Auf dem Jakobsweg pilgern mit Rucksack und Maske

Wer derzeit auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela pilgert, muss unerschrocken sein. In Corona-Zeiten gehört in Spanien eine Maske vor Mund und Nase – theoretisch.

Andreas Drouve

«Eine Maske ist jetzt überall obligatorisch», bekräftigt die Dame beim Anruf im Pilgerbüro von Santiago de Compostela in harschem Ton. «Wer sie nicht anlegt, kann bestraft werden.»

Ist Pilgern ein Sport?

Jakobspilger sind in Spanien bei der unlängst von fast allen Regionen eingeführten Maskenpflicht im Freien nicht ausgeklammert. Wäre Pilgern als Sport anerkannt, so wie Joggen und Radfahren, entfiele die Mund-Nase-Bedeckung.

«Pilgern ist kein Spaziergang.»

Cesar Garralda, Herberge-Gastwirt

Cesar Garralda, der in der Altstadt von Pamplona die private Herberge Casa Ibarrola führt, hat dafür kein Verständnis. «Pilgern ist kein Spaziergang», sagt er, «sondern eher Wandern, Trekking. Der Jakobsweg ist natürlich spirituell und kulturell geprägt – aber es ist eben auch Sport.»

Mit Maske auch an der frischen Luft

Nach Spaniens zehrendem Lockdown und einem Mehrstufenplan der Lockerungen ist durch punktuelle Neuausbrüche des Virus eine Verschärfung der Maskenpflicht in Kraft getreten. Sie gilt seit Ende der zweiten Juliwoche und betrifft nunmehr – bis auf die genannten Ausnahmen – auch alle Bewegungen an der frischen Luft.

Doch wie gehen Pilger damit um? In den vergangenen Tagen haben Ankömmlinge bei Garralda ihr Herz ausgeschüttet. Dabei hat der 50-Jährige eine klare Tendenz ausgemacht: «Ziehen sie durch Dörfer und Städte, setzen sie die Maske auf. Sonst auf einsameren Strecken nicht.»

«Leute verwandeln sich Leute in Polizisten.»

Cesar Garralda

Berichtet haben ihm Pilger davon, von Einheimischen massiv beschimpft worden zu sein, als sie die Masken gerade einmal nicht aufgesetzt hatten. «Da verwandeln sich Leute in Polizisten», umreisst Garralda Spaniens neues Lebensgefühl aus Angst, Verunsicherung, Hysterie und der Verärgerung über aufgezwängte Massnahmen von Politik und Behörden.

Ein gewöhnungsbedürftiges Unterfangen

Pilgern mit Maske ist ein skurriles, gewöhnungsbedürftiges, nahezu unmögliches Unterfangen. Das haben die Französinnen Jeromine Fontaine (26) und Chloé Capdevielle (25) am eigenen Leib erfahren. Gestartet sind sie jenseits der Pyrenäen in Saint-Jean-Pied-de-Port.

«Wenn man so lange wandert, stört sie einfach.»

Chloé Capdevielle, Pilgerin

Ihr angepeiltes Ziel nach einer Woche ist Logrono, die Hauptstadt der Region La Rioja. Bei ihrer Pilgerpremiere auf dem Jakobsweg haben die angehenden Grundschullehrerinnen unterwegs ihre eigene Maskenstrategie entwickelt.

«Durch die Maske kann man gar nicht richtig atmen», sagt Capdevielle, «wenn man so lange wandert, stört sie einfach.» Und man trage einen Rucksack, gibt sie zu bedenken, schnappe bei Anstiegen nach Luft. Freundin pflichtet ihr bei.

Viele Anfragen im Voraus

Herbergsbetreiber Garralda bekommt öfter Mails potenzieller Kunden, die anfragen, wie er sein Hygienekonzept umsetzt und ob Spanien aufs Neue eine Schliessung der Grenzen droht. Nach dem monatelangen Stillstand auf dem Jakobsweg hofft Garralda, dass ihm und seinen Kollegen weitere Rückschläge erspart bleiben. Derzeit empfängt er in seiner 20-Betten-Herberge im Tagesschnitt ohnehin nur sechs Gäste. (kna)

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