Bildungswege für Imame in der Schweiz sind unterschiedlich

Die in der Schweiz tätigen Imame qualifizieren sich in einem breiten Spektrum von zumeist ausländischen Bildungseinrichtungen. Eine standardisierte Imam-Ausbildung in der Schweiz gibt es nicht. Dies geht aus einer am Dienstag veröffentlichten Studie des Schweizerischen Zentrums für Islam und Gesellschaft (SZIG) der Universität Freiburg hervor.

Ökonomische Anreize durch Stipendien, Lernmöglichkeiten für die arabische Sprache und persönliche Interessen prägen neben theologischen Ausrichtungen die Wahl des Studienortes. Dies zeigen die Ergebnisse der Studie von Hansjörg Schmid, geschäftsführender Direktor des SZIG, und Noemi Trucco, die im Rahmen eines Projekts des Schweizerischen Nationalfonds an der Universität Freiburg zu Imamen in der Schweiz promoviert.

Rund 130 Imame in der Schweiz

Die Autoren nahmen Personen in den Blick, die längerfristig als religiöse Experten in muslimischen Gemeinden tätig sind und dort oft mit weiteren Betreuungspersonen etwa im Bereich der Jugend- und Frauenarbeit kooperieren.

Die vom Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten geförderte Studie zeigt, wie die insgesamt rund 130 Imame in der Schweiz in verschiedenen sprachlichen Gemeinschaften rekrutiert werden. Eine grosse Herausforderung für die Gemeinden bestehe in der Suche nach Personen, die den vielfältigen religiösen und gesellschaftlichen Anforderungen an Imame entsprächen. Inzwischen sind erste in der Schweiz aufgewachsene Personen als Imame tätig.

Ausbildung meist im Ausland

Die von den Imamen am meisten frequentierten Ausbildungseinrichtungen sind auf dem Balkan, in der Türkei, in Ägypten und Saudi-Arabien zu finden und weisen unterschiedliche Profile auf. In mehreren Ländern findet eine Akademisierung des Imamberufs statt. Während ein Teil der Curricula bewusst theologische und interdisziplinäre Zugänge miteinander verknüpft, sind andere von Abgrenzungen und wenig interaktiven Lernformen gekennzeichnet.

Islamische Theologie in Deutschland, Österreich und den Niederlande

Die Bildungsangebote für Imame unterscheiden sich in den europäischen Ländern. Während in Frankreich theologische Studien weitgehend den Herkunftsländern und privaten Institutionen überlassen werden, wurden in Deutschland, Österreich und den Niederlanden Studiengänge für islamische Theologie an staatlichen Universitäten aufgebaut. Berufspraktische Angebote für Imame fehlen dort jedoch, und muslimische Gemeinden bevorzugen meist Absolventen klassischer Bildungseinrichtungen aus muslimischen Ländern.

Komplexe Wirklichkeit

In der Schweiz gingen Forderungen nach einer grundständigen Imam-Ausbildung an der komplexen Wirklichkeit stark internationalisierter Bildungswege vorbei, heisst es in der Studie. Denkbar seien Kombinationen von Studien- und Weiterbildungsangeboten im Ausland wie im Inland.

Pauschalurteile ausgehend vom Studienort eines Imams hälfen nicht weiter, schreiben die Autoren der Studie. Vielmehr sollten die Imame als Individuen mit ihren Bildungsmotivationen in den Blick genommen und davon ausgehend Anreize gesetzt werden, um sich weiterzubilden. Ein solch offeneres Modell könne eine geeignete Grundlage für einen breiten Dialog über die Anliegen der Imame-Bildung bieten, in dem Aushandlungsprozesse zwischen gesellschaftlichen, politischen und religionsgemeinschaftlichen Interessen erforderlich seien.

Weiterbildung für Imame am SZIG

Das Schweizerische Zentrum für Islam und Gesellschaft besteht seit 2015 und ging aus einem Dialog zwischen Bundesbehörden, muslimischen Gemeinschaften und Hochschulen hervor. Es bietet selbst unter anderem Weiterbildungen für Imame und weitere Zielgruppen sowie seit Herbstsemester 2019 einen Masterstudiengang «Islam und Gesellschaft» an. (sda)

Bildungsangebote für Imame – ein Ländervergleich aus Schweizer Perspektive, Hansjörg Schmid, Noemi Trucco, Schweizerisches Zentrum für Islam und Gesellschaft, Universität Freiburg, 2019.

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

https://www.kath.ch/newsd/bildungswege-fuer-imame-in-der-schweiz-unterscheiden-sich-stark/