Wie grün sind deine Blätter?

Medienmitteilung

Das Jahr 2019 hat eines gezeigt: Kirche und Parlament sind grüner geworden. Hat sich damit auch die Politik von Kirche und Staat verändert?

Mit grossen Schritten nähern wir uns Weihnachten, und wir singen wieder das Lied vom Tannenbaum und seinen grünen Blättern. Das vergangene Jahr hat uns gezeigt, dass durchaus nicht mehr alle Bäume grüne Blätter tragen. Die fortschreitende Zerstörung der Umwelt durch den Klimawandel und die menschlichen Einflüsse lassen Blätter von vielen Bäumen absterben und damit sterben Umwelt und menschliche Kultur, die vom Baumbestand abhangen. Im Jura beispielsweise sterben Buchen infolge Trockenheit ab.

Amazonassynode: die grüne Kirche

Die Kirche hat in der Amazonassynode die Schäden am Regenwald in Brasilien infolge Abbrennung und Rodung besprochen. Die indigenen Völker und der Regenwald sind in ihrer Existenz bedroht. Was in der Enzyklika «Laudato si›» eher theoretisch abgehandelt ist, wurde aufgrund des konkreten Beispiels im Amazonasgebiet durchexerziert. Die Befunde sind besorgniserregend, der Dokumentarfilm «S.O.S. Amazonas: Apokalypse im Regenwald» (Arte Deutsch 29.11.2019) aufschlussreich. Agrarwirtschaft und Profitgier setzen dem Regenwald zu. Abholzung und Abbrennung bringen neues Land, das von profitgierigen Clans angeeignet und verkauft wird. Früher war die offizielle Kirche oftmals auch auf Seiten der Landräuber. Die Indigenen hatten Land, aber keine Bibel. Man gab ihnen die Bibel und nahm ihnen das Land.

Mit Papst Franziskus hat sich das geändert. Er hat um Entschuldigung gebeten für den Kolonialismus und vertritt eine ganzheitliche Ökologie. Die Kirche hört den Schrei der Armen. Sie gehört mittlerweile mit den rund 900›000 Indigenen zu den Verfolgten. 135 Morde an Indigenen, Tendenz steigend, von der Justiz immer weniger geahndet. Gar Nonnen wurden Opfer. Amazonas-Bischof Erwin Kräutler steht seit Jahren unter Polizeischutz. Der Schutz des Regenwaldes fällt unter das 9. Gebot (Schutz des Eigentums).

Gemäss Art. 231 der brasilianischen Verfassung 1988 sind die Indigenen die alleinigen Nutzniesser des Landes, auf dem sie leben. Die Indigenen haben aber nebst den internationalen Konzernen die brasilianische Regierung unter Jair Bolsonaro gegen sich. «Wir können die Indigenen nicht in Reservaten leben lassen, wie Tiere im Zoo.», sagt er. 400 Pestizide hat der Präsident freigegeben, Folge davon ist die Vergiftung des Wassers der Indigenen durch die Sojalandwirtschaft. Die Regierung hat zwar ein vorübergehendes Brandlegungsverbot erlassen, das Budget der Schutzbehörde aber drastisch reduziert. Der Physiker Ricardo Galvao von der Uni Sao Paulo, der mit Satellitenbildern das Fortschreiten der Zerstörung des Regenwaldes dokumentierte, wurde, weil «Vaterlandsverräter», entlassen. Die Holzrodungen haben unter Bolsonaro um 90 Prozent zugenommen.

Der Schutz der Indigenen und ihrer Umwelt ist für die Kirche ein Gebot der Nächstenliebe. Hier zeigt sich, dass ihre Botschaft sich nicht in frommen Worten erschöpft, sondern konkrete Solidarität und Hilfe zur Folge hat; denn Mutter Erde ist in Bedrängnis. Die Ordensschwester Jane Dwyer: Wenn Evangelisierung nicht heisst, die Armen schützen und Gottes Schöpfung respektieren, was soll dieses Wort denn sonst bedeuten? Aber auch die Indigenen wehren sich zusehends, etwa mit dem Auftritt der indigenen Jus-Studentin Alessandra Korap Silva an Weltklimatag in Berlin.

Neue Sünden bezüglich Umwelt, Atomwaffen, Kernenergie?

Der Papst ist keiner, der nur die bestehenden Bestimmungen des Katechismus repetiert. Er entwickelt die Friedensethik weiter. Umweltsünden sollen in den Katechismus aufgenommen werden. Auf seiner Rückreise von Japan äusserte er die Absicht, bereits den Besitz von Atomwaffen im Katechismus als unmoralisch zu erklären. Den Einsatz von Atomkraft bezeichnete er als sehr grenzwertig, weil wir noch nicht zu einer völligen Sicherheit gelangt sind. «Das ist nur meine persönliche Meinung, aber ich würde die Atomkraft solange nicht nutzen, als es keine vollkommene Sicherheit gibt.» Das entspricht der Praxis der KVP und stimmt mit der Haltung des katholischen Philosophen Robert Spaemann überein.

Das Parlament ist grüner geworden.

Und die Politik? Die National– und Ständeratswahlen haben ebenfalls zu einer beachtlichen Begrünung der politischen Landschaft geführt. Das ist erfreulich. Gewonnen haben Leute, die, wie die KVP in den letzten Jahren, grüne Vorlagen unterstützten. Überbewerten darf man das Resultat freilich nicht. Die grüne Politik ist grösstenteils immer noch im linken Lager beheimatet. Die sogenannten Bürgerlichen versuchten zwar, sich ebenfalls grüne Anstriche zu geben. Trotzdem haben sie durchwegs Mandate verloren, bleiben aber als überwältigende Parlamentsmehrheit bestehen. Ohne zumindest eines Teils von ihnen wird es in der Schweiz keine grüne Politik geben. Die Mehrheit des Volkes ist für eine grüne Politik nicht zu haben — das Scheitern der erwähnten Vorlagen lässt daran keinen Zweifel. Auch ist keineswegs sicher, dass der Sozialabbau, der sich in den vergangenen vier Jahren definitiv eingestellt hat, nicht weiter geht. Anlass zum Ausruhen und öffentlichen Freudentaumel besteht daher nicht.

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