Lust und Frust an der Ministrantenwallfahrt

Rom, 5.8.18 (kath.ch) Die internationale Ministrantenwallfahrt 2018 ist Geschichte, doch die Erinnerungen an diese Tage in Rom wirken bei vielen wohl noch lange nach. Sieben Stimmen über freudige Erlebnisse, Enttäuschungen und unerwartete Momente in Rom.

Vera Rüttimann

Remo Abächerli, 25, Student der Betriebswirtschaftslehre in St. Gallen

Was haben Sie in Ihrer Gruppe erlebt während dieser Woche?

Abächerli: Es war für mich besonders berührend zu sehen, wie die einzelnen Kleingruppen, die wir zu Beginn der Woche gebildet haben, über die sieben Tage zu einer grossen Gemeinschaft herangewachsen sind.  Das war sehr schön, denn es zeigte, dass wir unsere Aufgabe als Leiter gut gemacht haben. Ein schönes Beispiel für diese Atmosphäre zeigt eine Geschichte aus meiner Kleingruppe: Von 13 Leuten trugen sieben Personen den Namen «Meier». Niemand kannte sich zuvor. Zwei Geschwisterpärchen mit diesem Namen fanden schliesslich heraus, dass sie Cou-Cousins sind. Das war nur möglich, weil sich innerhalb der Gruppe intensive und tiefe Gespräche entwickelt haben.

Gibt es Erwartungen, die sich nicht erfüllt haben?

Abächerli: Ich hatte bei der Papstaudienz hohe Erwartungen, weil den Papst doch ein grosser Mythos umweht. Als er kam, dachte ich, dass alle in Ekstase fallen, so wie ich es aus dem Fernsehen kannte. Ich dachte mir, das muss hier auch so sein. Ich wollte das unbedingt erleben und spüren. Schliesslich kam es so, dass wir acht Stunden bei 35 Grad in der prallen Sonne standen und er in drei Sekunden an uns vorbeifuhr. Klar, ihn zu sehen, das war speziell. Die Stimmung flaute danach jedoch sehr schnell ab. Auch weil die Tonqualität auf dem Petersplatz schlecht war und sich die grosse Hitze bei den Teilnehmern bemerkbar machte.

 

Nico Eggmann, 17, Lehrling der Informatik, Weinfelden (TG)

Was war für Sie Ihr Moment in dieser Woche?

Nico Eggmann: Ich habe vor drei Jahren bei der letzten Ministrantenwallfahrt schon mal eine Papstaudienz erlebt. Dieses Mal fand ich es noch spezieller. Unsere Gruppe stand ganz vorne am Gitter auf dem Petersplatz. Wir  waren dann nur einen Meter von Papst Franziskus entfernt, als er mit seinem Papamobil an uns vorbeifuhr. Der Papst strahlte eine mega Ruhe aus, und er lächelte uns an. Ich war in diesem Moment ganz ruhig und genoss ihn still, während alle um mich herum ausflippten. Das war mein Moment in dieser Woche.

 

Jara Eggmann, 14, Schülerin der 3. Oberstufe in Weinfelden (TG)

Was werden Sie Ihren Eltern als erstes erzählen, wenn Sie nach Hause kommen?

Jara Eggmann: Dass mir diese Woche mega Spass gemacht hat. Vor allem die Peterskirche hat mich beindruckt. Wie gross ist die ist! Der Aufstieg auf die Kuppel war anstrengend, aber die Aussicht von dort auf alle Menschen und die ganze Stadt fand ich echt beeindruckend. Als wir oben waren, war gerade ein Gewitter im Anzug, und am Himmel sahen wir  die Blitze. Diese Stimmung werde ich nie vergessen.

 

Viktoria Dvorak, 19, Kantonsschülerin aus Aarau

Was hat Ihnen diese Woche in Rom persönlich gebracht?

Dvorak: Am meisten nehme ich von dieser Woche mit, dass ich  neue Freundschaften schliessen konnte.  Durch die neuen Leute, die ich hier kennengelernt habe, habe ich auch die Schweiz neu erfahren. Zudem habe ich hier wieder einen neuen Zugang zum Glauben gefunden. Auch konnte ich die katholische Kirche durch die vielen Gespräche, die vielen Besuche in geschichtsträchtigen Kirchen der Stadt und die erhaltenen Gedankenanstösse neu entdecken und auch geniessen.

 

Andy Givel, 44, Pallottinerpater, Vorstandsmitglied der Damp

Wo steht die Ministranten-Pastoral der Schweiz im Vergleich zu Deutschland?

Givel: Die Ministranten-Pastoral ist im Gegensatz zu der in Deutschland einerseits klein. Da können wir mit den Zahlen überhaupt nicht mithalten. Dennoch sind wir eine lebendige Gemeinschaft. Eine, in der die Leute aufeinander zugehen und die Kontakte eng sind.

Gerade weil unserer Gruppe so klein war, ergaben sich auch schnell enge Kontakte: An den Morgenandachten, bei den gemeinsamen Mahlzeiten und den Stadtführungen konnten die Minis aufeinander zugehen, sich wahrnehmen und erfahren, in welcher Pfarrei das Gegenüber ministriert. Diese Woche tat uns gut und hilft schliesslich der Ministrantenarbeit in der Schweiz. Und: Dass wir miteinander in einer solchen Stadt sein konnten und den Tag mit einem gemeinsamen Morgengebet in der Basilika di S. Pudenziana starten konnten, das war einfach grossartig.

 

Urs Brosi, Generalsekretär der katholischen Landeskirche Thurgau

Sie zeigten während der Ministrantenwallfahrt Gruppen auf mehrstündigen Führungen die Stadt Rom. Wie haben Sie die Jugendlichen dabei erlebt?

Brosi: Die meisten Jugendlichen, die bei meinen Führungen dabei waren, erlebte ich als sehr interessiert.  Sie fragten nach, wie die Baustile heissen, wie sie sich unterscheiden und wer auf den Bildern in einer Kirche dargestellt ist. Ich spürte: Sie waren wirklich bereit, in die Geschichte eines jeweiligen Ortes einzutauchen. Ich glaube, sie haben sehr viele Eindrücke aus einer Stadt mitgenommen, die voll ist mit Kunst- und Kirchengeschichte wie nur wenige. Und: Es ist eine Freude, wenn Kinder und Jugendliche mit einer solchen Freude dabei sind.

 

Natascha Rüede, 47, stellvertretende Dienststellenleiterin der Jugendseelsorge der Katholischen Kirche im Kanton Zürich

Gibt es Dinge, die in dieser Woche in Rom weniger gut geklappt haben?

Rüede: Was ich schade fand: Die farbigen Pins mit den Länderwappen, die an den Pilgerarmbändern angebracht waren, und die Pilgertücher wurden an die Jugendlichen auch deshalb verteilt, damit es zum Tausch mit  den Pins von Ministranten anderer Nationen kommt. Es gab aber viele Ministranten, die ihre Pins und Kopftücher partout nicht hergeben wollten, obwohl ich sie dazu immer wieder animiert habe. Natürlich habe ich aber auch einzelne Tauschaktionen erlebt, wo sich Leute über die Pins kennengelernt haben.

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