Ärzte dürfen Sterbehilfe leisten, sagt medizinische Wissenschafts-Akademie

Bern, 6.6.18 (kath.ch) Ein Arzt muss selber entscheiden, ob er «Suizidhilfe» leisten will. Das hält die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) in den Richtlinien «Umgang mit Sterben und Tod» fest, die gemäss Mitteilung am Mittwoch in Kraft getreten sind. Aus Sicht von Human Life International-Schweiz übernimmt die Akademie damit die Sichtweise der Sterbehilfeorganisation Exit.

Ob die aktive Unterstützung von Patienten und Patientinnen in ihrem Vorhaben, den eigenen Tod herbeizuführen, mit der Pflicht eines Arztes vereinbar sei, werde unter Fachpersonen und in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Aus diesem Grund müsse jeder Behandelnde «selbst entscheiden», ob für ihn diese unterstützenden Handlungen mit den Zielen der Medizin vereinbar seien, schreibt die SAMW.

Die Akademie nennt eine weiteres Problem: «Die Formulierung objektiver medizinischer Kriterien für die Zulässigkeit der Suizidhilfe ist problematisch, da solche einerseits zu schwierigen Abgrenzungsfragen führen würden und andererseits in Situationen, in denen die Kriterien erfüllt sind, die Suizidhilfe als eine der Handlungsoptionen vorgegeben wäre.»

Kein medizinisch objektivierbarer Zustand

Solche Situationen könnten Patienten und Behandelnde unter Rechtfertigungsdruck setzen, «wenn sie diese Option nicht in Betracht ziehen wollen», hält die Akademie fest. Es sei zudem nicht der medizinisch objektivierbare Zustand, der bei Patient zum selbstbestimmten Suizidwunsch führe, sondern das subjektiv erlebte unerträgliche Leiden.

Zu den Aufgaben eines Arztes gehöre es nicht, von sich aus Suizidhilfe anzubieten. Er sei auch nicht verpflichtet, diese zu leisten. Er könne diese aber leisten, wenn er sich überzeugt habe, dass die Voraussetzungen dazu erfüllt seien.

Voraussetzungen für Suizidhilfe

Der SAMW beschreibt die Voraussetzungen wie folgt: Beim Entscheid müsse dem Arzt eine weitere Person zur Seite stehen, die selber nicht unbedingt medizinisch ausgebildet sei. Der Patient müsse urteilsfähig sein. Der Entscheid müsse «wohlerwogen» sein. Der Entscheid dürfe nicht auf äusseren Druck entstanden sein. Die Krankheitssymptome und Funktionseinschränkungen des Patienten seien «für diesen Ursache unerträglichen Leidens».

Und weiter: Medizinisch indizierte therapeutische Optionen sowie andere Hilfs- und Unterstützungsangebote müssten gesucht worden sein. Diese seien aber erfolglos geblieben oder vom Patienten als unzumutbar abgelehnt worden. Der Wunsch des Patienten, in der unerträglichen Leidenssituation nicht mehr leben zu wollen, müsse für den Arzt aufgrund der Vorgeschichte und wiederholter Gespräche nachvollziehbar sein.

Auch die Unterstützung des freiwilligen Verzichts auf Nahrung und Flüssigkeit müsse differenziert betrachtet werden. Freiwillig sei der Verzicht dann, wenn der klar geäusserte Wille einer urteilsfähigen Person zu einem solchen «Sterbefasten», wie der SAMW in seinen Unterlagen schreibt, vorliege.

«Auflistung von Handlungsoptionen»

Die Pro Life-Organisation «Human Life International»-Schweiz kritisiert die Akademie in einem Communiqué scharf. Sie lege nicht medizinisch-ethische Richtlinien vor, sondern eine «Auflistung von Handlungsoptionen, die dem überzogenen Selbstbestimmungsrecht der Patienten beziehungsweise dem Gutdünken des ärztlichen Personals überlassen werden». Die Akademie übernehme «praktisch zur Gänze die Position der Exit-Kommission, welche für den sogenannten Altersfreitod lobbyiert».

Human Life fordert, dass die zur Zeit geltenden Richtlinien weiterhin in Kraft bleiben. Beihilfe zum Suizid könne kein Bestandteil ärztlicher Tätigkeit sein. Ansonsten drohe das gesellschaftliche Vertrauen in die ärztliche Tätigkeit nachhaltig zu verkümmern. Die Richtlinien aus dem Jahr 2004 sehen die Beihilfe zum Suizid nicht als Teil ärztlicher Tätigkeit, weil sie den Zielen der Medizin widersprechen würden.

In der Vernehmlassung wies Human Life den Entwurf der Akademie für die aktuell in Kraft getretenen Richtlinien zurück und schloss sich gemäss eigenen Angaben der Auffassung der Vereinigung der Katholischen Ärzte der Schweiz an, dass organisierte «Suizidbeihilfe» unter Strafe zu stellen sei. (gs)

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