Langzeitpflege und Pandemie: Schutzpflicht vor Lebensqualität?

Medienmitteilung

Die Coronapandemie hat die hohe Verletzlichkeit von Menschen in Institutionen der Langzeitpflege gezeigt; es gab verbreitet grosse Einbussen an Lebensqualität und gesundheitliche Verschlechterungen. In einem Appell weisen Medizinethikerinnen und Medizinethiker auf das Spannungsfeld zwischen den Schutzpflichten der Behörden und dem Recht auf Selbstbestimmung und der Achtung der Persönlichkeit der Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen hin.

Um diesen Überlegungen Nachdruck zu verleihen, haben Medizinethikerinnen und Medizinethiker den Appell «Lebensschutz und Lebensqualität in der Langzeitpflege» formuliert. Er wurde von über 100 Personen unterzeichnet und in der Schweizerischen Ärztezeitung veröffentlicht. Der Beitrag enthält zehn Postulate, die im Appell weiter ausgeführt werden: 

  1. Die Freiheitsrechte von Menschen in Langzeitpflege sind auch in einer Pandemie zu gewährleisten. 
  2. Enge Angehörige müssen Zugang haben zu urteilsunfähigen Personen. 
  3. Es braucht eine Untersuchung der hohen COVID-19-Sterblichkeit in den Alters- und Pflegeheimen.
  4. Das Vertrauen in die Behörden und in die Institutionen ist zentral in Pandemiesituationen.
  5. Strukturelle Probleme in den Pflegeeinrichtungen verschärfen die Belastungssituation. 
  6. Hospitalisationskriterien für Heimbewohner müssen den nationalen Standards folgen, ohne zusätzliche Hürden.
  7. Langzeiteinrichtungen profitieren von Strukturen, die zu einer aktiven Fehlerkultur beitragen.
  8. Über Infektionen und die pflegerische Versorgung in den einzelnen Heimen ist transparent zu informieren.
  9. Bei einer erneuten Pandemiewelle sind die Persönlichkeitsrechte der Bewohner auch unter Isolationsbedingungen zu gewährleisten.
  10. Die Auswirkungen der Pandemie auf Heimbewohner, Angehörige und Fachpersonen sollen erforscht werden und die Ergebnisse in den politischen Diskurs einfliessen. 

Der Appell richtet sich an Verantwortliche in Politik, Management, Pflege und Betreuung. Das Autorenteam möchte auch einen Beitrag leisten zur gesamtgesellschaftlichen Diskussion über die Ausgestaltung von Schutzmassnahmen und Einschränkungen des Rechts auf Selbstbestimmung und Einschränkungen der Lebensqualität. Für die Menschlichkeit einer Gesellschaft ist es systemrelevant, wie sie mit Personen umgeht, die einer dauerhaften Pflege und Betreuung in den Einrichtungen der Langzeitpflege bedürfen. Nicht nur in Zeiten der Pandemie.  Den Appell und die Liste der Unterzeichnenden finden Sie in drei Sprachen (d/f/i) auf folgender Website: https://t1p.de/appell-langzeitpflege

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