Dringender Gebetsaufruf für Nordsyrien

Medienmitteilung

Safnern. Die Situation für die Zivilbevölkerung und speziell für die Christen und andere Minderheiten in Nordsyrien spitzt sich dramatisch zu. Gezielte Angriffe auf christliche Wohngebiete und Kirchen wie zum Beispiel in Qamischli zeigen, dass die türkische Invasion mehr zum Ziel hat, als nur die Kurden aus der Region zu vertreiben. Zudem werden freikommende IS-Kämpfer zu einer weiteren unberechenbaren Bedrohung.


AVC hat in einer Stellungnahme im Januar 2019 die Besorgnis zum Ausdruck gebracht, dass mit dem
Rückzug der US-Truppen und dem Einmarsch ausländischer Streitkräfte dieselbe Tragödie passieren
könnte wie in Afrin, wo im Januar 2018 grosse Teile der Bevölkerung, allen voran die Christen, fliehen
mussten.

Das UN-Nothilfeprogramm Ocha meldete am 13. Oktober 2019, dass seit Beginn der erneuten Eskalation bereits schätzungsweise 130’000 Menschen vertrieben worden sind. Auch aus Kobane sind unzählige Bewohner geflüchtet, die sich einmal mehr von Terror, Vertreibung, Gewalt und Tod bedroht fühlen. Die Verbliebenen stecken in der umzingelten Stadt fest.

AVC engagiert sich seit 2015 durch verschiedene Projekte in Nordsyrien und ist immer noch vor Ort, um den Menschen in dieser humanitären Tragödie beizustehen.


Grossbäckerei produziert weiterhin täglich 30’000 Brote


Zusammen mit lokalen Mitarbeitern konnte AVC Ende 2016 unter herausfordernden Umständen eine Grossbäckerei installieren und in Betrieb nehmen. Durch diese werden die mittellosen Bewohner, die
versuchen in Kobane wieder Fuss zu fassen, und lokale Flüchtlingscamps täglich mit rund 30’000 Broten
versorgt. Aktuell ist diese Bäckerei die einzige noch funktionierende Anlage in Kobane und für das Überleben der Bevölkerung essentiell. Die rund 32 Mitarbeiterinnen haben vor Beginn der türkischen Angriffe in Sicherheit gebracht werden können. Nun helfen freiwillige Personen, die Produktion am Laufen zu halten. Wie lange noch, ist unklar: Die Bäckerei ist militärischen Angriffen schutzlos ausgeliefert. Mehl und Treibstoff werden knapp. Noch haben unsere lokalen Mitarbeiter keine Möglichkeit finden können, Nachschub in die Stadt zu bringen.


Mobile Kliniken für die Versorgung der Zivilbevölkerung


In der gleichen Region stellt AVC seit 2016 mittels drei mobiler Kliniken die medizinische Versorgung der
Zivilbevölkerung mit dem Nötigsten sicher. Der zum Zeitpunkt der türkischen Invasion in Kobane stationierte
Hospitainer hat rechtzeitig in eine sicherere Region gebracht werden können. Unsere lokalen Ärzte- und
Pflegeteams bieten hier unter erschwerten Umständen weiterhin bestmögliche medizinische Hilfe an. Diese
Hilfe ist umso entscheidender, weil regionale medizinische Infrastrukturen und mehrere Krankenwagen aufgrund jüngster Angriffe nicht mehr funktionsfähig sind.


Erste Kirche seit 100 Jahren


Am 13. September 2018 sorgte die Einweihung der ersten offiziell registrierten christlichen Kirche in Kobane
seit hundert Jahren für positive Schlagzeilen in kurdischen TV-Kanälen und Printmedien. »Mit Gottes Hilfe
und der Erlaubnis der Behörden von Kobane haben wir diese Kirche eröffnet«, verkündete der Pastor. AVC
hatte die Gründung der Gemeinde in dieser ehemaligen IS-Hochburg initiiert und deren Entwicklung
unterstützt und begleitet. Die meisten Mitglieder der inzwischen auf über 300 Personen herangewachsene
Kirchgemeinde sind jetzt geflüchtet. Rund 170 haben rechtzeitig in einen Unterschlupf gebracht werden
können, wo ihnen zumindest vorübergehend Schutz geboten werden kann.

Das Leid Einzelner


Das erste uns bekannte Opfer dieses erneuten Krieges ist Dejle, ein kleines Mädchen. Die Mutter und der
Vater, beide Mitglieder unserer Kirche in Kobane, wohnen in der Grenzstadt Ra’s al-›Ain, die zu den ersten
Zielen der türkischen Militäraktion gehörte. Der Vater ist in den Kampf gezogen, um die Stadt zu verteidigen
– wie es ihm geht, ist nicht bekannt. Dejle wurde bei der Bombardierung in den letzten Tagen getötet.
Zurück bleibt eine trauernde und verzweifelte Mutter, die sich von der ganzen Welt verlassen fühlt. Sie steht
stellvertretend für Tausende von Einzelschicksalen, für Tausende von ungehörten und ungesehenen Opfern
von diesem eskalierenden Konflikt im Nahen Osten.


Um Schicksal von Minderheiten besorgt


AVC zeigt sich äusserst besorgt um die Bevölkerung in Nordsyrien, besonders um die Christen. Die gezielten
Angriffe auf christliche Wohngebiete und Kirchen wie in Qamischli legen nahe, dass durch die türkische
Invasion neben der kurdischen Bevölkerung besonders auch die Christen aus der Region vertrieben werden
sollen. Bereits sind laut unterschiedlichen Quellen eine unbekannte Anzahl IS-Kämpfer freigekommen. Es
besteht die reale Gefahr, dass weitere der Tausenden von inhaftierten IS-Aktivisten ebenfalls befreit werden
oder ausbrechen können. Das wäre eine massive Bedrohung für die Bevölkerung vor Ort, besonders für die
Christen. Dass diese als religiöse Minderheit ein konkretes Ziel der islamistischen Terroristen sind, hat die
Vegangenheit wiederholt gezeigt.


Den Betroffenen im Gebet beistehen


Die politische Einordnung und Beurteilung der tragischen Situation soll anderen überlassen werden. AVC
setzt alles daran, die zivile Bevölkerung in und um Kobane weiterhin mit medizinischer Hilfe und Brot zu
versorgen und den einzelnen betroffenen Menschen beizustehen. AVC will damit zumindest im Kleinen
gegen die herrschende Ohnmacht ankämpfen und Hoffnung verbreiten.


AVC ruft die Christen in der Schweiz dazu auf, für die Zivilbevölkerung Nordsyriens, speziell für die Christen,
zu beten. Diese sind besonders stark von Attacken bedroht. Die Gespräche zwischen dem Vizepräsidenten
der Vereinigten Staaten, Mike Pence, und der türkischen Regierung sind ein erster Hoffnungsschimmer: Die
Angriffe auf Kobane sollen beendet werden.


AVC ist auf finanzielle Unterstützung angewiesen, um den Betrieb der Bäckerei und der mobilen Kliniken
aufrechtzuerhalten. Wer mithelfen will, kann dies mit einer Spende mit dem Verwendungszweck
«Bäckerei/Hospitainer» tun. Sollte das Geld während der akuten Krise nicht wie geplant eingesetzt werden
können, wird es den Projekten in Nordsyrien zugutekommen, sobald der Zugang wieder möglich ist.
Hilfsgütertransporte in das Kriegsgebiet sind zurzeit leider nicht möglich.

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