Jugend in die Mitgestaltung!

Wie ordnet die Jugendseelsorge Zürich die Jugendsynode des Vatikans ein? Ein Gastbeitrag von Adrian Marbacher, Theologe bei der Jugendseelsorge.

Wie lässt sich das Schlussdokument der Bischofssynode zum Thema «Jugend» aus Sicht der Jugendseelsorge Zürich deuten? Man spürt, dass die Bischofssynode neue Wege im Umgang mit den Jugendlichen sucht. Dies zeigt nur schon die dreiteilige Struktur des Abschlussdokumentes. Die Lebenswelt der Jugend soll zuerst einmal in ihrer Vielfalt und Komplexität wahr- und ernstgenommen werden. Im zweiten Teil bemüht sich die Bischofssynode, diese Lebenswelt zu verstehen und im Kontext der Kirche zu deuten. Im dritten Teil sucht man Konsequenzen fürs konkrete Handeln. Grundsätzlich erkennt man im Dokument den ernsthaften Wunsch, wirklich zu verstehen, wo die jungen Menschen heute stehen und sie mehr in der Kirche miteinzubeziehen.

Dieses Anliegen wurde bereits in der Vorbereitung der Synode spürbar: Auf vielfältige Weise wurde die Ansicht der Jugend eingeholt. Dies geschah via Online-Fragebogen und eine Vorsynode, an der die Jugendlichen, auch Nicht-Gläubige, selbst mitdiskutieren konnten. Zusammen mit weiteren Expertenstimmen flossen die Resultate in ein Arbeitspapier ein, das die Diskussionsgrundlage der Synode darstellte. Zudem waren, obwohl nicht stimmberechtigt, einige Jugendliche selber an der Bischofssynode anwesend.  Und nicht zuletzt wurden Pfarreien und Jugendinstitutionen aufgerufen, Projekte zu lancieren, um die Meinung der Jugendlichen einzuholen. Auch die Jugendseelsorge Zürich hat sich mit dem Projekt «Sag’s dem Papst» an diesem Aufruf beteiligt.

Ermutigend an diesem Vorgehen ist, dass die Bischofssynode nicht autoritär von oben herab über die Jugend urteilen will, sondern einen gemeinsamen Weg mit den Jugendlichen sucht und gar wünscht, dass dieser in den Pfarreien weitergeführt wird. «Junge Menschen möchten, dass man ihnen zuhört», wird ausdrücklich betont. Deshalb soll auch nicht einfach etwas «für» die Jugend getan werden, sondern die Kirche soll «mit ihnen» unterwegs sein und in Gemeinschaft mit ihnen leben. Die Synode anerkennt damit die Jugendlichen und ihre Lebenswelt als Teil der kirchlichen Wirklichkeit und nimmt diese grundsätzlich differenziert wahr.

Spannend an dieser Sichtweise ist, dass die Jugend als «theologischer Ort» verstanden wird, in der man die Zukunft der Kirche sieht. Ihre Stimme, auch ihre Kritik, wird als Stimme Gottes gewürdigt. Jugendliche sollen nicht wie leere Gefässe mit dem «wahren» Glauben gefüllt werden, sondern werden als echte Partner im Aufspüren des Willen Gottes ernstgenommen. In der Arbeit der Jugendseelsorge nennen wir das mystagogisch. Dies bestätigt den Ansatz, mit dem auch die Jugendseelsorge Zürich arbeitet. Dieser Ansatz geht davon aus, dass Gott bereits in jedem Menschen und dessen Lebenswelt da ist und es darum geht, dies im gemeinsamen Unterwegssein zu entdecken.

Weiter wird die Beziehungsarbeit stark betont. Man soll sich von der «Denkweise des Delegierens» lösen und mit den jungen Menschen gemeinsam unterwegs sein – «es ist die Qualität der authentischen Beziehung, die evangelisiert», heisst es im Dokument.

Ein grosses Gewicht bekommt deshalb die Begleitung der Jugendlichen. Dabei betont die Bischofs-
synode, dass alle Jugendlichen begleitet werden müssen, nicht nur jene, die sich in der Kirche engagieren. Die Kirche soll sich also bewusst öffnen gegenüber Jugendlichen anderen Glaubens. Kirche soll junge Menschen begleiten, damit sie eine ebenso gut fundierte wie authentische Entscheidung treffen können. Dabei hat Begleitung nicht nur den Weg der spirituellen Entwicklung im Blick, sondern auch die Übernahme von Verantwortung in der Gesellschaft.

Begleitet werden sollen zudem nicht nur Jugendgruppen, sondern auch jeder einzelne Mensch, um so den unterschiedlichen individuellen Wegen gerecht zu werden. Die Jugendseelsorge Zürich setzt dieses Anliegen um. Das Firmwegkonzept «Mein Weg» beispielsweise fördert die jungen Menschen, ihren individuellen, einzigartigen Weg zu finden und sich dadurch engagiert und entschieden in der Kirche und in der Gesellschaft einzubringen. In dieselbe Richtung geht auch «Geistreich!», eine Plattform, auf der sich junge Menschen nach der Firmung treffen und sich über Lebens- und Glaubensfragen austauschen können. Dabei werden sie unterstützt und begleitet, ihren Glauben gemeinsam mit anderen jungen Menschen in ihrer Pfarrei zu leben.

Grundsätzlich lässt das Abschlussdokument der Bischofssynode also hoffen. Man spürt darin einen Geist der Offenheit und des Zugehens auf die Lebensrealität, wie es das 2.»«†Vatikanische Konzil angestrebt hat. In einigen Teilen bleibt das Dokument dennoch zu behütend, wenn es beispielsweise festhält, dass wir «nur durch die Vermittlung der Kirche und ihrer Glaubensüberlieferung» Zugang zu dem «authentischen Antlitz Gottes» haben. Das lässt befürchten, dass die Synodenväter sich das Mitwirken der Jugendlichen bezüglich der Gestaltung der Kirche zwar wünschen, sich aber ein Hintertürchen offenlassen möchte, falls ihnen diese Mitgestaltung zu bunt oder unkontrollierbar werden sollte. Es stellt sich daher die berechtigte Frage, wie viel man der Jugend bei der Mitgestaltung der Kirche tatsächlich zutraut und wie sehr man ihre Glaubenserfahrung als prophetische Stimme wirklich anerkennt.

Unbefriedigend sind die Texte zum Thema Sexualität respektive zur sexuellen Identität. Es ist zwar auch hier eine gewisse Öffnung feststellbar. Und es wird eingestanden, dass es hierzu noch weitere eingehende Ausarbeitung erfordert. Dennoch bleibt die Synode im Grossen und Ganzen zu ängstlich und vorsichtig. Die Genderthematik etwa wird nicht einmal erwähnt, erst recht nicht der Bereich der Trans- oder Bisexualität. Auch auf die Missbrauchsthematik wird viel zu zaghaft eingegangen.

Dennoch ist das Dokument ermutigend. Die Bistümer und Pfarreien sind nun aufgerufen, den Geist der Synode aufzunehmen und die Jugendlichen stärker in Entwicklungsprozesse und Mitverantwortung miteinzubeziehen. Dafür braucht es ein pastorales Umdenken. Die Frage, was eine Pfarrei ist, muss neu gestellt und beantwortet werden. Es kann also nicht bloss darum gehen, immer neue Methoden der Jugendpastoral zu entwickeln, sondern um eine grundsätzliche Veränderung im Kirchenverständnis. Dies wird aber nur gelingen, wenn sich die Kirche von einer autoritären, behütenden Kirche wegbewegt und sich zu einer begleitenden, geschwisterlichen Kirche hin entwickelt.

Text: Adrian Marbacher, Theologe, Jugendseelsorge Zürich

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