Die Rigi – Sehnsuchtsort für traditionelle und moderne Sinnsucher

Weggis LU, 22.7.18 (kath.ch) Die Rigi gilt spirituellen Menschen seit je her als Kraftort und Berggöttin der Alpen. Bis heute zieht der Zentralschweizer Berg Sinnsuchende aller Couleurs an. Eine Tour entlang von Kapellen, Eremitenzellen und einem Zendo.

Vera Rüttimann

Morgens um sieben schnürt sich Martina Franck in Weggis die Wanderschuhe. Sie will heute hoch auf die Rigi. Schnell noch einen Rundgang durch das Haus und den mediterran anmutenden Garten, den sie mit ihrem Mann gestaltet hat. Ein Ort, wo sich Katzen und Menschen wohlfühlen.

Die gebürtige Deutsche, die in Aachen und Paderborn Religionspädagogik studiert hat, kam mit der Rigi schon als Kind in Kontakt: «Eines der ersten schweizerdeutschen Lieder, das ich lernte war ‹Vo Luzern gäge Weggis zue.›» Als Erwachsene ging sie auf den Spuren ihrer Luzerner Mutter in die Schweiz, wo sie in Kriens und Luzern in der Pastoral arbeitete.

Weibliche Geborgenheit

Die Rigi ist für Martina Frank, die heute unter anderem als freie Ritualbegleiterin arbeitet, mehr als nur ein Berg. Er ist für die Frau mit dem gewinnenden Lachen eine Sie. «Hier, am Fusse der Rigi mit Blick auf den See hinaus und geschützt von diesem Berg, spüre ich eine unglaublich weibliche Geborgenheit», sagt sie. Die Rigi ist für die 49-Jährige ein «sehr weiblich nährender, spirituell verbundener Raum.» Diese Atmosphäre komme ihr sehr entgegen. «Ich liebe Orte, wo ich meine verkörperte Spiritualität entfalten und erfahren kann.» Durch ihre Erwachsenenbildungsarbeit und auch privat ist Martina Franck viel auf der Rigi. Sie liebt den Felsenweg in Rigi-Kaltbad und die Wanderungen in der Region Hinterbergen-Kaltbad. Und natürlich die Fahrt von Luzern mit dem Kurschiff nach Weggis, wo morgens das Wasser in einem intensiven Blau leuchtet.

Berg der Quellen

Oben auf der Station Rigi-Kaltbad wartet bereits Josef Arnold auf seine Gäste, denen er an diesem Tag auf einer Tour bekannte Kapellen, Kirchen und Orte spirituellen Wirkens zeigen möchte. Der Urner, der als Guide für Weggis-Tourismus arbeitet, sagt: «An diesem Berg kann ich Energien tanken. Überhaupt zieht es mich zu jeder Jahreszeit hoch hinauf.»

Die Rigi ist ein Wasserberg. Eine Quelle entspringt direkt an der St. Michaels-Kapelle, die durch einen schmalen Schlitz zwischen zwei Felsen erreichbar ist. Sie wurde im 14. Jahrhundert für ihre heilende Wirkung rasch bekannt. amals wie heute strömen die Pilger hierher.

Die erste Felsenkapelle wurde 1585 errichtet. Eremiten zogen ein. 1779 wurde die alte Kapelle abgerissen und ein Neubau erstellt. Seither dient sie der Bevölkerung von Rigi Kaltbad als Dorfkirche.

Josef Arnold führt seine Gruppe hinein in die Kapelle, wo moderne Glasfenster in intensivem Rot, Blau und Grün leuchten. Arnolds Lieblingsbild wurde vom Urner Maler Heinrich Danioth erschaffen und zeigt Niklaus von Flüe.

Auf dem Weg von Rigi Kaltbad zum First zeigt Josef Arnold der Gruppe die steil in den Hang hinein gebaute reformierte Kirche, die ganz aus Holz ist. Der Besucher betritt die Kirche auf der Empore und steigt via Treppe in den Kirchenraum hinunter. Der Architekt hat die Fenster bewusst so gestaltet, dass das Tageslicht nur indirekt eintritt.

Die rote Stirn der Rigi

Die Rigi-Tour führt weiter auf dem Weg, den einst Pferdehalter, Träger und Führer erklommen haben, um zahlungskräftige Pilger aus ganz Europa zu den Kapellen zu transportieren. Immer wieder tauchen Wegkreuze auf. Die Sonne brennt auf der Haut.

Josef Arnold ist nun mit seinen Gästen an eine Stelle gelangt, wo er einen guten Blick auf den grossflächigen Felsvorsprung bei Steigelfadbalm-Dossen hat. Der Felsen wird durch seine auffällig rote Gesteinsfärbung als einer der magischen Orte der Rigi verehrt. «Er wurde in Jahrtausenden gefaltet», erklärt Arnold.

Tiere, Meditation, Gebet

Auch der nächste Punkt, den die Gruppe nun ansteuert, hat eine spezielle Form. Der Weg führt zu zwei Felsformationen, die an Hinkelsteine erinnern: Das so genannte Felsentor. Josef Arnold durchsteigt einen schmalen Felsschlitz und gelangt ans Licht. Er hört von Fern einen Gong. Die Klänge kommen vom «Zendo», einer im japanischen Stil erbauten Meditationshalle. Josef Anrnold tritt ein ins Gebäude, schnürt die Wanderschuhe auf und blickt neugierig in einen grossen Saal. Er sieht Menschen, die bei Qi Gong-Übungen ihre Körper schlangenförmig verformen. Langsam, wie in Trance. Es riecht nach fernöstlichen Düften.

Die Meditationshalle gehört zur Stiftung Felsentor. 1860 einst ein Hotel der Gemeinde Weggis, beherbergt es seit 2001 Seminarteilnehmer, die Kurse zu Meditation oder buddhistischen Traditionen besuchen. Empfangen werden die Gäste von Miro.

Miro ist Mitglied der Felsentor-Gemeinschaft. Ihr Alltag, erfährt die Gruppe, beginne für alle morgens mit einer Meditation und einer Zeremonie in der grossen Halle. «Die Gemeinschaft orientiert sich an der buddhistischen Zen-Lehre, versteht sich jedoch als interreligiöse Begegnungsstätte.»

Die Jahreszeiten feiern

Auch Martina Franck ist inzwischen auf dem Weg zum Felsentor. An einem Bretterschlag an der Station Romiti, von der man zum Felsentor gelangt, hängen kleine Plakate. Eines informiert über die «Jahreszeiten-Wandlungs-Rituale», die Franck seit einigen Jahren mit Karin Marti, Mitarbeiterin der katholischen Seepfarreien Weggis-Gersau-Vitznau, auf der Rigi durchführt.

Die Rituale stehen in der Tradition der Naturvölker, die «ihr Leben im Spiegel der Natur betrachten und feiern.» Idee der Rituale sei es, sich selber zu reflektieren in der Verbindung zu den Prozessen in der Natur, so Franck. So entstehe eine natürlich geerdete spirituelle Bezogenheit für jeden Einzelnen und für die Gemeinschaft in der Gruppe. «Das erinnert an die franziskanische Lebensform.» Bei jeder Witterung kämen Menschen aus den See-Pfarreien zusammen. Das transformierende Feuer, Gesang und der authentische, persönliche Austausch wirkten verbindend.

Maria zum Schnee

Martina Franck kennt auch die nächste Kapelle, die die Gruppe ansteuert: Die Kapelle «Maria zum Schnee» in Rigi-Klösterli. Mit der Zahnradbahn geht es jetzt auf die Ostseite der Rigi, wo sich in einer Senke die besagte Kapelle befindet. Nachdem die erste Kapelle in Rigi-Kaltbad für die vielen Pilger zu klein war, stiftete Balthasar Sebastian Zay 1688 eine neue Kapelle, die «im Sand» entstand. Wer hinein tritt, staunt: Tatsächlich ein Kleinod. Dominant das grosse Gnadenbild «Maria zum Schnee» im Altarraum. Bemerkenswert auch die vielen Votiv-Tafeln zu Ehren Mariens. Ursprünglich übernahmen Kapuziner die Gottesdienste von Arth aus. Später wurde für sie neben der Kapelle ein Wohnhaus gebaut, das «Klösterli».

Wie eine Raupe

Mit der Bahn geht’s nach dem Verlassen der Kapelle nun wieder hoch Richtung Rigi-Kulm, der Spitze der Rigi. Die Gruppe reist mit der 1871 erbauten Zahnradbahn. Wie eine Raupe kriecht sie gemächlich den Berg hoch. Ein wohltuendes Reiseerlebnis in Slow Motion. Angekommen auf Rigi-Kulm auf 1797 Metern Höhe recken die Asiaten ihre Selfie-Sticks in die Höhe und bestaunen im 360° Panoramablick ein Dutzend Seen und unzählige Gipfel.  Rot blinkt auf dem Gipfel die weitum sichtbare Funkantenne.

Eine andere «Antenne» hier ist die Kapelle Regina Montium Rigi Kulm. Die 1967 eingeweihte Kapelle kommt als schlichter Natursteinbau daher. Im Innern sind Glasfenster mit dem Namen «Regina Montium, Königin der Berge» zu bestaunen. In den Bänken kann man seinen Gipfelsturm Revue passieren lassen. Der amerikanische Schriftsteller Mark Twain, der die Rigi 1879 erwanderte und seine Erlebnisse im seinem Tagebuch «A tramp abroad» (Deutscher Titel: Bummel durch Europa) festhielt, sagte einmal: «Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden.» Auf diesem Berg stehen die Chancen dafür gut.

Video: Blick auf Rigi-Kulm im winterlichen Nebelmeer:

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