Kämpfer gegen Verbürgerlichung des Christentums

Basel, 10.12.18 (kath.ch) Er gilt als der bedeutendste protestantische Theologe des 20. Jahrhunderts. Und er war von Anfang an einer, der polarisierte und Auseinandersetzungen provozierte. 50 Jahre nach seinem Tod ist sein Stern verblasst. Der Schweizer Theologe Karl Barth starb am 10. Dezember 1968.

Norbert Zonker

Für den Reformierten Bund und die Union evangelischer Kirchen in der Evangelischen Kirche in Deutschland (UEK) sowie den Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund (SEK) ist das Gedenken ein Anlass, Karl Barth ein Gedenkjahr zu widmen und seine bleibende Aktualität herauszustellen.

Barth stammte aus Basel, wo er am 10. Mai 1886 als erster Sohn des Theologen und Neutestamentlers Fritz Barth geboren wurde. Im Studium in Bern, Berlin, Tübingen und Marburg hörte er die damaligen Koryphäen wie Adolf von Harnack oder Wilhelm Herrmann.

Doch zog es ihn zunächst nicht in die Wissenschaft, sondern in die praktische Seelsorge, und zwar zehn Jahre in Safenwil, einer Bauern- und Arbeitergemeinde im Kanton Aargau. Dort wurde er mit der sozialen Frage konfrontiert und profilierte sich als «roter Pfarrer».

Ein Neuansatz

Angesichts der Katastrophe des Ersten Weltkriegs stellte sich ihm immer stärker die Frage, was und wie er predigen solle. Erschrocken nahm er wahr, wie seine «bis dahin gläubig verehrten theologischen Lehrer» ihre Grundsätze gegen eine «germanische Kampftheologie» austauschten.

Für Barth bildete die Auseinandersetzung mit dem Römerbrief die Basis für seinen theologischen Neuansatz. Sein 1919 veröffentlichter und bereits drei Jahre später durchgängig neu bearbeiteter Kommentar zu diesem Paulusbrief machte ihn auf einen Schlag bekannt. So erhielt er einen Ruf auf die neu errichtete Honorarprofessur für reformierte Theologie in Göttingen.

Unableitbarkeit Gottes

Gegen die vorherrschende liberale protestantische Theologie im Gefolge des Theologen und Philosophen Friedrich Schleiermachers, aber auch gegen die «natürliche Theologie» auf katholischer Seite betonte Barth die Andersartigkeit und Unableitbarkeit Gottes. Diesen Ansatz einer «dialektischen Theologie» kritisierte und modifizierte er später aber selbst in seinem Hauptwerk, der vielbändigen und unabgeschlossenen «Kirchlichen Dogmatik».

Eine zentrale Rolle spielte Barth im «Kirchenkampf» nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Mit der hauptsächlich von ihm entworfenen «Barmer Theologischen Erklärung» formierte sich die «Bekennende Kirche» gegen die Gleichschaltung durch die regimetreuen «Deutschen Christen».

Eid auf Hitler verweigert

Er selbst musste 1935 aus Bonn, wo er nach einer weiteren Professur in Münster gelandet war, in die Schweiz zurückkehren, nachdem er den Beamteneid auf Hitler verweigert und daraufhin seinen Lehrstuhl verloren hatte.

Barth blieb streitbar, kämpfte gegen eine «Verbürgerlichung des Christentums» und setzte sich in der Nachkriegszeit für Versöhnung und gegen Restauration und atomare Aufrüstung ein. Trotz Enttäuschung über die sozialistische Bewegung verstand er sich als «Sozialist».

Von Balthasar, Küng und Ratzinger

Bereits 1915 war er in die sozialdemokratische Partei der Schweiz eingetreten, 1931 dann in die deutsche SPD. Seine Warnungen vor einem «pauschalen Antikommunismus» stiessen auf manches Unverständnis; für die evangelische Kirche und Theologie in der DDR blieb er aber eine Leitfigur.

Auch für die katholische Theologie war Barth ein anregender Gesprächspartner. So unterschiedliche Köpfe wie Hans Urs von Balthasar und der junge Hans Küng setzten sich mit seinem Werk auseinander. Joseph Ratzinger machte als Professor 1967 mit seinem Doktorandenkreis eine Exkursion nach Basel, um mit Barth ein Kolloquium über das Dokument des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) über die Offenbarung zu halten.

Vatikanische Ehrung

Barth, der über die katholische Kirche so manche scharfzüngige Äusserung gemacht hatte, war vom Vatikan als Beobachter zu den beiden letzten Konzilssessionen eingeladen worden, musste aber wegen Krankheit absagen.

Als er 1968 starb, war Barth nicht nur eine Leitfigur für politisch linke Theologen wie Helmut Gollwitzer, sondern er hatte das Denken zweier Generationen geprägt. Auch für die Gegenwart habe er noch viel zu sagen, meint seine Biografin Christiane Tietz: «Gerade das kritische Potenzial seiner Theologie ist heute so notwendig wie zu Barths Zeiten und könnte ihn weit über die Theologie heute wieder anschlussfähig machen.»

Glaube als Ausdruck der Freiheit

Barths Werk und Engagement sind aus katholischer Sicht immer noch von Bedeutung, schreibt der emeritierte Luzerner Fundamentaltheologe Edmud Arens in einer Würdigung für kath.ch. Barth habe Gott als Vorzeichen vor alle menschlichen Aktivitäten gesetzt.

Auf diese Weise lasse sich «Kirchlichkeit ohne rechtskatholischen Kirchen-Narzissmus oder liberale Kirchen-Verbissenheit paulinisch in der Freiheit der Kinder Gottes vollziehen und gestalten», erklärt Arens. (gs)

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