«Weltkirchenrat und römische Kurie arbeiten bereits intensiv zusammen»

Genf/Rom, 23.6.18 (kath.ch) Beim Papstbesuch zum Weltkirchenrat in Genf spielte der Schweizer Kardinal Kurt Koch eine wichtige Rolle. Der katholische Ökumene-Verantwortliche stellte sich den Fragen der Medien – wie bereits im Vorfeld. Den Anlass sieht er im Rückblick durchaus positiv.

Martin Spilker/Sylvia Stam

Wie lautet Ihre Bilanz als Ökumeneminister zum Besuch des Papstes beim ÖRK?

Kurt Koch: Im Vordergrund stand der 70. Jahrestag der Gründung des Weltkirchenrates, und dies war Anlass für Freude und Dankbarkeit: für all das, was der Weltkirchenrat in dieser langen Zeit im Dienst der Einheit der Christen gewirkt hat, und für die Zusammenarbeit zwischen dem Weltkirchenrat und der Katholischen Kirche, die immer intensiver geworden ist.

«Ich bin dankbar für diesen Tag in Genf.»

Dass Papst Franziskus selbst zur Feier des Jubiläums gekommen ist und nicht einfach einen Delegaten geschickt hat, ist in sich eine klare Botschaft, dass ihm die Ökumene sehr am Herzen liegt. Das Jubiläum war auch ein willkommener Anlass, die Zusammenarbeit zwischen dem Weltkirchenrat und unserer Kirche zu vertiefen und in die Zukunft fortzuschreiben. Deshalb ist meine Bilanz zum Besuch des Papstes sehr positiv, und ich bin dankbar für diesen Tag in Genf.

«Bisher konnte keine tragfähige Übereinkunft über das Ziel der Ökumenischen Bewegung erzielt werden.»

Wo sehen Sie für die kommende Zeit Handlungsbedarf in der Ökumene?

Koch: Eine der grössten Schwierigkeiten in der ökumenischen Situation heute besteht darin, dass zwischen den verschiedenen Kirchen bisher keine wirklich tragfähige Übereinkunft über das Ziel der Ökumenischen Bewegung erzielt werden konnte: Man ist sich zwar einig über das Dass der Einheit, aber uneinig über das Was.

Papst Franziskus hat gesagt: «Diese Strasse hat ein festes Ziel: die Einheit.»

Papst Franziskus hat deshalb in Genf dazu ermutigt, stets auf dem Weg zu bleiben und weitere Schritte zu tun. Er hat aber ebenso deutlich auf das Ziel dieses Weges hingewiesen: «Diese Strasse hat ein festes Ziel: die Einheit.» Wir sind deshalb herausgefordert, noch intensiver miteinander ins Gespräch darüber zu kommen, was wir unter Einheit der Christen als dem Ziel der Ökumenischen Bewegung verstehen.

«Der Weltkirchenrat hat Begegnungen in kleinerem Rahmen gewünscht.»

Die Messe mit Papst Franziskus war ein Grossereignis; die Zusammenkünfte fanden dagegen in einem fast familiären Rahmen statt. Wäre ein ökumenischer Gottesdienst für die grosse Menge der Gläubigen nicht ein viel stärkeres ökumenisches Zeichen gewesen?

Koch: Das Programm des Papstbesuches hat so stattgefunden, wie es mit dem Weltkirchenrat einmütig vereinbart worden ist. Der Weltkirchenrat hat gewünscht, dass die Begegnungen des Papstes mit ihm in der Gemeinschaft seiner Mitgliedkirchen in einem eher kleineren Rahmen stattfinden.

«Es wurde die aus Sicht des katholischen Glaubens intensivste Form der Gemeinschaft gewählt.»

Der Weltkirchenrat hat aber auch Verständnis dafür bekundet, dass Papst Franziskus, wenn er in die Schweiz kommt, auch seiner eigenen katholischen Gemeinschaft begegnet, zumal nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Papst die Schweiz nochmals besuchen wird. Dabei ist jene Form der Begegnung gewählt worden, die aus Sicht des katholischen Glaubens die intensivste Form der Gemeinschaft ist, nämlich die Feier der Eucharistie.

Die Ökumene sei ein Verlustgeschäft, sagte der Papst. Um der Einheit willen gelte es, eigene Zwecke aufs Spiel zu setzen. Verteidigt die katholische Kirche nicht eigene Interessen, wenn sie andere Christen von der Eucharistie ausschliesst?

Koch: Als Papst Franziskus von der Ökumene als einem «Verlustgeschäft» sprach, hat er einen klaren Grund genannt: «weil man nicht zu Genüge die Eigeninteressen der Gemeinschaften schützt, die oftmals eng an ethnische Zugehörigkeiten oder überkommene Vorstellungen gebunden sind, seien sie mehrheitlich ‘konservativ’ oder ‘fortschrittlich’.» Von solchen Eigeninteressen zu unterscheiden sind aber die Glaubensüberzeugungen der verschiedenen Kirchen.

«Glaubensüberzeugungen sollen ins ökumenische Gespräch eingebracht werden.»

Im Blick auf sie kann nicht von anderen Kirchen gefordert werden, dass sie sie zur Disposition stellen sollten. Sie sollen vielmehr in gegenseitigem Respekt ins ökumenische Gespräch eingebracht werden. Zu den elementaren Glaubensüberzeugungen der katholischen Kirche gehört die enge Zusammengehörigkeit von eucharistischer und kirchlicher Gemeinschaft.

«Wir arbeiten bereits heute auf sehr verschiedenen Gebieten zusammen.»

In den Begegnungen kamen viele Gemeinsamkeiten zwischen ÖRK und katholischer Kirche zur Sprache, gerade mit Blick auf ein politisch-gesellschaftliches Engagement. Sehen Sie Möglichkeiten, dass ÖRK und der Vatikan künftig bei bedeutenden politischen Fragen gemeinsam öffentlich auftreten und Stellung beziehen?

Koch: Es gibt bereits heute eine intensive Zusammenarbeit des Weltkirchenrates mit verschiedenen Dikasterien in der römischen Kurie auf sehr verschiedenen Gebieten: bei Fragen von Gerechtigkeit und Frieden, bei den Menschenrechten, bei den Werken der Nächstenliebe und der humanitären Hilfe, vor allem bei den grossen Herausforderungen durch Migration und Flüchtlingskrise, beim Schutz der Schöpfung, bei den Fragen, die die jungen Menschen betreffen, und bei den Aufgaben von Mission und Evangelisierung.

«Die Zusammenarbeit kann und soll in Zukunft intensiviert werden.»

Diese Zusammenarbeit kann und soll in Zukunft intensiviert und in gemeinsamen Stellungnahmen konkretisiert werden. Eine wichtige Gelegenheit dazu wird auch die nächste Vollversammlung des Weltkirchenrates sein, die im Jahre 2021 in Karlsruhe und damit seit langer Zeit wiederum in Europa stattfinden wird.

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https://www.kath.ch/newsd/weltkirchenrat-und-roemische-kurie-arbeiten-bereits-intensiv-zusammen/