Kirchxit

«Ich trete nun definitiv aus diesem Verein aus», sagte letzthin meine Cousine unvermittelt, als wir auf dem weiten Platz vor der mächtigen Klosterkirche in Einsiedeln standen. Die Sache mit den sexuellen Missbräuchen weltweit und deren Vertuschung durch die klerikale Hierarchie hindurch bis ins Innere des Vatikans widere sie richtiggehend an. Neben uns ratterte ein Presslufthammer, gleichsam als akustisch begleitende ­Kanonade.

Sexuelle Ausbeutung verläuft quer durch unsere zivile Gesellschaft. Meistens passieren die Taten im engsten Familienkreis, in Sportclubs, im Jugendlager oder in Schulen, es sind also nicht nur Kleriker, die sich an Kindern vergehen. Allerdings begünstigt die katholische Kirche solche Verbrechen mit ihren klerikalen Machtstrukturen und die strenge Regel des Zölibates. Zusätzlich belastend ist die Tatsache, dass die Täter in der Regel von ihren Vorgesetzten geschützt werden.

Ich habe schon mehrmals an einen Austritt gedacht, konnte mich aber bis jetzt noch nicht dazu durchringen, denn meine diesbezüglichen Gefühle sind sehr ambivalent. Der christliche Glaube ist Teil unserer Kultur. Ich bin damit aufgewachsen. Er liegt sozusagen in meiner DNA. Von der Taufe bis zur Trauung, und der Taufe wiederum meiner Kinder. Ein starkes Band also, das mich an die Institution Kirche bindet. Ich gehöre dazu.

Andererseits ärgert mich das patriarchale Selbstverständnis der Kirchen. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Nicht einmal der Heilige Geist ist weiblich! Manchmal denke ich, dass monotheistische Religionen männliche Kopfgeburten sind. Ein intellektuelles Konstrukt als trotziger Gegenpol zur fruchtbaren Mutter Erde.

Einer geduldig reproduzierenden Erde, ohne die wir keine Sekunde lebensfähig wären und die wir Menschen auspressen wie eine Zitrone. Klimaforscher warnen schon seit langem vor einem Kollaps, leider als unerhörte Rufer in der Wüste.

Jetzt kommt aber langsam Bewegung ins globale Getriebe. Die Jungen klatschen uns mit ihren Protesttafeln unsere Klimasünden um die Ohren und machen uns die Hölle heiss. Bravo! Was Wissenschafter während Jahrzehnten weltweit nicht schafften, gelang der jungen, filigranen Greta Thunberg aus Schweden. Mit ihrer kompromisslosen, unschuldig anmutenden Art einer Sechzehnjährigen gelang es ihr, eine Protestbewegung für eine Generation, ihrer Generation, anzustossen, die diese Drecksuppe dereinst einmal auslöffeln muss.

Wenn wir so unbekümmert weiter machen wie bis jetzt, wenn wir alle Vernunft begraben, Habgier und Dummheit obsiegen, kann man nur resigniert resümieren: Die Welt dreht sich auch ohne uns Menschen weiter. Dazu kommt mir spontan ein etwas makabrer Witz in den Sinn: Die Erde trifft einen anderen Planeten. Der fragt die Erde: «Schon Millionen Jahre nicht mehr gesehen, wie geht es dir denn so?» Sie antwortet: «Schlecht, ich habe Homo Sapiens.» Der fremde Planet erwidert augenzwinkernd: «Das ist nicht so schlimm, geht schnell vorbei!»

Bald ist Ostern. Die Auferstehung Jesus Christus. Das Fest der Liebe und Hoffnung! Ich glaube, ich bleibe.

Franziska Ledergerber

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Franziska Ledergerber, Hausfrau und ausgebildete Lehrerin, Hergiswil, äussert sich an dieser Stelle abwechselnd mit anderen Autoren zu einem selbst gewählten Thema.

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