Sorgenkind Religion im Lehrplan 21

Medienmitteilung

Der Lehrplan 21 wollte den säkularen Zugang zum Thema Religion in der Schule stärken. Bei der Umsetzung hapert es, in vielen Kantonen stehen dafür kaum Stunden zur Verfügung. Dabei wären gerade für unsere plurale Gesellschaft bessere Kenntnisse besonders wichtig.

Es war ein Paradigmenwechsel, dass nicht mehr die Landeskirchen im Schulrahmen Religion unterrichten sollten, sondern der Staat – konfessionsunabhängig, religionskundlich und im Hinblick auf die religiös und kulturell plurale Gesellschaft. Dieser Anspruch des Lehrplans 21 hatte nicht zuletzt das allgemeinbildende Ziel vor Augen, alle Schülerinnen und Schüler unabhängig ihrer Zugehörigkeit zu befähigen, sich in der aktuellen Religionslandschaft zu orientieren und so eigenständig wie respektvoll Position beziehen zu können.

Lehrplan wird zum kantonalen Flickenteppich

Der Lehrplan 21 wird aktuell in allen Deutschschweizer Kantonen eingeführt. Nur: Der vorgesehene Unterricht findet für tausende von Schülerinnen und Schülern kaum statt. In lediglich drei von 21 Kantonen entspricht die Lektionendotation im Fachbereich «Natur, Mensch, Gesellschaft» (NMG) auf Primarstufe dem Richtwert; bei «Ethik, Religionen, Gemeinschaft " (ERG) auf Sekundarstufe I sind es unwesentlich mehr. Fächer wie die «Berufliche Orientierung» oder die «Klassenstunde» werden oft in den ERG-Lektionen platziert. Die vom Lehrplan genannten Kompetenzen sind mit einem solch geringen Zeitbudget nicht zu erarbeiten.

Kommt dazu, dass das Ringen zwischen konfessionellem und konfessionunabhängigem Religionsunterricht erstaunliche kantonale Ausnahmen im Harmonisierungsprojekt Lehrplan 21 zustande brachte. Während der Kanton Solothurn den Teilbereich «Religion» vollständig den Kirchen überlässt, kann im Kanton St.Gallen der ERG-Unterricht wahlweise beim Staat oder den Kirchen besucht werden. In mindestens acht Kantonen bleibt der konfessionelle Religionsunterricht im Stundenplan, allerdings mit Dispensmöglichkeit.

Bildungspolitisch brisant

Die Art und Weise, wie der ERG- und NMG-Unterricht umgesetzt wird, ist bildungspolitisch hochrelevant. Nicht allein, weil die Schule nicht um Themen wie Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Radikalisierung oder Geschlechterfragen herumkommt, die sie regelmässig auf dem Pausenplatz wieder einholen. Sie führt auch zu kantonal unterschiedlichen Bildungsniveaus, die sich später unweigerlich in der Gesellschaft bemerkbar machen.

Es mag politisch geschickt und der föderalen Tradition angemessen sein, den Kantonen genügend Spielraum in der Umsetzung der Lektionenzuteilung zu geben. Das delikate Thema «Religion» aber derart aus der Hand zu geben, scheint in Bezug auf den Allgemeinbildungsanspruch, die konfessionelle Unabhängigkeit der Schule und die gesellschaftlichen Herausforderungen unverständlich.

«Gespenst» Religion

Fast wirkt es so, als ginge das «Gespenst» Religion gerade dort um, wo man es enttarnt glaubte. In der Öffentlichkeit, die das Religiöse häufig in die Privatsphäre verweist, insbesondere wenn es von Menschen anderen kulturellen Hintergrunds gepflegt wird. Und in der Bildung aus lauter Angst, sich daran die Finger zu verbrennen – als wäre Religion nicht seit langem Gegenstand von Studium und Forschung, auch an unseren Universitäten. Dabei geht es beim NMG- und ERG-Unterricht um nichts weniger als um Grundkompetenzen für das respektvolle Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Religion, Kultur oder Weltanschauung. Ein paar Lektionen sollten uns dies wert sein.

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