Nuntius Gullickson: der undiplomatische Diplomat

Thomas Gullickson ist im fünften Jahr Botschafter des Papstes in der Schweiz. Diplomatie ist nicht seine Stärke. Er poltert lieber. Eine Analyse.

Raphael Rauch

Am Wochenende berichtete «Inside Paradeplatz» fälschlicherweise, der Apostolische Nuntius Thomas Gullickson sei ein Jesuit. Dies war kein Kompliment – weder für den Papst-Botschafter noch für die Jesuiten. Denn der US-Amerikaner Gullickson steht kirchenpolitisch für das Gegenteil der Jesuiten. Ihm ist der emeritierte Papst Benedikt XVI. näher als der Jesuit Franziskus. Gullickson ist ein Fan der lateinischen Messe. Er hat klare Sympathien für die traditionalistischen Piusbrüder.

Blackbox Bischofswahl

Im August wird Thomas Gullickson 70, bis Ende des Jahres ist er wohl noch Nuntius in der Schweiz. Als Botschafter des Papstes vertritt er die Interessen des Heiligen Stuhls. Das bedeutet: Kontakte pflegen zur politischen und zur kirchlichen Schweiz.

Eine Verzögerung folgt auf die andere.

Ob Gullickson sein selbst gesetztes Ziel erreichen wird, ein ordentliches Wahlverfahren für das Bistum Chur zu ermöglichen, steht in den Sternen. Die Bischofswahl gleicht einer Blackbox. Eine Verzögerung folgt auf die andere. Sicher scheint nur, dass nichts sicher ist.

Weniger Kommunikation

Die Interviews des Nuntius sind seit seiner Ankunft im Herbst 2015 zahmer und seltener geworden. Medien und liberale Katholiken haben sich schnell an ihm abgearbeitet. Denn Gullickson lieferte eine Steilvorlage nach der anderen.

Immer wieder goss er Öl ins Feuer.

Dass er von A wie Abtreibung über F wie Frauen bis Z wie Zölibat die römische Linie vertreten muss, ist klar. Immer wieder goss er Öl ins Feuer. So schrieb die «Neue Zürcher Zeitung» bereits 2015: «Wie viele Vertreter des US-amerikanischen Klerus liegt Gullickson auf der konservativen Linie.» Und verwies auf einen seiner Blog-Beiträge mit dem Titel «Ultramontanist und stolz darauf».

Umstrittene Retweets

Auch sorgte der Nuntius mit umstrittenen Retweets für Schlagzeilen, etwa: «Die Anti-Babypille macht dasselbe mit den Babys, wie der IS mit den Menschen tut.» Mittlerweile ist «@GullicksonEd» auf Twitter nicht mehr aktiv. Dafür via Blog und Facebook.

Ernst wurde er, als es um die Zukunft der Kirche ging.

Hin und wieder macht der Nuntius Ausnahmen und tritt öffentlich auf. Auf einer Podiumsdiskussion der «Luzerner Zeitung» zeigte sich Gullickson letzte Woche gut gelaunt und plaudernd. Ernst wurde er, als es um die Zukunft der Kirche und um die Zukunft der USA ging. Eher beiläufig platzierte der Nuntius Botschaften, die einer Vertiefung wert sind. Denn es sind Motive, die Aufschluss über sein Kirchenbild geben.

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