Seelsorgende trotzen der Coronakrise – mit kreativen Ideen

Medienmitteilung

In Zeiten, in denen die Leute zu Hause zu bleiben und ihre sozialen Kontakte aufs Minimum reduzieren müssen, spielen Seelsorgende eine besonders wichtige Rolle. Doch die Einschränkungen und Verbote stellen auch sie vor grosse Herausforderungen. Wie Pfarrei-Mitarbeitende trotz Corona Nähe zu den Menschen herstellen.

«Ostern findet statt». Daneben ein einsames Pflänzchen, das aus dem Boden wächst. Die Karte mit einem Schreiben des römisch-katholischen Pastoralraums Schaffhausen-Reiat ging an rund 6000 Haushalte. In locker-vertrautem Ton ruft der Brief zum gemeinsamen Feiern an Ostern auf. Gemeinsame Feier in der jetzigen Zeit?

Ostern findet dieses Jahr nicht in der Kirche, sondern im eigenen Wohnzimmer statt. Der Pastoralraum Schaffhausen überträgt die Gottesdienste live aus der Kirche auf die Pastoral-Website – ohne Publikum, aber mit den vertrauten Menschen, mit der vertrauten Musik: «Das Vertraute ist gerade in den jetzigen Zeiten sehr wichtig. Das schafft Geborgenheit», sagt Vikar Pascal Eng.

Der Priester gehört zum achtköpfigen Seelsorge-Team, das den Brief an die Schaffhauser Katholiken unterschrieb. Das Team wurde bereits Anfang März, als der Bundesrat noch keine Verbote ausgesprochen hatte, zum Krisenstab umfunktioniert. Es hat sich schon einiges einfallen lassen, um trotz Einschränkungen nahe bei den Menschen zu sein. Denn persönliche Gespräche vor Ort sind ausser bei einem Sterbefall nicht mehr erlaubt, auch Gottesdienste, Taufen oder Hochzeiten sind verboten.

Primeli für Seniorinnen und Senioren

Seelsorge findet jetzt per Telefon statt. Von einigen Gläubigen hatte man bereits die Telefonnummern, weitere Nummern wurden mit Hilfe von Frauen- und Seniorengemeinschaften und anderen lokalen und regionalen Vereinen und Gruppierungen zusammengetragen. «Die Leute freuen sich, wenn der Pfarrer am Telefon ist», sagt Pascal Eng, der jetzt rund 40 Personen regelmässig anruft – einige kannte er vorher noch gar nicht. «Viele ältere Leute leiden darunter, dass sie ihre Enkelkinder nicht mehr sehen dürfen. Oder vermissen die Gesellschaft von Bekannten. Noch drehen sich die Gespräche um Einsamkeit und fehlende Sozialkontakte. Doch längerfristig werden auch die wirtschaftlichen Sorgen und Folgen ein Thema werden», ist Pascal Eng überzeugt.

Neben dem Zuhören und Mut machen sehe er es auch als seine Aufgabe an, die Leute auf Hilfsangebote aufmerksam zu machen. «Gerade ältere Leute tun sich schwer damit, Hilfe anzunehmen. Wir machen ihnen im Gespräch klar, dass es Sinn macht, wenn zurzeit andere für sie einkaufen gehen oder sonst etwas für sie erledigen.»

Während ältere Leute im Heim weiterhin auf feste Strukturen zählen können und versorgt sind, ist der Lockdown besonders problematisch für die Seniorinnen und Senioren, die in ihren eigenen vier Wänden leben und alleinstehend sind. «Es ist wichtig, dass wir uns um sie kümmern. Sie fallen sonst durch alle Maschen. Die meisten sind sehr dankbar, wenn wir sie anrufen.» Bereits vor ein paar Wochen stellten Ministranten und andere Jugendliche den Älteren Primeli mit einer Grusskarte vor die Türe.

Der Pfarrer misst im Spitalnotfall Fieber

In der Krise an Gewohntem festhalten – das gibt vielen Menschen Halt. So feiert das Schaffhauser Seelsorger-Team weiterhin an sechs Abenden pro Woche Gottesdienst – stellvertretend für alle, die nicht dabei sein können. «Sie wissen, dass wir feiern und dass sie ein Teil der Gemeinschaft sind.»

Beerdigungen sind im Kanton Schaffhausen noch erlaubt – aber nur noch mit maximal fünf Familienangehörigen und nur direkt am Grab. «Gerade wegen der Schlichtheit der Feier und dem stark eingegrenzten Teilnehmerkreis zeigen wir den Trauernden zusätzlich Möglichkeiten auf, wie sie sich, auch nach der Beisetzung, in einem breiteren Rahmen von der verstorbenen Person verabschieden und auch andere daran teilhaben lassen können», sagt Pascal Eng.

Der Priester, der es sich gewohnt ist, auf dem Bauernhof seiner Eltern anzupacken, ist in der Corona-Krise aber auch neben seiner regulären Arbeit gefragt: Mitte März half er zum Beispiel in einem Zivilschutz-Einsatz in der Notaufnahme im Spital aus – nahm die ganze Nacht Leute in Empfang und mass ihnen Fieber. «Die Situation verlangt gerade einiges von uns allen ab», sagt Pascal Eng. «Aber es ist auch eine gemeinschaftsbildende Zeit. Es entwickeln sich viele kreative Ideen.»

Kreative Ideen entwickeln gerade viele Schweizer Pfarreien. So wird unter anderem über Videokonferenz-Tools gemeinsam gebetet, es gibt Predigten per WhatsApp aufs Mobiltelefon oder Videobotschaften vom Pfarrer auf der Website: Die Einschränkungen durch Corona treiben auch bei der Kirche die Digitalisierung voran. Zum Beispiel beim Religionsunterricht. Die Pfarrei St. Gallus in Zürich-Schwamendingen will den Unterricht nicht einfach durch E-Learning ersetzen, wie das die Schulen tun. Religionsunterricht sei Lernen in Gemeinschaft, das könne kaum an die Schülerin oder den Schüler zuhause delegiert werden, sagt Pfarreikoordinatorin Frieda Mathis gegenüber kath.ch. Anstatt die Kinder, Jugendlichen und ihre Familien zum Lernen anzuhalten, will das St. Gallus-Katechetinnen-Team sie mit Gebeten, Spielen, Bibeltexten auf ihrem spirituellen Weg begleiten – über die Webseite der Pfarrei und über persönliche Nachrichten.

Noch weiss niemand, wie lange die Pandemie mit ihrem Einschränkungen andauert. Die fehlende Planungssicherheit sei vor allem ein kommunikative Herausforderung, sagt Vikar Eng. «Man muss Tag für Tag schauen, was und vor allem wie man kommuniziert.» Aber die jetzige Zeit sei auch eine Chance für die Kirche. «Wir erfahren eine neue, breitere Wahrnehmung in der Gesellschaft. Die Leute sehen, dass wir nicht nur Gottesdienste feiern, sondern uns auch diakonisch-sozial engagieren.»

Das erfährt auch Marek Slaby. Der gebürtige Pole ist Diakon in der Pfarrei St. Niklaus in Hombrechtikon und auch als Gefängnisseelsorger tätig. Auf Ostern hin hat das Seelsorgeteam zusammen mit der Kirchenpflege Kerzen in Briefkästen gelegt. Man müsse jetzt sehr kreativ sein und sich den Bedürfnissen immer wieder neu anpassen: «Wir fragen uns immer wieder: <Machen wir genug? Was wird nächste Woche sein?>»

Trotz Corona – die katholische Kirche in Hombrechtikon bleibt tagsüber weiterhin geöffnet. Statt Gottesdiensten gibt es dort jetzt eine Ausstellung mit spirituellen Texten. «Es ist sehr wichtig, dass die Menschen gerade auch jetzt ihre vertrauten Räume zur Verfügung haben.»

Auch Marek Slaby führt seine Seelsorgegespräche nun übers Telefon. Oder er schreibt Briefe. Den Kontakt mit den Firmlingen halten er und der Firmveranwortliche über WhatsApp – sie chatten und senden Voice-Nachrichten.

Gefängnisseelsorge in Corona-Zeiten

Besonders Gefängnisinsassen macht die Situation zu schaffen, sie sind in der Corona-Krise noch isolierter als sonst. «Ich merke, dass das sehr schwierig ist für sie», sagt Marek Slaby. Er besucht die Häftlinge nach wie vor. Er ist überzeugt, dass besonders in solchen Momenten die Begegnung, das Gespräch, das Zuhören, das Gebet und miteinander die Situation zu tragen eine sinnvolle Unterstützung ist. Marek Slaby hat vor Ostern allen Insassen einen persönlichen Brief geschrieben – mit verschiedenen Texten und Impulsen.

Durch die Einschränkungen wegen des Corona-Virus entwickelten auch andere Menschen vermehrt ein Gefühl dafür, was es heisst, in seinen eigenen vier Wänden eingesperrt zu sein, sagt Marek Slaby. «Einige Leute sagen mir, sie fühlten sich momentan wie im Gefängnis. Sie spüren, was Einsamkeit und Isolation bedeutet, sie werden bedürftiger.»

Umso wichtiger ist in diesen Zeiten, dass Seelsorgende trotz all den Einschränkungen Halt und ein Gefühl von Normalität geben – nicht nur an Ostern.

Für die Mitmenschen da – auch nach der Corona-Krise

Gerade in schwierigen, unsicheren Zeiten rückt wieder ins Bewusstsein, wie wichtig soziale Kontakte und Begegnungen sind – und was für einen grossen Beitrag Seelsorgende tagtäglich leisten. Mitarbeitende von Pfarreien haben ein offenes Ohr für Sorgen und Ängste, geben Mitmenschen Halt. Doch die katholische Kirche hat Nachwuchssorgen. Dabei zeigt die Pandemie einmal mehr, wie spannend und vielfältig die verschiedenen Berufe sind, dass sie eindrückliche Begegnungen mit Menschen ermöglichen und viel Raum für persönliche Gestaltung und für Kreativität lassen. «Chance Kirchenberufe» macht die Vielfalt der Arbeitsmöglichkeiten in der katholischen Kirche bekannt. Engagierte Berufsleute wecken in Porträts auf der Website www.chance-kirchenberufe.ch oder jeweils im Herbst auf Plakaten das Interesse am Arbeiten in der katholischen Kirche. Damit die Pfarreien ihre Stellen auch in Zukunft besetzen können – mit engagierten Mitarbeitenden, die nicht nur in Krisenzeiten für ihre Mitmenschen da sind.

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