Schreiben von Bischof Peter an alle Mitarbeitenden in der Seelsorge

Liebe Mitbrüder im priesterlichen und diakonalen Dienst
Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Seelsorge
 
Nach mittlerweile 17 Monaten im Dienst als Apostolischer Administrator des Bistums Chur ist es Zeit, dass ich mich wieder an Sie alle wende. Ich tue es auf diesem Weg, weil bekanntlich derzeit persönliche Kontakte nicht so einfach sind. Wir befinden uns ja immer noch und wieder verstärkt in den Schwierigkeiten, welche COVID-19 verursacht. Auch Sie, welche in der Seelsorge tätig sind, sind davon betroffen. Ganz herzlich erneuere ich meinen Dank dafür, dass Sie unter erschwerten Umständen in der Seelsorge ausharren und den Gläubigen weiterhin nach Kräften beistehen. Besonders möchte ich auch von ganzem Herzen danken für die vielfältige Unterstützung, die ich von Ihnen erhalten habe für die Ausübung meines Dienstes als Apostolischer Administrator des Bistums Chur.
 
Die jetzige Pandemie ist allerdings nicht die einzige Belastung, der wir im Bistum Chur ausgesetzt sind. Es gibt leider nach wie vor auch «hausgemachte» Probleme. Wie Sie wissen, hat in den letzten Wochen eine kleine, aber lautstarke Gruppe von Personen, die zum Teil in der Sendung des Bistums stehen, mit Methoden, die nicht dem Dialog, sondern der politischen Druckausübung dienen, versucht, Stimmung zu machen. Die Instrumentalisierung der Medien und der öffentlichen Meinung mittels Petitionen sind in der Kirche etwas Ungehöriges, das spaltet und verletzt. Darauf habe ich bereits im vergangenen März 2020 aufmerksam gemacht (zum Öffnen des Links hier clicken). Und dabei bleibe ich.
 
Es handelt sich hier nicht um eine Dialoggruppe, sondern um eine «Pressure Group». Dies ist für mich eindeutig, denn wenn man mit jemanden sprechen will, treibt man ihn nicht mit einer Medienkampagne wochenlang vor sich her. Man bietet ihn auch nicht einfach zu einem nicht gemeinsam vereinbarten Termin auf, an dem er eine Petition entgegenzunehmen hat. Man kündet auch nicht medienwirksam an, man werde jemanden – unter Berufung auf einen willkürlich ausgelegten Paragrafen des Kirchenrechts – vor Gericht ziehen, mit dem man angeblich einen Dialog führen will. Man belästigt schliesslich auch nicht tagelang die Mitarbeiter dessen, den man ins Visier genommen hat, mit Telefonanrufen, die man auch noch im Internet protokolliert. Solches ist aber geschehen. Es ist keine Einladung zum Dialog, sondern es sind Einschüchterungsmassnahmen, unter Zuhilfenahme willfähriger Medien, die es sich natürlich nicht nehmen lassen,  über Angriffe auf die Kirchenleitung zu berichten. Das Ergebnis solcher Aktionen ist Verletzung und Spaltung, aber nicht eine Stärkung der Einheit, um die es allen Gläubigen im Bistum im Hinblick auf die Wahl und Ernennung eines neuen Bischofs von Chur gehen muss.
 
Ich möchte aber in all dem auch das Positive sehen. Wenn von denen, die den Weg über die Medien gewählt haben, um ihre Sichtweise durchzusetzen, das Kirchenrecht als Bezugspunkt angeführt wird, ist das letztlich doch auch erfreulich. Denn es sagt etwas Wichtiges: Einheit in der Kirche ist nicht einfach ein Kompromiss von Meinungen, sondern sie ist inhaltlich definiert. Natürlich ist der erste Bezugspunkt der Einheit der Kirche und auch unseres Bistums nicht das Kirchenrecht, sondern die Heilige Schrift. Sodann ist die Einheit in den Sakramenten, in der Glaubenslehre und in der kirchlichen Leitung verankert. Aber auch das nun angerufene Kirchenrecht ist Bezugspunkt der Einheit. Denn der Hl. Papst Johannes Paul II. hat betont, dass der «Codex Iuris Canonici» voll dem Wesen der Kirche, wie es vom Lehramt des Zweiten Vatikanischen Konzils ganz allgemein und besonders in seiner Ekklesiologie dargestellt wurde, entspricht (Apostolische Konstitution «Sacrae disciplinae leges» vom 25. Januar 1983). Ich bin überzeugt, dass es auf dieser Grundlage, und nur darauf, die Einheit, derer wir so dringend bedürfen, geben kann. Da das Kirchenrecht offenbar nun als gemeinsame Grundlage anerkannt ist, weise ich unter anderem auf folgende Punkte hin, in welcher die Einheit in unserem Bistum wachsen muss, damit ein neuer Bischof wirklich fruchtbar wird wirken können:


Ich bin überzeugt, dass es nur auf dieser inhaltlichen Basis, betreffend welche ich einige Elemente zitiert habe, eine neue Einheit in der Kirche von Chur geben wird. Und nur auf dieser Basis ist ein echter Dialog möglich, der nicht der massenmedial aufgeladenen Durchsetzung der eigenen Vorstellungen dient, sondern der dabei hilft, das, was immer gegolten hat und gelten wird, so neu in unsere Zeit hinein zu sagen und verkünden, dass es von den Menschen verstanden und angenommen werden kann. Zu einem solchen Dialog bin ich gerne jederzeit bereit. Meine Mutter hat mich zuhause immer gelehrt, Ordnung zu haben. Die Kirche lehrt es mir auch. Ordnung schafft Einheit.
 
Abschliessend möchte ich Ihnen noch einige Worte von Papst Franziskus mit in Ihren Alltag geben. Sie stammen aus dem Apostolischen Schreiben «Evangelii Gaudium» und scheinen mir in der gegenwärtigen Stunde so etwas wie eine Gewissenserforschung zu sein. Der Papst schreibt unter dem Titel: «Nein zum Krieg unter uns» (Nr. 98ff): «Wie viele Kriege innerhalb des Gottesvolkes und in den verschiedenen Gemeinschaften! (…). Für diejenigen, die durch alte Spaltungen verletzt sind, ist es schwierig zu akzeptieren, dass wir sie zur Vergebung und zur Versöhnung aufrufen, weil sie meinen, dass wir ihren Schmerz nicht beachten oder uns anmaßen, sie in den Verlust ihrer Erinnerung und ihrer Ideale zu führen. Wenn sie aber das Zeugnis von wirklich brüderlichen und versöhnten Gemeinschaften sehen, ist das immer ein Licht, das anzieht. Darum tut es mir so weh festzustellen, dass in einigen christlichen Gemeinschaften und sogar unter gottgeweihten Personen Platz ist für verschiedene Formen von Hass, Spaltung, Verleumdung, üble Nachrede, Rache, Eifersucht und den Wunsch, die eigenen Vorstellungen um jeden Preis durchzusetzen, bis hin zu Verfolgungen, die eine unversöhnliche Hexenjagd zu sein scheinen. Wen wollen wir mit diesem Verhalten evangelisieren? (…). Alle haben wir Sympathien und Antipathien, und vielleicht sind wir gerade in diesem Moment zornig auf jemanden. Sagen wir wenigstens zum Herrn: ‹Herr, ich bin zornig auf diesen, auf jene. Ich bitte dich für ihn und für sie.› Für den Menschen, über den wir ärgerlich sind, zu beten, ist ein schöner Schritt auf die Liebe zu, und es ist eine Tat der Evangelisierung. Tun wir es heute! Lassen wir uns nicht das Ideal der Bruderliebe nehmen!».
 
In diesem Sinn hoffe ich, dass der Geist der Brüderlichkeit bzw. der Geschwisterlichkeit, der jüngst von Papst Franziskus in seiner Enzyklika «Fratelli tutti» so eindringlich betont worden ist, in unserem Bistum wachsen möge. Dies kann nur geschehen im Gebet füreinander und im authentischen Glauben an den allmächtigen und barmherzigen Gott, so, wie es Tausende von Personen seit dem vergangenen Januar auf unserem täglichen Weg der Erneuerung der Kirche im Bistum Chur zu leben versuchen. Dazu erteile ich Ihnen und allen Gläubigen, die Ihrer Sorge anvertraut sind, meinen bischöflichen Segen. Herzlich grüsse ich Sie in Christus, unserem Frieden.
 
 
Chur, 20. Oktober 2020
 
 
Bischof Peter Bürcher
Apostolischer Administrator
Hof 19
7000 Chur

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