Rom, 24.2.19 (kath.ch) Einen umfassenden Kampf gegen sexuellen Missbrauch hat der Papst zum Abschluss des Anti-Missbrauchsgipfels in Rom gefordert. kath.ch dokumentiert die Rede in Auszügen.
«Liebe Brüder und Schwestern,
(…) Unsere Arbeit hat uns dazu geführt, einmal mehr anzuerkennen, dass das schwere Übel des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen leider in allen Kulturen und Gesellschaften ein geschichtlich verbreitetes Phänomen ist. (…)
Wir müssen uns darüber im Klaren sein: Die weltweite Verbreitung dieses Übels bestätigt, wie schwerwiegend es für unsere Gesellschaften ist, schmälert aber nicht seine Abscheulichkeit innerhalb der Kirche.
Die Unmenschlichkeit dieses Phänomens auf weltweiter Ebene wird in der Kirche noch schwerwiegender und skandalöser, weil es im Gegensatz zu ihrer moralischen Autorität und ihrer ethischen Glaubwürdigkeit steht. Die gottgeweihte Person, die von Gott auserwählt wurde, um die Seelen zum Heil zu führen, lässt sich von ihrer menschlichen Schwäche oder ihrer Krankheit versklaven und wird so zu einem Werkzeug Satans.
(…)
Wenn in der Kirche auch nur ein Missbrauchsfall ausfindig gemacht worden wäre – was an sich schon eine Abscheulichkeit darstellt, – so würde dieser Fall mit der grössten Ernsthaftigkeit angegangen. In der Tat erblickt die Kirche in der gerechtfertigten Wut der Menschen den Widerschein des Zornes Gottes, der von diesen schändlichen Gottgeweihten verraten und geohrfeigt wurde. (…)
Welches wäre also die existenzielle »Bedeutung« dieser kriminellen Erscheinung? Unter Berücksichtigung ihrer menschlichen Weite und Tiefe ist sie nichts anderes als der gegenwärtige Ausdruck des Geistes des Bösen. Wenn wir uns diese Dimension nicht vergegenwärtigen, werden wir der Wahrheit fern und ohne wahre Lösungen bleiben. (…)
Und so wie wir alle praktischen Maßnahmen ergreifen müssen, die der gesunde Menschenverstand, die Wissenschaften und die Gesellschaft uns bieten, so dürfen wir diese Wirklichkeit nicht aus dem Blick verlieren und müssen die geistlichen Massnahmen treffen, die der Herr selbst uns lehrt: Demütigung, Selbstanklage, Gebet, Busse. Das ist die einzige Weise, um den Geist des Bösen zu besiegen. So hat ihn Jesus besiegt. (…)
Es ist daher die Stunde gekommen zusammenzuarbeiten, um diese Brutalität aus dem Leib unserer Menschheit herauszureissen, indem wir alle notwendigen Maßnahmen anwenden, die auf internationaler und kirchlicher Ebene schon in Kraft sind. Es ist die Stunde gekommen, das richtige Gleichgewicht aller Werte zu finden, die auf dem Spiel stehen, und einheitliche Richtlinien für die Kirche zu geben. (…)
In diesem Zusammenhang möchte ich ‘Best Practices’ erwähnen, die unter der Leitung der Weltgesundheitsorganisation von einer Gruppe von zehn internationalen Agenturen formuliert wurden (…)
Wenn sich die Kirche auf ihrem gesetzgeberischen Weg dieser Leitlinien bedient (…) , wird sie sich auf folgenden Dimensionen konzentrieren:
Maßstäben: Den geeigneten Kandidaten muss ein ausgewogener Ausbildungsweg geboten werden, der auf Heiligkeit ausgerichtet ist und die Tugend der Keuschheit mit einschließt. (…)
(…) Hierbei unterstreiche ich die neuen Normen über schwerwiegendere Straftaten, die im Jahr 2010 von Papst Benedikt XVI. approbiert wurden. Darin wurde als Delikt der »neue Tatbestand des Erwerbes, der Aufbewahrung und der Verbreitung pornografischer Bilder von Minderjährigen« durch einen Kleriker »in jedweder Form und mit jedwedem Mittel« hinzugefügt. Damals war von Minderjährigen »unter 14 Jahren« die Rede. Jetzt denken wir, dass diese Altersgrenze angehoben werden muss (…)
Lasst mich allen Priestern und gottgeweihten Personen innigen Dank sagen, die dem Herrn vollkommen und treu dienen. Sie fühlen sich vom schändlichen Verhalten einiger ihrer Mitbrüder entehrt und in Misskredit gebracht. Alle – die Kirche, gottgeweihte Personen, das Volk Gottes und sogar Gott selbst – tragen wir die Folgen ihrer Untreue. (…)
Das beste Ergebnis und die wirksamste Resolution, die wir den Opfern, dem Volk der heiligen Mutter Kirche und der ganzen Welt bieten können, besteht im Bemühen um eine persönliche und gemeinschaftliche Bekehrung sowie in der Demut, zu lernen und den am meisten Verwundbaren zuzuhören, ihnen beizustehen und sie zu schützen.
Eindringlich appelliere ich an alle Verantwortungsträger und an die einzelnen Personen, in allen Bereichen gegen den Missbrauch von Minderjährigen zu kämpfen, im sexuellen wie in den anderen Bereichen, denn es handelt sich um abscheuliche Verbrechen, die auf dem Antlitz der Erde ausgemerzt werden müssen: Darum bitten viele verborgene Opfer in den Familien und in verschiedenen Bereichen unserer Gesellschaft.» (cic)
Vollständiger Wortlaut (Vatican News)
Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant
https://www.kath.ch/newsd/wortlaut-papst-franziskus-sieht-kirche-in-herausragender-verantwortung/