«Gott zuerst»

Luzern, 10.12.18 (kath.ch) Karl Barth war eine bedeutende Figur des 20. Jahrhunderts. Der emeritierte Luzerner Fundamentaltheologe Edmund Arens würdigt in seinem Gastkommentar den streitbaren Basler und bindet sein Denken in die heutige Zeit ein.

Zum fünfzigsten Todestag von Karl Barth, gestorben am 10. Dezember 1968, ist es angebracht, die bleibende Bedeutung dieses ebenso radikalen wie umstrittenen Theologen zu beleuchten. Während er von den einen zum Kirchenvater verklärt wird, wird er von anderen als Fundamentalist verkannt.

In Zeiten von «America first» und «Die Schweiz einzig und allein» lässt sich der Grundgedanke von Karl Barth auf die Kurzformel bringen: «Gott zuerst».

Klare Positionierung

In seinem riesigen Werk, seiner anstössigen Verkündigung und seinem solidarischen Engagement ging es dem Basler Theologen darum, Gott sein zu lassen. Vom lebendigen Gott aus, der sich in Jesus Christus gezeigt hat und sowohl im Wort der Bibel als auch heute spricht, gelang es Barth, entschieden und energisch Ja zu sagen zu allem, was Gottes Wort und Geist bewirkt und bewahrt, und Nein zu dem, was diesem widerspricht und zuwiderläuft.

Das Ja zum souveränen und sich selbst erniedrigenden Gott ermöglichte es dem jungen «roten Pfarrer» im Aargau, den Arbeiter und Arbeiterinnen von Safenwil den Römerbrief des Paulus revolutionär zu erschliessen und gegen deren Ausbeutung Nein zu sagen. Das Ja zum Vorrang Gottes befähigte die «Bekennende Kirche» 1934 in der von Barth verfassten Barmer Erklärung gegen den Nationalsozialismus aufzubegehren und zur völkischen Reichskirche der Deutschen Christen Nein zu sagen.

Offen und antifundamentalistisch

Das Ja zur Freiheit und Menschlichkeit Gottes führte Barth später dazu, gegen Aufrüstung, Restauration und Unfreiheit anzukämpfen. Sein «Gott zuerst» veranlasste den reformierten Gottesgelehrten, weder die Nation, noch die Religion, noch die Person heilig zu sprechen.

Es brachte ihn dazu, die Kirche, für die er sich leidenschaftlich aussprach und einsetzte, gleichzeitig zu relativieren. Barths genuin kirchliche Theologie konnte auf diese Weise zu einem offenen, antifundamentalistischen Unternehmen mit biblischer Basis und mit Zukunft werden.

Wider den menschlichen Leistungszwang

Barths theologisches Werk und sein kirchlich-politisches Engagement sind aus katholischer Sicht immer noch von Bedeutung. Indem er Gott als Vorzeichen vor alle menschlichen Aktivitäten, Träume und Erfahrungen stellt, befreit er Theologie, Ethik und Gottesdienst aus dem menschlichen Leistungszwang und erkennt das göttliche Ja als Grund unseres Handelns.

Damit lässt sich Kirchlichkeit ohne rechtskatholischen Kirchen-Narzissmus oder liberale Kirchen-Verbissenheit paulinisch in der Freiheit der Kinder Gottes vollziehen und gestalten. Indem er das im Katholizismus eher randständige Bekenntnis als dezidiertes Ja und Nein auslegt, kann Barth dieses als verbindliche, konkrete, situative und politisch brisante Antwort auf Gottes Wort profilieren.

Das persönliche Zeugnis

Das gern in die evangelikale Ecke abgedrängte persönliche wie gemeinschaftliche Zeugnis identifiziert er zudem als Handlungsform des Christlichen.

So verortet er Theologie und Kirche zwischen dem Ja Gottes und dem Nein gegen Unfreiheit, Unrecht und Unterdrückung. Barths Vermächtnis: Gott zuerst, damit die Letzten nicht die Letzten bleiben.

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