Was sind es für Sorgen, die sich die «Christinnen gegen Konzernverantwortungsinitiative» machen? Loris Fabrizio Mainardi* widerspricht in einem Gastbeitrag Andrea Gmür, die mit dem Engagement der Kirche nicht einverstanden ist.
Die Luzerner CVP-Ständerätin Andrea Gmür und die «Christinnen gegen Konzernverantwortungsinitiative» kritisieren in einem offenen Brief das Engagement der Kirchen: Mit ihrer «einseitigen Parteinahme für die Initiative» vermittelten diese den Eindruck, dass es nur einen einzigen Weg gäbe, christliche Grundsätze zu verwirklichen.
Die Briefschreiberinnen fragen denn auch: «Sind Frauen, die den Gegenvorschlag unterstützen, weniger gute Christen?» Und: «Warum stimmen die Kirchen in den Kanon von NGO ein, die multinationale Unternehmen als notorische Täter darstellen, die überall wissentlich und willentlich die Umwelt zerstören und Menschenrechte missachten?»
Anstelle einer Antwort hier eine Replik: Politische Einmischung der Kirche ist demokratisch legitim und bisweilen auch theologisch geboten, wobei die Debatte um die KVI zu deren eidgenössischem Exerzierplatz geworden ist: Während autoritäre protestantische Landeskirchen und das Bistum Chur orange Transparente von den Kirchtürmen und Wahlpropaganda von den Kanzeln verbannen, bekennt sich der Basler Bischof Felix Gmür offen zur Initiative – anders als seine eingangs erwähnte Schwägerin, die nun zur Feder gegriffen hat.
Genauso wenig «einseitig» somit eine Parteinahme der Kirchen für oder gegen die Konzernverantwortungsinitiative (KVI) erfolgt, genauso wenig wird die eine oder andere Seite behaupten können, die Gegner seien bessere oder schlechtere Christen.
«Die politische Einflussnahme der Kirche hat sich auf ethische Grundsatzfragen zu beschränken.»
Denn – und hier ist Andrea Gmür zuzustimmen – die politische Einflussnahme der Kirche hat sich nach dem berühmten «silete theologi in munere alieno!» des Renaissancejuristen Alberico Gentili auf ethische und moralische Grundsatzfragen zu beschränken, während für die konkrete Umsetzung politischer Geschäfte der Sachverstand von Politikern und Fachleuten gefordert ist. Bischof Gmür wäre demnach nicht deswegen ein besserer Christ als Ständerätin Gmür, weil er für ein Ja am 29. November eintritt.
Dennoch gibt es gute Gründe, warum ein guter Christ genau dies tun sollte:
Es kann gefolgert werden, dass die effektiven Auswirkungen der Initiative bei weitem nicht derart einschneidend und gefährlich ausfielen, wie die «Christinnen gegen die KVI» glauben beziehungsweise die Stimmbürgerinnen glauben machen wollen. Andrea Gmür selbst hat es zu verantworten, dass jetzt nur die Wahl zwischen einem konkretisierungsbedürftigen Initiativtext, einem kitschigen Gegenvorschlag oder dem status quo – sprich: dem weiteren Gewährenlassen – besteht.
Weder ein Bischof noch Papst Franziskus vermöchten uns vorzuschreiben, wie wir als gute Christen abzustimmen hätten. Welche Sorge einer verbleibenden Unsicherheit entgegenzubringen wäre, skizziert indes die Bergpredigt. Nicht nur Ständerätin Gmür wäre gut beraten, die entsprechende Bibelstelle (Matthäusevangelium 6,19ff.) vor der Abstimmung wieder einmal zu lesen!
*Loris Fabrizio Mainardi ist Jurist in Luzern und für ein Familienunternehmen tätig. Er ist kirchlich engagiert und erlaubt sich nach eigenen Angaben «zu gewissen – politischen, kulturellen, religiösen – Themen ab und zu mitzureden».
Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant
https://www.kath.ch/newsd/warum-andrea-gmuer-auf-ihren-schwager-bischof-felix-hoeren-sollte/