Klösterliche Hostienbäckereien spüren Glaubensschwund

Sechs kontemplative Frauenklöster in der Deutschschweiz stellen Hostien her – und verdanken dieser Tätigkeit ihr Auskommen. Alle sind von einer sinkenden Nachfrage betroffen. Die Konkurrenz ausländischer Produzenten spielt dabei bislang nur eine untergeordnete Rolle.

Barbara Ludwig

Ein Satz im letzten Communiqué der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) vom 5. Dezember liess aufhorchen: «Seit einiger Zeit versuchen weltliche und ausländische Firmen auf dem Schweizer Hostienmarkt Fuss zu fassen, indem sie die hier bestehenden Preise unterlaufen.» Es folgte die bischöfliche Empfehlung, die Hostien bei Schweizer Ordensgemeinschaften zu beziehen.

Zwölf Frauenklöster schweizweit sind heute noch in der Hostienproduktion tätig, sechs in der Romandie und ebenso viele in der Deutschschweiz. Dabei handelt es sich um kontemplative Gemeinschaften – Benediktinerinnen, Kapuzinerinnen, Dominikanerinnen und Zisterzienserinnen, die auf einen Broterwerb innerhalb der Klostermauern angewiesen sind.

Klöster im Ausland produzieren viel günstiger

«Wir leben von der Produktion und dem Verkauf von Hostien. Könnten wir keine Hostien mehr herstellen, gäbe es bei uns nur noch Brot und Wasser», sagt Schwester Dominique Leuenberger gegenüber kath.ch. Die 62-Jährige ist Priorin des Dominikanerinnenklosters Maria Zuflucht im sanktgallischen Weesen und im Vorstand der Vereinigung der Oberinnen der kontemplativen Orden der Schweiz (Vokos) für das Dossier «Hostien» zuständig. Auch das Kapuzinerinnenkloster St. Anna in Luzern lebt nach Angaben von ihrer Oberin, Schwester Maria Nicola Schmucki, hauptsächlich von der Hostienherstellung.

Dominique Leuenberger weiss, dass Klöster in Italien Hostien zehn Mal billiger herstellen können.  Dabei handle es sich um eine fabrikmässige Herstellung auf grösseren Produktionsanlagen. «Dort werden die weissen Hostien nicht einzeln ausgestanzt wie bei uns, sondern gleich 50 aufs Mal», so die Priorin des Klosters Maria Zuflucht. Auch in Deutschland und Österreich werde billiger produziert. «Hostien aus klösterlicher Produktion kosten dort zwei Drittel weniger.»

Wer sind überhaupt die Konkurrenten?

Dennoch scheint Konkurrenz aus dem Ausland, seien es nun weltliche Produzenten oder Klöster, zurzeit für die meisten Hostienbäckereien in der Deutschschweiz kein echtes Problem zu sein. Bei der SBK kann Giovanni Meier-Grandjean, der sich als Assistent des Generalsekretärs Erwin Tanner mit dem Thema befasste, auf Anfrage keine Namen konkreter ausländischer Konkurrenten nennen. Auch den Vorsteherinnen der Gemeinschaften in Luzern und Weesen geht es so.

«Ich kann mich nicht erinnern, dass jemals ein Kunde ankündigte, er gehe nun zur Konkurrenz», sagt Maria Nicola Schmucki vom Kloster St. Anna. Bislang habe man keinen einzigen Grosskunden verloren. «Wir selber nehmen keine Konkurrenz wahr», sagt auch Dominique Leuenberger. Dass Kunden abspringen, komme nur sehr selten vor. «Es gibt aber ein bis zwei Klöster in der Deutschschweiz, die grosse Angst vor ausländischer Konkurrenz haben. Ob diese Angst berechtigt ist, kann ich nicht beurteilen.»

Um welche Klöster es sich handelt, will Dominique Leuenberger nicht verraten. Vom Benediktinerinnenkloster St. Martin im aargauischen Hermetschwil hiess es in einem Bericht der «Luzerner Zeitung» (21. Dezember), es spüre die ausländische Konkurrenz. Gegenüber kath.ch wollte das Kloster keine Auskunft geben.

Kein schwarzes Schaf gefunden

Eine Umfrage von kath.ch bei Pastoralräumen und einzelnen Pfarreien (insgesamt zirka 50 Pfarreien) in verschiedenen Deutschschweizer Kantonen förderte kein schwarzes Schaf zutage: Alle angefragten Seelsorgeverbände und Pfarreien gaben an, die Hostien bei einem Schweizer Kloster zu beziehen.

Dies könnte auch der bischöflichen Unterstützung zu verdanken sein. «In den letzten Jahren haben die Bischöfe die Pfarreien sensibilisiert. Und das funktioniert sehr gut», stellt Dominique Leuenberger fest. In der Tat rief die SBK bereits 2011 die Pfarreien auf, die Hostien weiterhin bei hiesigen Ordensgemeinschaften einzukaufen – und schon damals warnte sie vor weltlichen Hostienproduzenten.

Pfarreien bestellen weniger Hostien

Obwohl die meisten Deutschschweizer Pfarreien den klösterlichen Hostienbäckereien treu sind, verzeichnen diese einen Rückgang der Nachfrage. «Alle Klöster in der Schweiz sind damit konfrontiert, dass die Pfarreien weniger Hostien bestellen», weiss Dominique Leuenberger. Bislang sei der Rückgang noch zu verkraften. Es gebe Einkommenseinbussen, aber die meisten Klöster hätten noch andere kleinere Einkommensquellen.

Bei ihrem Kloster ging der Absatz der braunen Brothostien seit den 1990er Jahren um etwa fünf Prozent zurück; gleichzeitig legte das Dominikanerinnenkloster in Weesen bei den weissen Hostien mit Prägung um zehn Prozent zu. Dies kompensiere teilweise den Rückgang bei den Brothostien.

Auch das Kloster St. Anna in Luzern kann nicht mehr die gleiche Menge an Hostien produzieren wie früher. Es sei ein schleichender Rückgang, der vor etwa 20 Jahren einsetzte, sagt Maria Nicola Schmucki. «Früher backten wir zwei bis drei Mal pro Woche. Heute nur noch ein Mal.»

Weniger Gottesdienste in Pastoralräumen

Aus Sicht der beiden Ordensfrauen ist der Rückgang des Gottesdienstbesuches die Hauptursache für die sinkende Nachfrage nach Hostien. «Die Leute gehen nicht mehr so zahlreich zur Eucharistie. Auch die Kinder fehlen im Gottesdienst», sagt Maria Nicola Schmucki. Als weiteren Grund nennen sie die Bildung von Pfarrverbänden (Pastoralräume oder Seelsorgeeinheiten). «Die Bildung von Pfarrverbänden führt dazu, dass weniger Gottesdienste angeboten werden», erklärt Dominique Leuenberger.

Die Priorin beobachtet: «Wenn Gottesdienste zu unregelmässigen Zeiten oder an wechselnden Orten angeboten werden, besuchen manche den Gottesdienst gar nicht mehr.» Sie habe aber auch den Eindruck, dass sich die Menschen heute grundsätzlich «der Kostbarkeit der Eucharistiefeier» nicht mehr so bewusst seien. «Wenn mir die Eucharistie wirklich etwas bedeutet, fahre ich mit dem Auto zum Ort, wo der Gottesdienst stattfindet.»


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