Der lange Weg der Ökumene auf Chefetage

Vor 25 Jahren erschien die Ökumene-Enzyklika «Ut unum sint». Sie sollte Mauern der Trennung und des Misstrauens niederreissen.

Johannes Schidelko

Mit dem Zweiten Vatikanum hat sich die katholische Kirche offiziell zur Ökumene verpflichtet, unwiderruflich und unumkehrbar. Johannes Paul II. bestätigte und erweiterte mit der Enzyklika «Ut unum sint» diesen Auftrag.

Wenn die Christen die Jahrtausendschwelle schon nicht völlig geeint überschreiten, dann zumindest in der Zuversicht, der Überwindung der Spaltungen «sehr nahe» zu sein. Papst Johannes Paul II. (1978-2005) hatte sich zum Ziel gesetzt, die katholische Kirche ins dritte Jahrtausend zu führen – möglichst geeint.

Gespenster der Vergangenheit bannen

Fünf Jahre vor dem Millennium, am 25. Mai 1995, erliess er dazu das Lehrschreiben «Ut unum sint» (Damit sie eins sind), die erste Enzyklika zur Ökumene.

Auf das grosse Jubiläum hin müssten die Kirchen alles in ihrer Macht Stehende tun, um «die Gespenster der Vergangenheit» zu bannen, die Mauern der Trennung und des Misstrauens niederzureißen und Hindernisse und Vorurteile zu überwinden, forderte der Papst in dem 130 Seiten umfassenden Text.

Ein kleiner Schritt

Zwar blieb das Schreiben hinter manchen Erwartungen zurück, die eine weitere Öffnung für die Ökumene erhofft hatten. Dennoch galt als Sensation, dass er darin ein «heisses Eisen» zur Debatte stellte: den Papstprimat und seine Ausübung.

Der Text bestätigt das Ökumene-Dekret des Konzils «Unitatis redintegratio» (1964). Zwar hatten schon die Vorgängerpäpste die im frühen 20. Jahrhundert aufgekommene «Ökumenische Bewegung» begrüsst.

Keine billigen Kompromisse

Dennoch kam das eigentliche ökumenische Startsignal erst vom Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965): Die Suche nach sichtbarer Einheit gehöre organisch zum Leben und Wirken der Kirche hinzu, hiess es dort.

Allerdings könne dieser Weg nicht über billige Kompromisse, über eine Verkürzung von Glaubensinhalten, über Abstriche an der eigenen Identität führen. Und eine gemeinsame Eucharistiefeier sei erst nach Herstellung der vollen Einheit möglich.

Das Papstprimat

«Ut unum sint» bekräftigt diese Linie und würdigt die bisherigen Erfolge und «Früchte» des ökumenischen Wegs. Aber noch habe die Kirche nur ein – wenn auch vielversprechendes – Wegstück auf dem langen Weg zur vollen sichtbaren Einheit aller Getauften zurückgelegt, räumte Johannes Paul II. ein. Dialog und Zusammenarbeit müssten geduldig intensiviert werden.

Für das meiste Aufsehen sorgte die Enzyklika mit ihren Vorschlägen zum Papstprimat. Johannes Paul II. bekräftigte das katholische Verständnis, wonach «die einzige Kirche Christi in der katholischen Kirche verwirklicht ist, die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird».

Einen gemeinsamen Weg suchen

Zugleich lud er die Ökumene-Partner aber ein, mit ihm über diesen Primat zu diskutieren und zu forschen – und eine «Form der Primatsausübung zu finden, die zwar keineswegs auf das Wesentliche ihrer Sendung verzichtet, sich aber einer neuen Situation öffnet».

Benedikt XVI. (2005-2013) hat in seiner Amtszeit diese Einladung zum Dialog über die Ausübung des Primats wiederholt.

Wegmarken

Die Ökumene hat nach «Ut unum sint» ein weiteres Wegstück mit Höhen und Tiefen zurückgelegt. Für Johannes Paul II. wurde die christliche Einheit in seinem letzten Jahrzehnt zu einem immer wichtigeren Anliegen.

Die gemeinsame Erklärung von Katholiken und Lutheranern zur Rechtfertigungslehre 1999 war eine Sternstunde für den ökumenischen Dialog. Als ähnlicher Erfolg galt dann unter Papst Franziskus das gemeinsame Gedenken mit der Spitze des Lutherischen Weltbunds 2016 im schwedischen Lund: an 500 Jahre Reformation und zugleich an 50 Jahre ökumenischen Dialog.

Widerstände

Zwischenzeitlich verschlechterten sich indes die Kontakte. Mit der Orthodoxie kam es zu einer mehrjährigen Frostperiode, als der Vatikan 2002 in Russland vier katholische Diözesen errichtete.

Und in den Beziehungen zu Protestanten und Anglikanern sorgten unterschiedliche Positionen in ethischen Fragen, aber auch die Weihe von Frauen zu Priestern und Bischöfen für Dissens.

Dennoch geht es weiter

Dennoch konnten die Ökumenepartner die Erträge der Dialoge und die atmosphärischen Verbesserungen in die Gemeinden und zu den Gläubigen bringen. Franziskus traf sogar mit dem Moskauer Patriarchen Kyrill I. zusammen.

Nicht weniger Bedeutung als dem theologischen Dialog misst der derzeitige Papst freilich der «geistlichen Ökumene» bei, der Ökumene des Gebets und der Begegnung. Beim Besuch des Weltkirchenrates brachte er es 2018 auf den Punkt: «Gemeinsam gehen, gemeinsam beten, gemeinsam arbeiten: Das ist unser Königsweg.»

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