Die Heilige von nebenan

Am Sonntag hat Papst Franziskus fünf Menschen zur Ehre der Altäre erhoben. Unter den Heiliggesprochenen ist die Schweizer Näherin Marguerite Bays. Ein starkes Zeichen der Kirche für einen ganz unspektakulären Glauben, schreibt Martin Spilker im Kommentar.

Die neuen Heiligen – vier Frauen und ein Mann – verbindet sicher eines: Ein tiefer Glaube und der Wille, diesem im eigenen Leben mit den je eigenen Fähigkeiten Ausdruck zu geben. Wenn eine davon, eine einfache Frau aus dem Kanton Freiburg, nun weltweit als Vorbild im Glauben und der Kirche verehrt werden darf, ist das bemerkenswert.

Welch ein Unterschied zum Alltag heute!

Marguerite Bays (1815-1879) lebte natürlich in einer ganz anderen Zeit. Für sie, die als stille Schafferin, engagierte Helferin und Begleiterin sowie als tiefgläubige Frau beschrieben wird, drehte sich ihr ganzes Leben um ihre Familie, ihr Dorf, ihre Pfarrei. – Welch ein Unterschied zum Alltag heute! Das tägliche Gebet, geschweige denn der regelmässige Gottesdienstbesuch sind – der Schreibende eingeschlossen – die Ausnahme.

Aber muss sich die Kirche deswegen fürchten? Nein, das muss sie nicht. Das Bedürfnis nach Spiritualität, nach der Auseinandersetzung mit dem, was sich nicht fassen lässt, ist da. Die Art und Weise des Ausdrucks unseres Glaubens verändert sich jedoch. Neue Formen des Gebetes und der Feier entstehen. Der Wunsch, sich für «etwas Sinnvolles» einzusetzen, ist bei vielen Leuten gross. Es ist gut, dass dafür neue Räume entstehen. Und es ist ebenso gut, dass Traditionen bestehen bleiben. Denn sie geben Halt.

Dieses Dorf ist alles andere als übersichtlich.

Noch nie lebten wir in einer so bunten und vielfältigen Gesellschaft. Die Welt ist zum Dorf geworden. Aber dieses Dorf ist alles andere als so übersichtlich wie der Lebensraum von Marguerite Bays. Verunsicherungen prägen den Alltag. In diese Wirklichkeit hinein den Glauben zu verkünden und vorzuleben, ist eine Herausforderung.

Dem stellen sich auch heute zahlreiche Menschen. Es sind auch heute Leute von nebenan. Die Pilger aus dem Kanton Freiburg verspürten eine grosse Dankbarkeit, den Feierlichkeiten in Rom beiwohnen zu dürfen. Sie tragen diese Eindrücke und damit auch die Kraft, die für sie von Marguerite Bays ausgeht, in ihren Alltag zurück. Das wirkt. Und es lädt dazu ein, die Einfachheit des Glaubens immer wieder neu zu entdecken. 

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