Niederlande: Wieder Streit um Nikolaustradition

In vielen niederländischen Städten tragen «Schwarze Piets» diesmal nur etwas Russ auf den Wangen und kein komplett schwarz geschminktes Gesicht. Die Frage nach dem richtigen Teint der Nikolaushelfer ist zum Politikum geworden.

Franziska Broich

Mit seinem Stab steht der «Sinterklaas» vorne auf dem Boot und winkt den Kindern zu, während er durch die niederländischen Grachten schippert. Um ihn herum tanzen, singen, ulken im ganzen Land seine Gehilfen, die «Zwarte Pieten». Der «Schwarze Piet» erfüllt in etwa die Funktion des Knecht Ruprecht, indem er die bösen Kinder bestraft. Unabhängig von der Gesichtsfarbe ist die Figur des «Piet» bei den Niederländern sehr beliebt. Wie überhaupt das Nikolausfest «Sinterklaas» im öffentlichen Leben des Königreichs wichtiger ist als Weihnachten.

Wie bereits in den vergangenen Jahren werden allerdings nicht mehr nur «Pieten» mit tiefschwarz geschminktem Gesicht ihr Werk tun, sondern auch solche mit nur etwas Russ auf den Wangen (»Roetveegpieten»). Wieder einmal stellt man sich zwischen Schelde und IJsselmeer ungeschminkt einer Frage von offenbar nationaler Bedeutung: Wie rassistisch ist Hollands Brauchtum?

Seit Jahren ein Politikum

Jedes niederländische Kind kennt Sinterklaas und seinen treuen Gehilfen, den «Schwarzen Piet». Wie die «Pieten» geschminkt werden, ist seit Jahren ein Politikum. Die Zahl der Städte, die mit dem Hinweis auf kultursensible Motive – Kritiker sagen «aus absurder politischer Korrektheit» – auf den «Zwarten Piet» ganz verzichten oder ihn zumindest «aufhellen», nimmt in diesem Jahr stark zu. Bei 46 Umzügen seien diesmal «Roetveegpieten» unterwegs, berichtete das niederländische «NRC Handelsblad» Mitte November. Dagegen habe es in den Vorjahren nur etwa 20 Umzüge mit ungeschminkten Piet-Darstellern gegeben.

Mehr als zuvor ruft der Nikolauseinzug Proteste hervor. Und zwar in diesem Jahr nicht nur von den Gegnern von «Kick Out Zwarte Piet» (KOZP), sondern auch von Befürwortern der Tradition. Bereits im vergangenen Jahr gab es Zusammenstösse zwischen beiden Gruppen. KOZP demonstrierte bei 12 Nikolausumzügen. Die Befürworter waren aktiv beim nationalen «Sinterklaasumzug» im ostniederländischen Apeldoorn sowie in Emmen und Dordrecht. In Amsterdam zog der Sinterklaas am 17. November ein.

«Erinnerung an Sklavenausbeutung»

Traditionell war das Gesicht des «Zwarte Piet» immer schwarz. Doch Kritiker bemängeln, der Brauch erinnere an die Sklavenausbeutung in den Karibik-Kolonien. Die Niederlande sind ein Einwanderungsland für Surinamer, Malaien und Marokkaner. 2015 forderte gar ein UN-Gremium, den «Zwarte Piet» ganz abzuschaffen – was Anlass für eine nationale Debatte war. Aus Sicht der Verfechter der Tradition hat sich der Helfer des heiligen Nikolaus bewährt, um den «guten Kindern» Geschenke zu bringen und den bösen mit der Rute zu drohen.

Von Anfang November bis Anfang Dezember wird jeden Abend ein «Sinterklaasjournaal» im öffentlich-rechtlichen Sender NTR ausgestrahlt. 2016 entschieden sich die Verantwortlichen des «Sinterklaasjournaal», die Gesichter der «Pieten» bunt anzumalen. Doch das kam auch nicht gut an. 2017 wurden die Pieten deshalb in 50 Grautönen geschminkt. 2018 hatten die «Pieten» nicht mehr nur krauses Haar, sondern auch langes oder glattes. Zudem trugen sie keinen goldenen Ohrring mehr und die Lippen wurden nicht mehr rot angemalt. 2019 nun nur noch «Roetveegpieten». «Die Pieten haben Russ im Gesicht, weil sie durch den Schornstein gekommen sind», erklärt NTR. Einige hätten mehr, andere weniger russverschmierte Gesichter.

Pieten, gemischt

Die Entscheidung von Städten wie Tilburg, «Roetveegpieten» und «Zwarte Pieten» zu mischen, ging auch auf die Entscheidung des «Sinterklaasjournaals» zurück, nur «Pieten» mit Russ im Gesicht zu zeigen.

Die Kinder am Strassenrand, die darauf warten, dass der Nikolaus mit seinem Pferd vorbeizieht, beschäftigen solche Debatten nicht. Manche sind als «Piet» mit einer bunten Mütze mit Feder verkleidet, andere als Nikolaus mit rotem Mantel. Wie jedes Jahr werden sie das traditionelle Lied vom «Sinterklaas» singen. In ihren Händen halten sie kleine Stofftaschen für Pfeffernüsse und Mandarinen, die ihnen der «Zwarte Piet» schenkt – egal ob schwarz geschminkt oder nur berusst im Gesicht. Und spätestens beim Höhepunkt des Nikolausfests der Niederländer, dem «Pakjesavond» (Geschenkabend) am 5. Dezember, dürfte Piets Gesichtsfarbe dann keine Rolle mehr spielen. (kna)

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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