Auf Social Media ist das ganze Jahr über 1. April

Bern, 16.6.18 (kath.ch) Mit dem Wahrheitsgehalt bei Twitter, Facebook und Konsorten befasste sich das Berner «Politforum» am Donnerstag. Fünf Spezialisten im Bereich Multimedia erörterten im Käfigturm auch die Frage, ob die Internet-Medien die Demokratie bedrohten. Man müsse sehr wachsam sein, so das Fazit.

Georges Scherrer

«Das Hauptproblem bei Fakemeldungen ist der kommerzielle Anreiz.» Mit dieser Aussage brachte die Journalistin und Buchautorin Adrienne Fichter einen Teilaspekt der Debatte im Käfigturm auf den Punkt. Geld war denn auch ein immer wieder gehörter Begriff in der Diskussion über Social Media und Demokratie.

Der anfängliche «Technooptimismus» im Internet, so Nicolas Zahn, Vorstandsmitglied der Operation Libero, sei der Nüchternheit gewichen. Der deutsche Medien- und Kommunikationswissenschaftler Ingo Dachwitz fand für den Wandel den Begriff «Datenkapitalismus». Facebook, Instagram, Google, Twitter und wie sie alle heissen, verdienten heute einen Haufen Geld.

Diese «werbefinanzierten Plattformen» sind gemäss Adrienne Fichter verantwortlich für eine unkontrollierte Selektion von Inhalten. Diesen Plattformen sei der Inhalt «egal», ergänzte Zahn. Sie lieferten das aus, «was sich gut verkauft», so Fichter.

Social Media diktiert den medialen Menüplan

Eine gefährliche Entwicklung sei zudem, dass sich die klassischen Medien bei ihrer Themensetzung von den Social Media beeinflussen liessen. Ein Beispiel dafür seien die «Tweets», welche US-Präsident Donald Trump absetze. Diese sorgten für mehr Schlagzeilen als seriöse Mitteilungen des State Departement.

Der Direktor des Katholischen Medienzentrums in Zürich gab einen April-Scherz zum besten, den kath.ch dieses Jahr veröffentlichte. Viele Leser hätten diesen für bare Münze genommen. Charles Martig illustrierte mit seinem Beispiel ein weiteres schwerwiegendes Problem von Social Media: die fehlende Glaubwürdigkeit.

«Blackbox» contra «gläsernen Bürger»

Die Journalisten hätten das Monopol bei der Selektion der Nachrichten verloren, erklärte Silke Adam, Professorin für politische Kommunikation und Direktorin des Instituts für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Bern. Jeder könne heute publizieren. Dies erfordere aber bei den Rezipienten sehr viel Aufmerksamkeit, denn sie müssten selber den Wahrheitsgehalt eines Textes überprüfen und somit «die Arbeit der Redaktionen übernehmen».

Was sehr schwer sein dürfte, denn die Rollen sind ungleich verteilt. Adrienne Fichter nannte Facebook eine «Blackbox». Dieser gegenüber stehe der «gläserne Bürger», dessen «digitale Fussspuren» die Social-Media-Anbieter sehr gut lesen könnten, so Silke Adam.

Politische Manipulationen

Die daraus folgende Selektion von Nachrichten zuhanden einer bestimmten User-Gruppe sei insofern gefährlich, als nicht-transparente Algorithmen bei Google und Co die Inhalte gezielt auswählten. Silke Adam sprach von «Manipulation». Diese könnte etwa politische Wahlen beeinflussen. Beispielsweise wenn durch Social Media eine politische Zielgruppe konsequent mit Falschmeldungen über einen Kandidaten versorgt werde.

Unterstützung erhielt die Berner Professorin von Charles Martig. Ihm sind die Social Media suspekt, weil sie ein ideales Tummelfeld für unkontrollierbare «Verschwörungstheorien» bildeten. Gegensteuer zu geben, dürfte nicht einfach sein. Ingo Dachwitz schlug vor, Europa solle mit einer eigenen Suchmaschine Google und Microsoft entgegentreten.

Wer entscheidet, was Fake ist?

Den Organisatoren von solch hochintellektuellen Diskussionsrunden kann nichts Besseres passieren, als dass das gemeine Fussvolk den Weg zum Debattierungsort findet. Dieses kann sich in der Fragerunde zu Wort melden, was im Käfigturm auch geschah. In sehr gebrochenem Deutsch wandte sich ein Migrant aus Nordafrika an das Podium und sprach die Fakemeldungen im Zusammenhang mit dem IS an. Nach seinem etwas wirr vorgetragenen Votum verliess der erregte Mann den Saal.

Leider nahm das Podium die Frage des Mannes aus einem anderen Kulturraum nicht auf. Ingo Dachwitz formulierte diese zwar aus: Wer entscheidet, was eine Fakemeldung ist? Gesprächsleiter Michael U. Braunschweig, Leiter der Fachstelle «Reformierte im Dialog» , liess diese jedoch im Raum stehen und wandte sich einem anderen Thema zu.

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