Fünf goldene Krönchen für die Gottesmutter und das Jesuskind

Gold findet sich im Innern der Wallfahrtskirche in Mariastein in geringen Mengen, eher im Tresor der Sakristei – und auf dem Gnadenbild in der Grotte.

Boris Burkhardt

Während der Vorrecherche am Telephon ist Pater Lukas Schenker skeptisch. Ein Feature über Gold im Kloster? Klar, er könne dem Journalisten schon alles zeigen; aber viel dürfe er nicht erwarten. Beim Termin vor Ort im Kloster Mariastein im solothurnischen Metzerlen-Mariastein nur wenige Meter von der französischen Grenze entfernt sieht es zunächst danach aus.

Klar, im Kirchenschiff sieht man viel goldene Farbe, die Farbe des Königs und Gottes, wie Pater Lukas einwirft, die besonders schön mit dem Weiss der Wände harmonisiert: am meisten an der Kanzel, ausserdem an der Orgel und an den Rahmen der Deckenbilder.

Aber beim genauen Hinsehen ist auch dem Laien sofort klar, dass es sich nur um hauchdünnes Blattgold handelt.

Es fehlte das Geld

Die Wallfahrtskirche des Klosters, erklärt Pater Lukas, wurde zwar schon 1655 geweiht, also in jener prunkvollen und goldreichen Kunstepoche des Hochbarocks, aber im spätgotischen Stil gebaut. Mehrere Umgestaltungen im Sinne des Neobarocks, also in einer Rückbesinnung auf das Barock im 16. bis 18. Jahrhundert, erfolgten erst zwischen 1900 und 1934. Aus dieser Zeit stammen auch erst die Deckengemälde mit den Goldrahmen.

«Damals hatte man doch kein Geld», raunt Pater Lukas mit Rücksicht auf die betenden Besucher in der Kirche und meint dies als Argument, dass man in der Dekoration des Kirchenschiffs kein Massivgold finden werde. Nur Goldfarbe, wie vermutlich die Schriftzüge auf den Tafeln des Kreuzwegs, die an den Wänden angebracht sind – oder eben Blattgold.

Geschenk des Sonnenkönigs

Die Büste des legendären ersten Basler Bischofs St. Pantalus ist aus vergoldetem Silber; der Hochaltar, ein Geschenk des französischen Sonnenkönigs Louis XIV aus dem Jahr 1680, ist ebenfalls mit viel Blattgold, Goldüberzug und Goldfarbe veredelt. Die goldfarbenen Kerzenständer in der St. Josefskapelle hingegen sind eindeutig bemaltes Holz. 

Aber da war im Vorgespräch doch noch etwas von goldenen Kelchen und Monstranzen? Pater Lukas führt den ungeduldigen Journalisten in die Sakristei und öffnet dort Hängeschränke mit über 20 goldenen Eucharistiekelchen in den unterschiedlichsten Grössen und Formen. Auf dem Schrank stehen einige goldene Monstranzen. Für einen Küchenschrank ist das wirklich viel Gold!

Kelch in Rot

Aber Pater Lukas klärt auf: Hierbei handle es sich lediglich um die persönlichen Kelche, die die Mönche von der Verwandtschaft zu ihrer Primiz geschenkt erhielten. Die meisten seien von den verstorbenen Mitbrüdern vermacht worden und würden für Gottesdienste im Alltag benutzt. Aus einem Schrank gegenüber holt Pater Lukas seinen eigenen Kelch von 1963.

Er stammt vom Goldschmied Meinrad Burch, der 1934 die lebensgrosse, silbervergoldete Figur des Bruder Klaus in der Wallfahrtskirche in Sachseln versilberte. Er ist aussen komplett mit bordeauxroter Emaille überzogen; das sei ein Trend, der in den Sechzigern aufgekommen sei. Das Innere der sogenannten Cuppa, des eigentlichen Trinkgefässes, müsse aber immer aus massivem Gold sein – «aus Ehrfurcht vor dem Blut Christi», wie Pater Lukas erklärt.

Nun die grosse Überraschung

Der Journalist ist beeindruckt von so viel Gold. Er macht sich gerade noch Notizen, als ihn Pater Lukas in einen weiteren Raum der Sakristei mit einem enormen Wandschrank ruft. Der Mönch öffnet eine der grossen Türen und schliesst einen Panzerschrank auf.

Damit hatte der Journalist nicht gerechnet: Die Kelche zuvor waren nur ein Vorgeschmack. Hier stehen die vollständig mit Gold überzogenen Kelche und Ziborien, die das Kloster in den vergangenen 200 Jahren erwarb oder geschenkt bekam, in einem weiteren Schrank die Monstranzen, Reliquienbehälter, Kreuze und einige weltliche Kelche – fast ausschliesslich aus Gold.

Pater Lukas hat im Vorgespräch eindeutig untertrieben, als er sagte, viel dürfe man nicht erwarten! Die Kelche aus dem Kirchenschatz würden an Sonn- und Feiertagen verwendet, erklärt er geduldig. Die meisten tragen kleine Emaille-Medaillons mit Bildern von Szenen aus dem Kirchenjahr. Sie sind alle in einem Katalog beschrieben, den der 2020 verstorbene Pater Bonifaz Born verfasste.

Und nun zum zweiten Schrank

Nach dem Wert all dieser vergoldeten Gegenstände gefragt, zuckt Pater Lukas mit den Achseln: «Keine Ahnung, wie hoch die Versicherungssumme ist.»

Um zu zeigen, wie vielfältig Gold in einem Kloster vorkommt, wuchtet Pater Lukas noch aus der zweiten Tür des enormen Wandschranks einen historischen Chormantel aus Goldbrokat hervor. Der mit Goldfäden durchwirkte Stoff ist schwer. Ihn trägt noch heute an besonderen Feiertagen der Zelebrant im Gottesdienst.

Jetzt die Muttergottes

Doch selbst mit diesen vergoldeten Gegenständen, die die Mönche benutzen, hat sich das Gold im Kloster Mariastein noch nicht erschöpft. Pater Lukas führt zu einem weiteren Panzerschrank in einem anderen Raum. Auch die Muttergottes und das Jesuskind des Gnadenbilds der Maria vom Stein in der Grotte unter der Kirche – der Grund für die Wallfahrt hierher – tragen vergoldete Krönchen, und zwar je fünf für verschiedene Abschnitte im Kirchenjahr.

Ein Kronenpaar, erzählt Pater Lukas, sei in den Vierzigern vom Gnadenbild in der Grotte gestohlen worden. Die Mädchen des Blaurings hätten daraufhin gesammelt, bis sie ein neues Paar mit blauen Edelsteinen hätten spenden können. Derzeit sind aber alle fünf Kronenpaare im Panzerschrank.

Das Blech auf den Kopien

Pater Lukas löst dieses Rätsel auf der letzten Etappe der Goldführung durch das Kloster in der Grotte des Gnadenbilds: Die begleitenden Putten des Gnadenbilds sind augenscheinlich auch aus vergoldetem Silber; die Madonna und das Jesuskind tragen allerdings keine Kronen, Maria lediglich ein Szepter.

Wegen Corona, erklärt Pater Lukas, sei für die Besucher derzeit eine Kopie des Gnadenbilds im Kirchenschiff aufgestellt. Weil aber nur ein Bild von beiden als das echte gelten könne, trage das Original in der Grotte solange keine Kronen. Die Kronen der Kopien oben in der Kirche sind derweil nur aus Blech.


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