«Wir wissen nicht, warum der Himmel so reagiert»

Glaubt man einer der Seherinnen von Medjugorje, wird die Muttergottes künftig seltener erscheinen. An der Beliebtheit des Wallfahrtsortes werde sich dadurch wenig ändern, vermuten Kenner in der Schweiz.

Barbara Ludwig

Nur noch einmal im Jahr statt bislang monatlich? Für kritische Geister wirft die Ankündigung einer der Seherinnen von Medjugorje Fragen auf. Nicht so bei Sylvia Keller. Sie ist Mitglied im Vorstand des Vereins Medjugorje Schweiz. Dieser hat zum Zweck, die Botschaften aus dem Wallfahrtsort in Bosnien-Herzegowina zu verbreiten.

«Ein Zeichen dafür, dass die Seherin nicht manipuliert wird.»

Sylvia Keller

«Das ist ein Zeichen dafür, dass die Seherin nicht manipuliert wird», sagt Keller gegenüber kath.ch. Die einzelnen Seher hätten unterschiedlich oft und über unterschiedlich lange Zeiträume hinweg Erscheinungen. Sie könnten das nicht selbst bestimmen.

Warum es bei der Seherin Mirjana Dragicevic Soldo auf einmal weniger Erscheinungen werden, sei unbekannt: «Wir wissen nicht, warum der Himmel so reagiert.» Die Zahl der Erscheinungen ist für Sylvia Keller nicht so wichtig. Im Vordergrund stünden die Botschaften der Muttergottes, erklärt sie.

Heilung an Körper und Geist

Die katholische Kirche hat die Marienerscheinungen der Seher von Medjugorje nicht anerkannt. Dafür zeigt Sylvia Keller Verständnis. «Solange die Erscheinungen andauern, ist die Kirche vorsichtig», stellt sie fest. Für sie selber aber ist klar: «Wenn ich sehe, dass Menschen dort Heilung erfahren, an Körper und Geist, ist mir das Beweis genug. Medjugorje ist für viele ein Ort, an dem sie Frieden und Glück erleben.»

Ort zieht katholische Migranten aus der Schweiz an

Medjugorje zieht jährlich mehrere Millionen Pilger aus aller Welt an. Auch für viele katholische Migrantinnen und Migranten in der Schweiz ist die Marienwallfahrtsstätte wichtig, sagt Samuel Behloul, ehemaliger Direktor von Migratio, zu kath.ch. Migratio stellt im Auftrag der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) die Seelsorge für die anderssprachigen Katholikinnen und Katholiken in der Schweiz sicher. Mittlerweile arbeitet Belouhl am Zürcher Institut für Interreligiösen Dialog.

Inder, Philippinerinnen, Tamilen, Kroatinnen: «Wallfahrten sind ein wichtiger Bestandteil des kirchlichen Lebens der Katholiken mit ausländischen Wurzeln», sagt Behloul. «Die Verehrung der Muttergottes hat bei ihnen einen hohen Stellenwert.» Dies betreffe aber alle Wallfahrtsorte: von Einsiedeln über Mariastein und Lourdes bis nach Fatima.

«Wichtig ist, dass ich das mache, was die Muttergottes sagt.»

Branko Rados

Branko Rados, Koordinator der Kroatenmission, relativiert die Bedeutung der Erscheinungen in Medjugorje. «Die Erscheinungen spielen nicht mehr eine solch grosse Rolle wie am Anfang», sagt der Priester zu kath.ch. Viele kroatische Pilger hätten noch nie einen der Seher gesehen und reisten dorthin, weil es ein Gnadenort sei. Dass Medjugorje nun an Anziehungskraft verliere, weil es künftig weniger Erscheinungen geben soll, hält Rados für unwahrscheinlich.

Er selbst kennt die Marienwallfahrtsstätte seit ihren Anfängen. Als Jugendlicher sei er 1982 erstmals mit einer Gruppe nach Medjugorje gepilgert. Er sei «zu 100 Prozent überzeugt», dass die Gottesmutter den Seherinnen und Sehern erscheine. Ob die Gottesmutter nun einmal mehr oder weniger erscheine, kümmere ihn nicht: «Die Botschaften der Muttergottes sind wichtiger als die Erscheinungen», hält er fest. «Wichtig ist, dass ich das mache, was die Muttergottes sagt.»


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