«Das Chlausen sollte nicht zur Routine werden»

Schon bald wird Alex Bringolf (61) wieder seine braune Kutte anziehen und zusammen mit seinem Schmutzli Familien und ihre Kinder besuchen. Im Interview mit kath.ch sagt er, was den guten Samichlaus ausmacht, warum der Esel aus der Mode gekommen ist und die Samichläuse seiner Gilde ohne Mitra unterwegs sind.

Barbara Ludwig

Seit fast 20 Jahren besuchen Sie als Samichlaus Familien mit Kindern. Wie kam es dazu?

Alex Bringolf: Ein Kollege hatte mich angefragt, ob ich als Schmutzli mitkommen wolle. Es war Anfang Dezember und ein Chlaus der Gilde St. Martin stand noch immer ohne Schmutzli da. Ich sagte zu. Und so bin ich hineingerutscht.

Haben Sie heute noch Lampenfieber, wenn Sie als Chlaus auftreten?

Bringolf: Gerade die Kinder sorgen dafür, dass es interessant bleibt: Man kennt weder ihre Fragen noch ihre Antworten im Voraus. Eine gewisse Nervosität ist deshalb immer da. Das gehört dazu. Das Chlausen sollte nicht zur Routine und damit allzu professionell werden.

Wie bereiten Sie sich denn auf die Besuche bei den Familien vor?

Bringolf: Bei der Anmeldung geben die Eltern uns die Stärken und Schwächen ihres Kindes an. Ich klebe diese in mein Samichlausbuch und präge mir vorher alles nochmals ein. Unsere Chläuse sollen frei sprechen. Wir begrenzen die Zahl der Besuche auf sechs pro Abend, damit man möglichst viel im Kopf behalten kann.

«Ziel ist es, das Kind sprechen zu lassen.»

Was ist der Chlausengilde zu St. Martin besonders wichtig, wenn es um den konkreten Besuch bei Familien geht?

Bringolf: Wir erzählen wenig von der Person des Samichlaus, also vom heiligen Nikolaus von Myra. Zum einen ist es eine Zeitfrage und zum andern wünschen viele Familien, dass man vor allem auf das Kind eingeht. Wir beschäftigen uns deshalb bald mit den Stärken und Schwächen des Kindes und stellen ihm Fragen dazu. Ziel dabei ist, das Kind sprechen zu lassen, und nicht, ihm als Chlaus zu sagen: «Du bist dort gut und dort nicht.»

Was macht den guten Samichlaus aus?

Bringolf: Einem guten Samichlaus gelingt es, mit den Kindern ins Gespräch zu kommen. Wenn ein Kind, das anfänglich etwas Angst hatte, sich öffnet und zutraulich wird, hat der  Chlaus seine Aufgabe gut gemacht.

Werden Sie nebst dem Schmutzli auch von einem Esel begleitet?

Bringolf: Heute nicht mehr. In meiner Anfangszeit als Chlaus nahm ich während drei oder vier Jahren auch einen Esel mit. Damals gestalteten wir die Touren so, dass dies möglich war. Man besuchte zum Beispiel nur drei Familien, die nahe beieinander wohnten.

Wieso kam der Esel bei der Chlausengilde St. Martin aus der Mode?

«Unsere Samichläuse sind alle mit dem Auto unterwegs.»

Bringolf: Einerseits ist es heute aus zeitlichen Gründen nicht mehr möglich, Besuche mit einem Esel zu machen. Die Distanzen zwischen den Familien sind zu gross. Unsere Samichläuse sind heute alle mit dem Auto unterwegs. Andererseits müsste der Schmutzli, wenn die Familien den Chlaus in ihrer Wohnung empfangen, mit dem Esel draussen bleiben. Einzig bei Besuchen am Waldrand oder in einer Waldhütte wäre es noch möglich, einen Esel mitzuführen.

Welches Kostüm tragen Chlaus und Schmutzli in Ihrer Gilde?

Bringolf: In Rheinfelden tragen sowohl der Samichlaus als auch der Schmutzli traditionell braune Kutten. Vor einigen Jahren haben wir auf Anfrage hin rote Kutten für den Samichlaus und schwarze für den Schmutzli angeschafft.

Hat auch der Schmutzli einen weissen Bart?

Bringolf: Ja. Samichlaus und Schmutzli tragen weisse Büffelhaarbärte. Diese sind nicht ganz billig. Eine dreiteilige Garnitur, bestehend aus Kinnbart, Stirnlockenkranz und Schnauz, kostet zwischen fünf- und sechshundert Franken. Das leisten wir uns, denn wir legen Wert auf ein gepflegtes Aussehen.

«Wir wollen konfessionsunabhängig sein.»

Ein Samichlaus Ihrer Gilde trägt weder Mitra noch Bischofsstab. Wieso?

Bringolf: Die Mitra ist bekannt als Kopfbedeckung römisch-katholischer Bischöfe. Wir wollen als Gilde aber konfessionsunabhängig sein. Das ist der Grund. Vor zwei Jahren bekam ich eine Anfrage aus Brugg: «Gell, Sie kommen nicht als Bischof verkleidet?» Es war eine Familie, bei der im Jahr zuvor ein Nikolaus mit Mitra vorbei gekommen war. Sie hatte jedoch einen traditionellen roten Samichlaus mit Schmutzli erwartet, der Nikolaus mit Mitra gefiel ihr nicht.

Das heisst, Ihre Gilde will bei möglichst allen Familien, egal welcher Konfession, gut ankommen?

Bringolf: Seit es unsere Chlausengilde in Rheinfelden gibt, treten wir als Samichlaus mit Schmutzli auf. So bin ich auch hineingewachsen und kenne es nicht anders. Kinder kennen uns als die Samichläuse mit den braunen oder roten Gewändern. Das kommt auch bei den Familien gut an.

Wann beginnt für Sie jeweils die Chlausensaison?

Bringolf: Bereits nach den Sommerferien. Dazu gehört die Planung, eine meiner Aufgaben in der Gilde. Zunächst muss ich wissen, wie viele Samichläuse und Schmutzlis einsatzbereit sind. In den letzten Jahren waren wir jeweils fünf Samichläuse und fünf Schmutzlis. Die Touren plane ich dann aufgrund der Anzahl Anmeldungen. Ich weiss aus Erfahrung, wie viele es ungefähr sein werden.

Zu den Vorbereitungen auf die Besuche gehört auch das Herrichten der Kostüme und das Waschen der Bärte. Die Bärte müssen wir jedes Jahr vom Leim befreien, mit dem wir sie ins Gesicht kleben.

An welchen Tagen besuchen Ihre Chläuse und Schmutzlis die Familien?

Bringolf: Traditionell am 5. und 6. Dezember. Weil dieses Jahr der 7. Dezember auf einen Samstag fällt, haben wir entschieden, auch an diesem Tag zu den Familien zu gehen. Die Kollegen haben aber signalisiert, dass sie nicht zu weiteren Einsätzen bereit sind. Vor kurzem fragte jemand sogar für den 14. Dezember an. Für so späte Einsätze fehlt uns aber die Kapazität.

Alex Bringolf wohnt im aargauischen Rheinfelden. Der pensionierte Eisenbahner macht seit 2001 in der Chlausengilde zu St. Martin in Rheinfelden mit.

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