erneuerungsprozess der Schweizer Kirche leisten?

Jost Graf: Wir haben einen reichen Erfahrungsschatz und ein kompetentes Netzwerk. Gerne bringen wir uns ein. Das bisherige Gespräch von Frauenvertreterinnen mit den Bischöfen hat gezeigt, dass die Bischofskonferenz vom Austausch nur profitieren kann. Darauf bauen wir auch gerne von Seiten der Allianz auf. Wir sind eine Form von synodaler Kirche. Das ist auch ganz im Sinne von Papst Franziskus.

* Katharina Jost Graf (57) ist Vizepräsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbunds. Die Theologin arbeitet als Pfarreiseelsorgerin im Pastoralraum Hürntal LU.


Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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