Todesstrafe: Staaten südlich der Sahara sind Hoffnungsträger für eine Welt ohne Hinrichtungen

Medienmitteilung

In den Staaten südlich der Sahara wurden grosse Fortschritte bei den Bemühungen zur Abschaffung der Todesstrafe erzielt. Die Zahl der in der Region verhängten Todesurteile ist erheblich zurückgegangen. Dies geht aus dem aktuellen Amnesty-Bericht zur Anwendung der Todesstrafe 2017 hervor.

Guinea hat die Todesstrafe als 20. afrikanisches Land südlich der Sahara für alle Straftaten abgeschafft, während sich Kenia für den Straftatbestand Mord von der bisher gesetzlich vorgeschriebenen Bestrafung mit dem Tode verabschiedete. Burkina Faso und Tschad haben ebenfalls Maßnahmen ergriffen, um der Anwendung der Todesstrafe mit neuen Gesetzen und Gesetzesvorlagen entgegenzuwirken.

«Die Fortschritte, die in den Staaten südlich der Sahara gemacht wurden, lassen die Region zunehmend als Hoffnungsträger für die Abschaffung der Todesstrafe werden. Die progressiven Entwicklungen in diesen Ländern geben uns neue Hoffnung, dass die Abschaffung der grausamen, unmenschlichen und erniedrigenden Strafe zum Greifen nah ist», so Patrick Walder, Kampagnenleiter bei Amnesty International Schweiz.

Wenn diese Tendenz anhält, befinden sich diejenigen Länder, die jetzt noch Todesurteile aussprechen und vollstrecken, in einer zunehmend isolierten Position.

Erhebliche Fortschritte auf vielen Ebenen

Die Entwicklungen in den Staaten südlich der Sahara spiegelten 2017 einen insgesamt positiven globalen Trend wider. Recherchen von Amnesty International deuten für das Jahr 2017 auf einen erneuten Rückgang bei der Verhängung von Todesurteilen hin.

Amnesty International erfasste im Jahr 2017 mindestens 993 Hinrichtungen in 23 Ländern. Das ist ein Rückgang um 4 % seit 2016 (1.032 Hinrichtungen) und um 39 % seit 2015 (1.634 Hinrichtungen, die höchste Zahl seit 1989). Es wurden mindestens 2.591 Todesurteile in 53 Ländern dokumentiert, ein deutlicher Rückgang im Vergleich zum Rekordhoch von 3.117 Todesurteilen im Jahr 2016. Hier wurden die verhängten Todesurteile und vollstreckten Hinrichtungen in China nicht mitgezählt, die nach Schätzungen von Amnesty International in die Tausende gehen. Diese Daten werden dort als Staatsgeheimnis eingestuft.

Neben Guinea hat 2017 auch die Mongolei die Todesstrafe für alle Straftaten abgeschafft, was die Zahl der Staaten, die sich komplett von der Todesstrafe abgewendet haben, auf 106 steigen liess. In Guatemala werden nun für bestimmte Straftaten wie z. B. Mord keine Todesurteile mehr verhängt. Damit beläuft sich die Zahl der Länder, die die Todesstrafe per Gesetz oder in der Praxis abgeschafft haben, nun auf 142. Weltweit werden in 23 Ländern noch Hinrichtungen vollstreckt. Diese Zahl ist gegenüber dem Jahr 2016 unverändert, trotz der Tatsache, dass in einigen Staaten wieder mit dem Vollstrecken von Todesurteilen begonnen wurde, nachdem Hinrichtungen für eine gewisse Zeit ausgesetzt waren.

Selbst Länder, die die Todesstrafe an sich befürworten, haben bedeutende Massnahmen ergriffen, um ihre Anwendung zu reduzieren. Im Iran fiel die Zahl der dokumentierten Hinrichtungen um 11 % und der Anteil der Exekutionen wegen Drogendelikten sank auf 40 %. Es gab zudem Bemühungen, die Drogenmenge zu erhöhen, die zur obligatorischen Verhängung eines Todesurteils führt. In Malaysia wurden die Drogenbekämpfungsgesetze abgeändert und ein gewisser Ermessensspielraum bei der Strafzumessung in Fällen von Drogenschmuggel eingeräumt. Diese Änderungen werden in beiden Ländern aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer geringeren Anzahl von Todesurteilen führen.

«Es gibt nach wie vor Anlass zur Sorge, dass einige Länder bei Drogendelikten weiterhin auf die Todesstrafe zurückgreifen. Allerdings zeigen die im Iran und in Malaysia ergriffenen Massnahmen zur Abänderung der Drogengesetze, dass dieses Bild langsam Risse bekommt, selbst in den wenigen Ländern, in denen noch Menschen hingerichtet werden», so Patrick Walder.

In Indonesien wurden 2016 im Namen der Drogenbekämpfung vier Personen wegen Drogendelikten hingerichtet. 2017 hingegen wurde dort keine einzige Hinrichtung vollzogen, und die Zahl der verhängten Todesurteile ging leicht zurück.

Alarmierende Entwicklungen

In 15 Ländern wurden Menschen wegen Drogendelikten zum Tode verurteilt oder hingerichtet, was gegen das Völkerrecht verstösst. Die meisten Hinrichtungen wegen Drogendelikten wurden 2017 im Nahen Osten und Nordafrika durchgeführt, wohingegen die Region Asien-Pazifik proportional die meisten Länder aufweisen konnte, die für diese Delikte auf die Todesstrafe zurückgreifen (10 von 16).

Amnesty International dokumentierte in vier Ländern die Verhängung von Todesurteilen für drogenbezogene Straftaten: in China (wo diese Zahlen als Staatsgeheimnis gelten), im Iran, in Saudi-Arabien und in Singapur. Da bezüglich der Anwendung der Todesstrafe in Malaysia und Vietnam sehr viel Geheimhaltung betrieben wird, konnte Amnesty International nicht ermitteln, ob dort Exekutionen im Zusammenhang mit Drogendelikten stattgefunden haben. In Singapur wurden im Jahr 2017 acht Personen gehängt, die alle wegen Drogendelikten zum Tode verurteilt worden waren – doppelt so viele wie noch 2016. Eine ähnliche Entwicklung konnte in Saudi-Arabien beobachtet werden, wo Enthauptungen von Personen, die wegen Drogendelikten zum Tode verurteilt worden waren, 40 % aller Hinrichtungen ausmachten. Im Jahr 2016 lag dieser Anteil noch bei 16 %.

«Die drakonischen Massnahmen zur Drogenbekämpfung im Nahen Osten und in der Region Asien-Pazifik haben auf der ganzen Linie versagt», sagt Patrick Walder.

Verstoss gegen das Völkerrecht

Auch weitere Vorgaben des Völkerrechts wurden 2017 von einigen Regierungen ignoriert. Im Iran wurden mindestens fünf Menschen hingerichtet, die wegen Taten zum Tode verurteilt worden waren, bei deren Begehung sie jünger als 18 Jahre waren. Mindestens 80 weitere Personen befanden sich unter denselben Umständen im Todestrakt. In Japan, Pakistan, Singapur und den USA sowie auf den Malediven wurden Menschen mit geistigen Behinderungen zum Tode verurteilt und hingerichtet. In Bahrain, China und Saudi-Arabien sowie im Iran und im Irak dokumentierte Amnesty International mehrere Fälle von Personen, denen die Todesstrafe drohte, weil sie aufgrund von Folter oder anderer Misshandlung Straftaten ‹gestanden› hatten. Im Iran und im Irak wurden einige dieser ‹Geständnisse› sogar live im Fernsehen übertragen.

Die Zahl der Länder, in denen Hinrichtungen vollstreckt wurden, blieb gegenüber dem Vorjahr zwar insgesamt unverändert, doch wurde in Bahrain, Jordanien, Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten wieder mit dem Vollstrecken von Todesurteilen begonnen, nachdem Hinrichtungen dort für eine gewisse Zeit ausgesetzt waren. In Ägypten stieg die Zahl der erfassten Todesurteile gegenüber 2016 um etwa 70 % an.

Ausblick

Weltweit befinden sich mindestens 21.919 Menschen im Todestrakt. Aus diesem Grund wird Amnesty International ihren Kampf gegen die Todesstrafe fortführen.

Es gab positive Entwicklungen im Jahr 2017, deren Auswirkungen in den kommenden Monaten und Jahren spürbar werden. Doch gleichzeitig gibt es Länder, die einen rückwärtsgerichteten Weg einschlagen – oder damit drohen. Der Einsatz gegen die Todesstrafe ist daher unverändert wichtig.

«In den vergangenen 40 Jahren hat sich die globale Einstellung gegenüber der Todesstrafe geändert, doch es muss dringend noch mehr getan werden, um der abscheulichen Praxis staatlich verordneter Tötungen ein Ende zu setzen», so Patrick Walder.

«Die Anwendung der Todesstrafe ist nicht die Lösung für eine von Gewalt geprägte Kultur, sondern vielmehr eine Ausprägung davon. Mit der Unterstützung der Menschen auf der ganzen Welt können wir dieser grausamen Bestrafung die Stirn bieten und die Todesstrafe überall abschaffen.»

Amnesty International wendet sich in allen Fällen ausnahmslos gegen die Todesstrafe, unabhängig von der beschuldigten Person, des Verbrechens, der Schuld oder Unschuld des Verurteilten oder der gewählten Hinrichtungsmethode.

Death-Penalty-REPORT-web-AMEND-4-APRIL_CR.pdf

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