Papst erinnert in Litauen an Verfolgung und Antisemitismus

Kaunas, 23.9.18 (kath.ch) Papst Franziskus hat auf seiner Baltikumreise vor einem Wiedererstarken des Antisemitismus gewarnt. Die nach dem Holocaust geborenen Generationen stünden in der Gefahr, solchen Ideologien wieder nachzulaufen, sagte er bei einer Messe am Sonntag im litauischen Kaunas.

Die katholischen Gläubigen müssten das Gedenken an die Judenvernichtung im Zweiten Weltkrieg wachhalten und «jeden neuen Keim dieser verderblichen Gesinnung rechtzeitig erkennen». Franziskus erinnerte dabei an die Räumung des Ghettos von Vilnius vor 75 Jahren am 23. September 1943 und die Ermordung Tausender Juden.

Zu Solidarität und Aufbruch aufgerufen

Auch in seiner Predigt in Kaunas ging das Kirchenoberhaupt auf die deutsche und sowjetische Besatzung ein. Litauen höre noch immer «mit Schaudern» den Namen Sibirien oder die Erwähnung der Ghettos von Vilnius und Kaunas. Viele erinnerten sich persönlich an Deportation, die Sorge um die Verschleppten und an «die Schande der Denunziation und des Verrats». Für viele sei auch der Glaube an Gott ins Wanken geraten: «Die Tatsache, dass ihr treu bliebt, reichte nicht, dass er in den Lauf eurer Geschichte eingegriffen hätte», so Franziskus.

Der Papst mahnte die Kirche Litauens zu Solidarität und Aufbruch. In der Mitte der Kirche hätten die Schwächsten zu stehen, seien es ethnische Minderheiten, von Auswanderung bedrohte Arbeitslose, vereinsamte alte Menschen oder entwurzelte Jugendliche. Die Kirche dürfe keine Angst davor haben, die eigenen Grenzen zu verlassen und sich «an die Geringsten zu verlieren», sagte der Papst.

Feier mit 100’000 Menschen

Die Messe in Kaunas, der zweitgrössten Stadt des katholisch geprägten Landes, war die einzige während des zweitägigen Aufenthalts von Franziskus in Litauen. Zu der Feier unter freiem Himmel hatten sich nach Veranstalterangaben rund 100’000 Menschen versammelt. Ebenfalls in Kaunas traf der Papst mit den litauischen Bischöfen zu einer Unterredung beim Mittagessen zusammen.

Anschliessend sprach er vor Priestern und Ordensleuten in der Kathedrale von Kaunas. Vor allem die ältere Generation der Kleriker ist geprägt von den Repressionen der kommunistischen Zeit. Heutige Priester und Ordensleute sollten sich bewusst sein, «Kinder von Märtyrern» zu sein, sagte er bei dner Begegnung mit Geistlichen.

Am Nachmittag wollte der Papst das ehemalige Ghetto sowie das nationale Museum zum Gedenken an die Besetzungen und den Freiheitskampf besuchen. An beiden Stätten will er an die Opfer von Verfolgung und Unterdrückung unter den Nationalsozialisten und während der sowjetischen Ära erinnern. (cic)

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