Theologe Kuschel übt scharfe Kritik an kirchlichem Missions-Fokus

Salzburg, 11.3.18 (kath.ch) «Wer Mission will, will weder Dialog noch Toleranz. Der will in letzter Konsequenz das Verschwinden des Glaubens des je Anderen und die weltweite Durchsetzung der eigenen als der einzig ‹wahren Religion›», sagte Karl-Josef Kuschel, emeritierter Theologieprofessor an der Universität Tübingen, bei einem Vortrag am Freitag in Salzburg.

Der Dialog stelle in diesem Zusammenhang ein blosses Instrument der Missionierung dar und sei nicht als Gespräch auf Augenhöhe zu werten. «Der interreligiöse Dialog bleibt Herausforderung der Religionen», so Kuschel weiter. Ein «blosser Austausch von Sachinformationen» werde diesem Anspruch nicht gerecht.

«Echte Religionsgespräche» seien vielmehr «das Gegenteil von Scheingesprächen, die in zwei Monologen bestehen». Er forderte deshalb einen «echten Dialog der Religionen», «eine echte Zwiesprache und zwar von aufgeschlossener Person zu aufgeschlossener Person.» Die Frage nach der Wahrheit sollte dabei nicht ausgeklammert werden, es gehe schliesslich darum, «aus der Perspektive des jeweils eigenen legitimen Glaubenszeugnisses heraus die Existenz des anderen vor Gott mitzudenken».

«Keine Religion hat die ganze Wahrheit.»

Ein Dialog unter den monotheistischen Religionen müsse dabei zugleich von einer «theozentrischen Selbstrelativierung» geleitet sein, denn: «Auch wer als Jude, Christ oder Muslim die Wahrheit seines Glaubens bezeugt und bezeugen muss, weiss zugleich, dass keine Religion die ganze Wahrheit hat.» In dieser Erkenntnis liege der Beginn eines «interreligiösen Lernens»: Das Sehen des anderen mit den Augen des Glaubens müsse daher erklärtes Ziel eines echten Dialoges zwischen den Religionen sein.

«Scheingespräche bestehen in zwei Monologen.»

Kuschel äusserte sich im Rahmen der Tagung «Das Dialogische Prinzip – Aktualität über 100 Jahre», die vom 8. bis 9. März an der Universität Salzburg stattfand.

Karl-Josef Kuschel lehrte bis 2013 Theologie der Kultur und des interreligiösen Dialogs an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen. Seit 2012 ist er Kuratoriumsmitglied der «Stiftung Weltethos». 2015 wurde er in den Stiftungsrat des Börsenvereins zur Vergabe des jährlichen Friedenspreises des Deutschen Buchhandels berufen. Er ist zudem Präsident der Internationalen Hermann-Hesse-Gesellschaft. (kap)

 

 

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