«Vater-Unser»-Tanz belebt das Jubiläum von Fastenopfer und Brot für alle

Bern, 14.4.19 (kath.ch) Seit 50 Jahren engagieren sich Brot für alle und Fastenopfer gemeinsam für eine gerechtere Welt. Das haben die Hilfswerke am Samstag auf dem Bahnhofplatz und in der Heiliggeistkirche in Bern gefeiert – mit Spitzenvertretern der katholischen, reformierten und christkatholischen Kirche.

Vera Rüttimann

Um 10.30 Uhr ist die Heiliggeistkirche bis auf den letzten Platz gefüllt. Vorne stimmt der «Chor der Nationen» sein erstes Lied an. Rita Gemperle von Fastenopfer kann an diesem Samstagvormittag prominente Gäste aus Kirche, Politik und Nonprofitorganisationen begrüssen: Felix Gmür, Bischof von Basel, Gottfried Locher, Präsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK), Nassouh Toutoungi von «Partner sein» und Maya Graf, Nationalrätin der Grünen. Auch der Bischof der christkatholischen Kirche, Harald Rein, feiert mit.

Soziale Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung: Diese Ziele stehen seit 50 Jahren im Zentrum der Ökumenischen Kampagne von Brot für alle, Fastenopfer und Partner sein. Das Jubiläum bietet Anlass, das Engagement von Aktivisten in der Schweiz, in Asien, Afrika und Lateinamerika sichtbar zu machen und zu würdigen.

Erinnerung an Ökumene 1989

Es erfülle ihn mit Freude, so SEK-Präsident Gottfried Locher, dass Christen mit diesen ökumenischen Kampagnen miteinander einen Weg gehen und gemeinsam handeln. «Das gelingt uns ja nicht auf allen Gebieten», betont er. Die ökumenischen Kampagnen seien keine Sache der Kirchenleitung, sondern eine, die von den Christen selbst, von unten, gestaltet werden.

So, wie 1989 auch die erste Ökumenische Versammlung «Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung» in Basel zustanden kam. An diese erinnert Gottfried Locher in besonderem Masse und zeigt auf das Kampagnen-Plakat mit dem Slogan «Die Zeit drängt».

Das «Weizäcker»-Buch

Da sieht auch Maya Graf so. Die Nationalrätin und Co-Präsidentin der Dachorganisation der Frauenverbände «Alliance F» erinnert an das Buch von «Die Zeit drängt» von Carl-Friedrich von Weizäcker, das 1986 erschien und Grundlagentexte für die erste Europäische ökumenische Versammlung bildete. «Ich erinnere mich gut an diesen Mut und diese Hoffnung, die die Kirchen in Europa für eine bessere Welt kämpfen liess.»

Die beiden kirchlichen Hilfswerke seien damals zuvorderst dabei gewesen, so Graf. Leider sei das Thema Bewahrung der Schöpfung drängender denn je: «Heute gehen die jungen Menschen auf die Strasse und klagen uns Erwachsene an, weil wir nicht gehandelt haben.» Maya Graf wünscht sich, dass die christlichen Kirchen gemeinsam wieder eine Weltkonferenz zu Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung einberufen sollen.

«Sicherer Lebensgrundlagen für alle»

Zum Slogan der Kampagne aus dem Jahr 2004 «Sichere Lebensgrundlagen für alle» spricht Monika Schmid. Sie ist katholische Gemeindeleiterin in Illnau-Effretikon, Lindau und Brütten im Kanton Zürich. Im Religionsunterricht und in der Gemeinde sei damals über Frauen gesprochen worden, die in Deutschland wegen Drogendelikten in Haft sassen, weil sie ihre Familien nicht ernähren konnten. «So wie damals brasilianische Frauen auf Kochtöpfen trommelnd auf die Strassen gingen, um sichtbar zu machen, dass es ihnen am Nötigsten fehlte, so zogen auch wir damals lärmend durchs Zentrum und in unserer Kirche ein», erzählt sie.

Frauen als Akteurinnen

Susanne Schneeberger von der Fachstelle OeME (Ökumene, Mission, Entwicklungszusammenarbeit) der reformierten Kirche Bern-Jura-Solothurn erinnert in ihrem Statement an die Kampagne aus dem Jahr 1994 mit dem Slogan «Frauen gestalten die Welt».

Diese habe einen Blickwechsel gewagt: Nicht mehr Frauen nur als Opfer von Armut, Ausbeutung und jeglicher Form von Gewalt, sondern Frauen als Akteurinnen, die sich einsetzen für Gerechtigkeit, für Solidarität und das Leben. Die Theologin betont: «Die Kampagne hat zudem den Blick auf die enorme Care-Arbeit von Frauen gelenkt, die gratis in Gesellschaft und Kirche geleistet wird.»

Die Stimme aus dem Süden

Bembet Madrid tritt als nächstes als Rednerpult. Seit über 25 Jahren setzt sie sich mit Fastenopfer auf den Philippinen für die Anliegen der Schwächsten ein, derzeit als Koordinatorin des Landesprogramms. In den vergangenen Wochen, erzählt sie, sei sie in vielen Schweizer Schulen gewesen und habe dort über die Herausforderungen in ihrer Arbeit gesprochen.

Fastenopfer, so erfahren die Gottesdienstbesucher, sei auf den Philippinen bereits aktiv seit der Diktatur Marcos. Schon damals habe nur die Kirche in diesem Land «frei und prophetisch sprechen können und sind in die entferntesten Gegenden zu den Menschen gegangen.» Bembet Madrid fügt hinzu: «Das machen wir mit unseren Projekten bis heute.»

Vater-Unser als Tanz

Anjali Keshava – ein Spross der indisch-schweizerischen Künstlerfamilie Keshava – betritt die Bühne und performt in ihrem roten Kleid ein getanzes «Vater-Unser». Bischof Felix Gmür zeigt sich beeindruckt vom feierlich gestalteten Gottesdienst und sagt: «Es ist ein schönes Zeichen, dass wir in einer Heiliggeistkirche sind, wo wir Gottes Geist spüren können.»

Suppe auf dem Bahnhofplatz

Auf dem Bahnhofplatz, direkt vor der Kirche findet anschliessend ein buntes Treiben statt. Im grossen Zelt neben der Kirche spielt «Taxibrousse», eine schweizerisch-senegalesisch-marokkanischen Band, auf. Sterne-Koch und Schweizer Food-Waste-Pionier Mirko Buri hat für alle eine leckere Suppe gekocht. Auch Gottfried Locher hilft am Suppentopf schöpfen. Draussen sehen sich Interessierte eine Ausstellung an, in der 50 Akteurinnen aus der Schweiz und den Projektländern der beiden Hilfswerke porträtiert werden.

«Wir müssen Lärm machen!»

Die Statements der drei Frauen, die sich an ihre Lieblingskampagnen erinnern, sind noch lange Gesprächsthema unter dem Zeltdach. Die Worte von Monika Schmid klingen nach: «Wir dürfen nicht müde werden zu kämpfen für unsere Rechte. Vor allem als Frauen und für die Frauen. 2019 ist es an ihnen, kleine Wunder zu vollbringen.»

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