Gegen Kürzung der Sozialhilfe für vorläufig Aufgenommene

Medienmitteilung

 Die Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion (GSI) des Kantons Bern hat den Entwurf der Verordnung über die Sozialhilfe im Asyl- und Flüchtlingsbereich (SAFV) in Vernehmlassung gegeben. Sie schlägt darin unter anderem eine Änderung der Sozialhilfeverordnung vor, die zur Folge hätte, dass vorläufig aufgenommene Personen, die nach 7 Jahren Aufenthalt in der Schweiz von der Kantons- in die Gemeindezuständigkeit wechseln, zukünftig statt 977 Franken pro Monat nur noch 382 Franken zur Verfügung hätten. Der Synodalrat der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn lehnt diese Kürzung um über 60 Prozent ab.

Als Begründung für den Kürzungsvorschlag führt die GSI an, damit solle «ein Signal an die vorläufig Aufgenommenen gesandt werden, dass von ihnen eine Integration und Ablösung aus der Sozialhilfe erwartet werde». Diese Argumentation geht an der Lebensrealität der meisten betroffenen Personen vorbei. Unter ihnen sind viele Traumatisierte und Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen kaum Chancen auf eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt haben. Wer es in den ersten sieben Jahren in der Schweiz nicht geschafft hat, wirtschaftlich selbständig zu werden, wird es in der Regel auch im achten nicht schaffen. Und dies nicht aus Faulheit oder fehlender Motivation, sondern weil die Voraussetzungen dafür nicht vorhanden sind. Diese Menschen mit einem Betrag, der weit unter der Hälfte dessen liegt, was die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe SKOS als Minimum für ein menschenwürdiges Leben in der Schweiz definiert, leben zu lassen, ist der Schweiz unwürdig. Der Synodalrat lehnt diesen Sparvorschlag deshalb ab. Er verweist dabei insbesondere auch auf die vielen Kinder, die von der Regelung mitbetroffen wären und deren Integration ebenfalls gefährdet wäre, was langfristig zu weiterer Sozialhilfeabhängigkeit auch in der zweiten Generation führen würde. Er fordert deshalb, dass die Kürzung auf maximal 20 Prozent begrenzt wird oder dass zumindest für alle Formen von nicht klar selbst verschuldeter Sozialhilfeabhängigkeit Ausnahmen gemacht werden.

Fragliches Vorgehen

Ebenfalls ins Leere zielt das Argument der GSI, dass andere Kantone mit dem Prinzip gleich hoher Unterstützungsansätze beim Wechsel in die Gemeindezuständigkeit gute Erfahrungen gemacht hätten. Die GSI verkennt dabei, dass andere vergleichbare Kantone entweder schon während der ersten sieben Jahre, oder dann spätestens ab dem 8. Jahr deutlich höhere Ansätze haben (Basel rund 800 Franken, Zürich rund 700 Franken, Solothurn rund 770 Franken, Waadt rund 1100 Franken).

Fraglich erscheint zudem, ob das Vorgehen, diese Kürzung ohne Änderung des Sozialhilfegesetzes direkt auf Verordnungsebene vorzunehmen, rechtlich überhaupt zulässig ist. Stossend ist dieses Vorgehen aber auch aus demokratischen Gründen: Es ist noch kein Jahr her, dass das Berner Stimmvolk eine Änderung des Sozialhilfegesetzes abgelehnt hat, die eine Kürzung der Unterstützung von vorläufig Aufgenommenen um «nur» 15 Prozent vorgesehen hat. Es ist unverständlich, warum die GSI jetzt mit Vorschlägen für eine 4-fach stärkere Kürzung in die Vernehmlassung geht. Der Synodalrat fordert den Gesamtregierungsrat deshalb auf, sich auf die Seite der Schwachen in unserer Gesellschaft zu stellen. Denn er hält die Kürzung für unverantwortbar und kontraproduktiv. Soziale Integration ist unmöglich, wenn die Grundbedarfsleistungen kaum zum Überleben reichen.

Die Kirche steht auf der Seite der Marginalisierten, der Ausgegrenzten, der Minderheiten. Umfassende theologische und ethische Grundlagen zeugen davon und gehören zum Selbstverständnis vom Kirche-Sein. Konkret zeigt sich dies auch im grossen sozialen kirchlichen Engagement für Benachteiligte.

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