Patriarch und Papst üben Wirtschaftskritik

Rom, 27.5.18 (kath.ch) In der Stiftung «Centesimus Annus» engagieren sich katholische Unternehmer für die Soziallehre der Kirche. Bei deren Kongress üben Papst Franziskus und Patriarch Bartholomaios am Samstag heftige Kritik am globalen Wirtschaftsystem.

Benjamin Leven

In den prachtvollen Sälen des Palazzo della Cancelleria, wo verschiedene Institutionen der römischen Kurie ihren Sitz haben tummeln sich elegante Herrschaften. Die päpstliche Stiftung «Centesimus Annus pro Pontifice» trifft sich zu ihrem jährlichen Kongress in Rom, um über «neue politische Strategien und Lebensstile im digitalen Zeitalter» zu debattieren.

Unternehmer wollen katholische Soziallehre fördern

Es sind vor allem katholische Unternehmer und Wirtschaftsvertreter aus Italien, aber auch aus den USA, Spanien oder Deutschland, die sich in der Stiftung engagieren. Ihr Ziel: die katholische Soziallehre zu fördern und zu verbreiten sowie die «Aktivitäten des Heiligen Stuhles» finanziell zu unterstützen. So stellt der Heilige Stuhl sicher gerne eine seiner schönsten Immobilien für die Tagung zur Verfügung. Der Palazzo della Cancelleria wurde Ende des 15. Jahrhunderts als erster römischer Renaissancepalast vom steinreichen Kardinal Raffaele Riario errichtet.

Kurie braucht Unterstützung von Mäzenen

Heute sind Kurienkardinäle meist keine Millionäre mehr, und so ist die römische Kirche auf die Unterstützung von Mäzenen angewiesen. Es war Papst Johannes Paul II., der vor genau 25 Jahren die Stiftung «Centesimus Annus pro Pontifice» mit Hilfe der Union katholischer Unternehmer in Italien (UCID) ins Leben rief. Die Stiftung organisiert Kurse zur katholischen Sozialehre für Unternehmer, veranstaltet regelmässige Kongresse und vergibt einen Preis für herausragende Publikationen im Bereich Wirtschaft und Gesellschaft.

Digitalisierung fordert katholische Soziallehre heraus

Drei Tage lang hört der Kongress Politikern, Wirtschaftswissenschaftlern, Unternehmern und Diplomaten zu, die sich mit einer ganzen Bandbreite von Fragestellungen beschäftigten: Es geht um so Unterschiedliches wie den Umgang mit der «digitalen kulturellen Revolution» in der Erziehung, den Frauenanteil in Unternehmensvorständen, den Einfluss von Digitalisierung und Automatisierung auf die Arbeitswelt oder den Kampf gegen Lebensmittelverschwendung.

All das, so zeigt der Kongress, stellt auch eine Herausforderung für die Soziallehre der Kirche dar. Kaum ein Vortrag kommt ohne Verweis auf die päpstlichen Sozial- und Umweltenzyklika «Laudato si» von 2015 aus.

Bartholomaios geisselt «rücksichtslosen Konsum»

Hochrangige italienische Kleriker sind anwesend. Auch Bartholomaios, der griechisch-orthodoxe Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, nimmt an der Konferenz teil. Er schlägt kritische, ja pessimistische Töne an. Beim abendlichen Empfang in der nicht minder prachtvollen Botschaft Spaniens beim Heiligen Stuhl wettert Bartholomaios bei seinem Toast gegen das «unverschämte Verlangen nach rücksichtslosem Konsum», das zur Ausbeutung der natürlich Umwelt führe.

«Nie zuvor haben wir so zerstörerisch gegen Natur und Mitmenschen gehandelt.»

Ein zweites Mal äussert sich der Patriarch am letzten Tag der Konferenz in der Sala Regia des Apostolischen Palastes. Vor seinem vermutlich ziemlich reichen Publikum klagt der Patriarch am Samstag den «Fundamentalismus des Marktes» an, die «Vergöttlichung des Profits». Auch den naturwissenschaftlichen und technischen Fortschritt sieht Bartholomaios kritisch: «Nie zuvor haben wir so viele wissenschaftliche Kenntnisse besessen und gleichzeitig so gewaltsam und zerstörerisch gegen die Natur und unsere Mitmenschen gehandelt.»

Indessen sei die Gesellschaft zunehmend von «Individualismus», «Selbstvergöttlichung» und «egoistischer Selbstgenügsamkeit» geprägt. Die «Kultur der Solidarität» sei in Gefahr. Hier seien die christlichen Kirchen gefragt. Bartholomaios schlägt das Modell einer «ökologischen Wirtschaft» vor, in dessen Zentrum die «wirklichen Interessen» des Menschen stehen müssten, denen nur «innerhalb einer intakten Umwelt» gedient werden könne.

Papst beklagt «Kultur der Verschwendung»

Am Schluss der Tagung grüsst Papst Franziskus die Teilnehmer. Auch er sieht «Schwierigkeiten und Krisen» des derzeitigen Wirtschaftssystems: «Sie stehen im Zusammenhang mit einer Mentalität des Egoismus und der Ausgrenzung, die eine Kultur der Verschwendung geschaffen hat, die für die Menschenwürde der Schwächsten blind ist», so der Papst.

Die Stiftung «Centesimus Annus pro Pontifice» lobt Franziskus für ihre Arbeit: Durch ihren Dialog mit Führungskräften aus Wirtschaft und Finanzwesen sorge sie dafür, dass «die intrinsische soziale Dimension aller wirtschaftlichen Aktivitäten angemessen geschützt und wirksam gefördert wird». (cic)

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