Die Jugendsynode als Lernschritt zu einem synodalen Stil der Kirche

Chur, 29.10.18 (kath.ch) Wenn die Bistümer vor Ort den Weg mit der Jugend künftig als eine pastorale Priorität sehen, so könnte die Jugendsynode ein Schlüsselereignis der Kirche von heute werden. Eva-Maria Faber, Professorin für Dogmatik und Fundamentaltheologie an der Theologischen Hochschule Chur, erläutert in einem Gastkommentar für kath.ch Merkpunkte der Synode und des Schlussdokuments.

Der synodale Prozess ist nicht zu Ende: Das Abschlussdokument der Bischofssynode appelliert an die Ortskirchen, die Dynamik der Synode aufzunehmen (Nr. 120). Gleichzeitig setzt es Marksteine, hinter die es kein Zurück gibt. Es würdigt die engagierte Präsenz der jungen Generation im synodalen Geschehen als «Neuheit» (Nr. 1). Junge Menschen seien selbst die Protagonisten des Prozesses (Nr. 54; 119 u.ö.). Ihre Stimme erschliesse als «locus theologicus» die Zeichen der Zeit (Nr. 64).

«Junge Stimmen erschliessen die Zeichen der Zeit.»

So ist die Bischofssynode ein weiterer Schritt hin zu einem «synodalen Stil» (Nr. 121) in einer synodalen Kirche (Nr. 122), die von Zuhören (Nr. 6–9 und öfter) und Mitverantwortung geprägt ist. In einer der entschiedensten Formulierungen fordert die Synode alle Ebenen der Kirche dazu auf, effektive und in die regulären Abläufe eingebundene Formen der aktiven Partizipation junger Menschen zu entwickeln (Nr. 123).

Die zwei grossen Fragen werden sein, ob die Ortskirchen sich beherzt darauf einlassen und ob ihnen die nötigen Entscheidungskompetenzen zuerkannt werden. Denn hinsichtlich der von jungen Menschen eingebrachten Themen bleibt die Synode ihrerseits bei Richtungsanzeigen.

«Es fehlt das wichtige Scharnierglied des Interpretierens.»

Das Abschlussdokument übernimmt den bereits in der Vorbereitung eingefädelten Dreischritt von Erkennen/Zuhören, Interpretieren/Unterscheiden und Wählen, wobei es diese Struktur nun als Dynamik der Emmausperikope (Lukasevangelium 24,13-35) auslegt. Für den roten Faden schwierig sind Inkohärenzen des Textes: Im ersten und dritten Teil ist die Kirche das Subjekt, das zuerst zuhört und schliesslich wählt beziehungsweise – im Sinne der Emmausperikope – ohne Zögern aufbricht.

Diesem kirchlichen Prozess fehlt aber das wichtige Scharnierglied des Interpretierens, da der zweite Textteil sich auf die Thematik der Berufung konzentriert. Subjekt sind hier die jungen Menschen, die – allenfalls kirchlich begleitet – ihre Berufung zu unterscheiden lernen. Zudem wechselt im ersten und dritten Teil die Stellung der Kirche: Rückt sie als Zuhörende zumindest implizit in die Rolle Jesu, so steht sie – angemessener – im dritten Teil an der Stelle der Emmausjünger.

«Die Präsenz von Frauen in den kirchlichen Organen – ein Gebot der Gerechtigkeit.»

In der breiten Palette angesprochener Themen hebt die Synode bei aller Einsicht in die Pluralität der «Jugenden» (Nr. 10) besonders Digitalisierung und Migration sowie die Missbrauchsskandale hervor (Nr. 21–31; 145–147; 166). In Sachen Missbrauch verpflichtet die Synode zu rigorosen Präventionsmassnahmen. Die Präsenz von Frauen in den kirchlichen Organen auf allen Ebenen, auch in verantwortlichen Positionen und in Entscheidungsprozessen zu realisieren, sei ein Gebot der Gerechtigkeit (Nr. 55; 148).

In Sachen Sexualmoral setzt der Text einerseits auf bessere Vermittlung der kirchlichen Wertvorstellungen (Nr. 38f; 149), andererseits (Nr. 150) empfiehlt er weitergehende anthropologische Studien. Die Forderung einer respektvollen Begleitung von Personen mit homosexueller Orientierung unterstreicht erfreulicherweise deren Eigenverantwortlichkeit und deren Wunsch, zum kirchlichen Leben beizutragen. – Ein Fortschritt gegenüber früheren, eher paternalistischen Formulierungen (zur Kritik am Paternalismus allgemein Nr. 57).

«Die Bischofssynode könnte ein Schlüsselereignis unserer zeitgenössischen Kirche werden.»

Die Synode gesteht ein, dass viele junge Menschen der Kirche aus nachvollziehbaren Gründen fremd gegenüber stehen (Nr. 53). Gerade der Blick über die Ränder hinaus motiviert einen eindringlichen Appell zur Reform (Nr. 117f). Wenn nun tatsächlich auch die Ortskirchen den gemeinsamen Weg mit jungen Menschen als pastorale Priorität erkennen (Nr. 119), könnte die Bischofssynode 2018 ein Schlüsselereignis unserer zeitgenössischen Kirche werden.

Das Schlussdokument der Bischofssynode liegt bislang ausschliesslich in italienischer Sprache vor.

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