Die Kirche ist in grösster Krise seit der Reformation

Die katholische Kirche befindet sich nach Ansicht des Münsteraner Kirchenhistorikers Hubert Wolf in einer existenziellen Krise. Wolf bekräftigte zudem seine Forderung nach einer Abschaffung des Pflichtzölibats.

«Ich glaube, dass diese Kirchenkrise so gross ist wie die während der Reformationszeit», sagte der Theologe und Priester in einem am Freitag auf der Internetseite der Universität Münster veröffentlichten Podcast.

Zweifel an Aufarbeitung der Missbrauchsfälle

Viele Menschen hätten den Eindruck, dass keine tiefgehende Aufarbeitung der Missbrauchsfälle stattfinde. In Deutschland würden daher inzwischen selbst engagierte Katholiken ihrer Kirche den Rücken kehren. Aber auch in anderen Regionen der Welt, etwa in Lateinamerika, sei eine hohe Zahl von Kirchenaustritten zu verzeichnen.

«Den Risikofaktor ausschalten»

Zum Pflichtzölibat sagte Wolf: «Der Zölibat ist nicht die Ursache des Missbrauchs, aber er ist ein entscheidender Risikofaktor», begründete er. Menschen mit sexuellen Störungen könnten sich von einem mit der Ehelosigkeit verbundenen Priesterberuf angezogen fühlen. «Dieser Risikofaktor muss ausgeschaltet werden», verlangte Wolf. Verheiratete Priester gebe es schon jetzt in den mit der katholischen Kirche verbundenen Ostkirchen.

Priesterweihe von Frauen schwierig zu begründen

Der Kirchenhistoriker sprach sich auch dafür aus, Frauen zu den Weiheämtern zuzulassen. Einen Diakonat der Frau habe es in der Kirchengeschichte bereits gegeben. Eine Priesterweihe von Frauen sei dagegen aus historischer Perspektive schwierig zu begründen.

«Die Kirche ist der Reform bedürftig.»

Die Kirche müsse ernst nehmen, dass sie der Reform bedürftig sei, so der Wissenschaftler weiter: «Unsere Aufgabe ist, den Menschen von Tod und Auferstehung Jesu Christi zu erzählen. Jede Struktur, die dem im Wege steht, muss reformiert werden.»

Wolf hatte in der Vergangenheit immer wieder für Reformen in der katholischen Kirche plädiert. Er sprach sich unter anderem für die Einführung einer unabhängigen Verwaltungsgerichtsbarkeit, eine zeitgemässere Sexualmoral und für die Wahl der Bischöfe unter Beteiligung der Gläubigen aus. Vor wenigen Monaten erschien sein Buch «Zölibat. 16 Thesen».

Am 7. Dezember hat die Theologische Fakultät der Universität Bern Hubert Wolf die Ehrendoktorwürde ausgesprochen. (kna/ms)

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