Grosses Interesse an Wallfahrt mit Kardinal Müller zum Thema Christenverfolgung

Einsiedeln SZ, 28.5.18 (kath.ch) Die Hilfsorganisation «Kirche in Not» lud am Sonntag zur Wallfahrt und zum Pontifikalamt mit Kardinal Gerhard L. Müller ins Kloster Einsiedeln ein.  Zusammen mit dem Basler Bischof Felix Gmür, CVP-Präsident Gerhard Pfister und Roberto Simona, Experte bei «Kirche in Not», nahm der deutsche Gast  anschliessend an einem Podium teil, das die Verfolgung der Christen zum Thema hatte.

Vera Rüttimann

Schon früh morgens strömten die Besucher in das Innere der Klosterkirche, um sich einen Platz zu sichern. Viele reisten von weit her, um mit Kardinal Gerhard Ludwig Müller, der von 2012 bis 2017 Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre war, diesen Gottesdienst zu erleben. Unter seinen Augen zündeten Vertreter des Hilfswerkes «Kirche in Not» in Gedenken an verfolgte und ermordete Christen in der Kirche Kerzen an. Die Botschaft dieser Geste war klar: Das Christentum ist die am meisten gefährdete Religion.

Nur ein Medienthema?

Nach der Heiligen Messe fanden sich die Gäste im Kultur- und Kongresszentrum «Zwei Raben» zu einem Risotto-Essen und einem anschliessenden Podium ein. Das Thema lautete: Weltweit werden 200 Millionen Christen verfolgt! Welches sind die Folgen für die Gesellschaft und unseren Glauben?

Moderation Antonia Moser, Journalistin bei Radio SRF, warf zu Beginn die Frage in den Runde: Hat sich die Situation der Christen immer mehr verschlimmert oder ist dies nur ein interessantes Thema für die Medien? Roberto Simona, Islamexperte von «Kirche in Not» und Kardinal Gerhard Müller sprachen klar von einer «Verschlimmerung der Situation für Christen» und wiesen dabei auf das Beispiel Irak hin.

«Noch immer besteht die Gefahr, dass das Christentum aus dem Irak verschwindet.»

Nur dank der grossen internationalen Solidarität lebten noch Christen im Irak, so Roberto Simona, der ergänzte: «Noch immer besteht die Gefahr, dass das Christentum aus dem Irak verschwindet.» So lebten im Jahr 2003 rund 1,5 Millionen Christen im Irak. Heute dürften es nur noch zwischen 250’000 und 350’000 sein. Gezeigt wurden Bilder von Häusern in der christlichen Ninive-Ebene, die durch die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) zerstört wurden.

Christenverfolgung als Regelfall

Bischof Felix Gmür stellte klar: «Christen wurden schon immer verfolgt, auch schon im Römischen Reich. Ihre Verfolgung ist in ihrer Geschichte der Regelfall.» Weil in dieser Religion Feindesliebe gepredigt werde, gehöre es wie zum Schicksal von Christen, verfolgt zu werden.

Eine interessante Sichtweise brachte Gerhard Pfister ein. Ein Grund, weshalb die Christenverfolgung bei vielen Schweizerinnen und Schweizern zu wenig Beachtung erhalte, sei die privilegierte Lage der Schweiz: «Wir machen uns viel zu wenig bewusst, dass das christlich geprägte Modell des Rechtstaates, das den Bürgern Religions- und Meinungsfreiheit gewährt, nicht das Regelmodell eines Staates auf der Welt ist, sondern das absolute Ausnahmemodell!» Die Idee der Würde des einzelnen Menschen ist für den CVP-Politiker das eigentlich spezifisch Christliche.

Wie sich Verfolgung anfühlt

Die Moderatorin stellte jedem einzelnen Podiumsgast die Frage, inwieweit er mit dem Thema Verfolgung in Berührung gekommen ist? Kardinal Gerhard Müller war während seiner Zeit als Bischof oft in den Slums von Peru unterwegs und hat die Not der Kirche hautnah miterlebt. Er sprach nicht von Verfolgung, die er persönlich als Vertreter der katholischen Kirche erlebt habe, aber von Ressentiments und Unverständnis, die er gerade wieder in Kommentaren zur Abstimmung über den Schwangerschaftsabbruch in Irland erlebt habe. «Die katholische Kirche ist mit ihrer Anti-Abreibungskampagne noch immer Gift für Teile der Gesellschaft», sagte Müller.

Auch Gerhard Pfister kennt als Politiker das Gefühl der Ressentiments. Er hielt fest: «Ich bin einmal in meinem politischen Leben bedroht worden. Aber ich fühle mich ungeheuer privilegiert, in der Schweiz leben zu können, wo man aufgrund seiner politischen Meinungsfreiheit und politischer Äusserungen nicht verfolgt werden kann.»

«Ich werde manchmal angefeindet, aber nicht verfolgt.»

Felix Gmür antwortet: «Ich werde manchmal angefeindet, aber nicht verfolgt.» Der Bischof von Basel war jedoch direkt involviert in Verfolgungsgeschichten. Er erzählte in diesem Kontext über seine Erfahrungen, als er 2015 Flüchtlinge aus Afghanistan und Eritrea in seinem Bischofssitz in Solothurn aufnahm. «Das ist etwas anderes, als wenn man nur in der Zeitung über Flüchtlinge liest.» Für Bischof Gmür ist die Vorstellung, nur aufgrund seines Glaubens  verfolgt zu werden, eine Katastrophe. «Das ist für mich die Öffnung eines Höllenschlundes.»

Militanter Islam ein Hauptgrund für Verfolgung

Der islamische Extremismus wurde auf dem Podium neben ökonomischen und auch ökologischen Ursachen als einer der Hauptgründe ausgemacht, weshalb Christen ihre Heimat verlassen müssen. Gerhard Pfister fand die Ursache ganz wesentlich auch im fehlenden Verständnis für den Rechtsstaat unter militanten Islamisten. Darauf, betonte er, müsse der Westen eine Antwort finden.

Antonia Moser fragte denn auch die Runde, was gegen den grassierenden militanten Islamismus zu tun sei, der dazu führe, dass Christen ihr Heimatland verlassen müssen. Gerhard Pfister betonte, dass die Politik alles erdenklich Mögliche versuchen müsse, mit klugen Aktionen und Projekten aus der Schweiz heraus, um die Fluchtursachen zu bekämpfen. Dabei gehe es auch um die Frage, an welche Länder Waffen geliefert werden sollten.

«Christliche Hilfswerke tun abseits der Presse viel Gutes.»

Kardinal Gerhard Müller plädierte dafür, gerade christliche Hilfswerke, die für ihn «oft abseits der Presse» viel Gutes tun würden, in diesen Zeiten, verstärkt zu unterstützen. Für Felix Gmür ist es die Bildung, die das differenzierte Denken von jungen Menschen früh fördere. Der Bischof betonte: «Das Christentum war von Beginn an eine Bildungsoffensive.»

Nach all den gehörten Worten und gezeigten Bildern, die zerstörte Kirchen und leidende Kinder dokumentierten, zeigten sich die Podiumsteilnehmer erfreut, als sie von Jan Probs, Geschäftsführer von «Kirche in Not» Schweiz, vernahmen, dass im Irak seit Beginn des Wiederaufbau-Projekts von «Kirche in Not» über 3000 Häuser in der Ninive-Ebene wiederhergestellt werden konnten. Jan Probst sagte: «Diese renovierten Häuser vermitteln den irakischen Christen konkrete Hoffnung auf einen weiteren Verbleib in ihrer Heimat.»

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https://www.kath.ch/newsd/das-christentum-die-am-meisten-gefaehrdete-religion/