20. Dezember

«Härrr Reto, was passiert mit Strom?», Kovatsch war ausser sich. Vor ein paar Sekunden hatte er übers ganze Gesicht gestrahlt und nach der Zusage für das gemeinsame Weihnachtsfest in Gedanken bereits die Einladungsliste zusammengestellt. Die Dunkelheit. Sie erinnerte ihn an eine Zeit, die er gerne vergessen hätte.

«Wer hat Zündhölzer oder ein Feuerzeug?», rief Monique laut aus dem Wohnzimmer. Dort brannten immerhin noch ein paar Kerzen. Aber viel Licht gaben die auch nicht ab. «Easy, easy», tönte es aus dem Gästezimmer. František hatte die Unruhe mitbekommen und suchte mit der Taschenlampe seines Mobiltelefons systematisch die Küche, das Badezimmer und den Flur ab.

Bald hatte er gefunden, was er suchte: Hinter der Garderobe steckte er: Der Sicherungskasten: «One, two, three – let there be… light!», rief er lachend und kippte den Schalter der elektronischen Sicherung hoch.

Dafür gab es Applaus von Monique und Reto. Kovatsch aber stand regungslos im Flur, den Blick gesenkt. Monique ging auf ihn zu und hielt ihn an den Schultern. «Kein Licht, nicht gut», sagte der mit leiser Stimme. «Wenn Otec, wenn Vater wütend, musste gehen ich in Kammer. Kein Licht. Nicht gut.»

Die Stimmung war komplett umgeschlagen. Das Licht brannte wieder. Das Bier blieb im Kühlschrank und Reto führte Kovatsch ins Wohnzimmer. «Ich mache uns einen Tee», sagte Monique.

«Mögen Sie uns erzählen, was bei Ihnen zuhause vor sich ging?», fragte Reto. Die Sache beschäftigte ihn. (ms)

Psychische Gewalt ist die häufigste Form von Gewalt in der Erziehung und geht viel weiter, als gemeinhin angenommen.

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