Kardinal kritisiert umstrittene Papstäusserung in Chile

Boston, 21.1.18 (kath.ch) Bostons Kardinal Sean O’Malley hat sich kritisch zu einer umstrittenen Aussage des Papstes geäussert, mit der dieser am Donnerstag in Chile den chilenischen Bischof Juan Barros verteidigt hatte. Gleichzeitig verteidigte O’Malley die Arbeit des Papstes. Barros wird vorgeworfen, Missbrauchsfälle vertuscht zu haben. Auf die Frage eines Journalisten am Rand eines Gottesdienstes sagte Franziskus, es gebe «keinen einzigen Beweis» gegen Barros. «Alles ist Verleumdung. Ist das klar?»

Kardinal O’Malley, Vorsitzender der päpstlichen Kinderschutzkommission, äusserte Verständnis für den Unmut über die Papstworte. Es sei «verständlich, dass die Papstworte in Chile für grossen Schmerz bei Überlebenden sexuellen Missbrauchs» gesorgt hätten. Äusserungen, die die Botschaft vermitteln, «wenn du deine Vorwürfe nicht belegen kannst, glaubt man dir nicht», liessen jene allein, die derartige Gewalt erlitten haben, und stellten Opfer ins Abseits, erklärte O’Malley, der auch zum Beraterkreis des Papstes gehört.

«Papst anerkennt Versagen der Kirche vorbehaltlos»

Allerdings sei er mit den Einzelheiten des Falles in Chile nicht vertraut und könne sich deshalb dazu nicht äussern, so O’Malley. Er wisse aber, dass Papst Franziskus das gravierende Versagen der Kirche und ihrer Geistlichen ebenso vorbehaltlos anerkennt wie die zerstörerischen Folgen der Verbrechen für die Opfer und ihre Familien. Ein Sprecher des Erzbistums Boston erklärte, die Tatsache, dass Kardinal derzeit nach Peru reise, sei schon länger geplant gewesen und erfolge nicht wegen der Debatte um Barros.

Der Papst hatte seine Antwort an den Reporter in Chile beendet mit den Worten: «An dem Tag, an dem man mir einen Beweis gegen Bischof Barros vorlegt, werde ich sprechen.» Barros wird beschuldigt, von sexuellen Vergehen des Priesters Fernando Karadima gewusst zu haben. Belege dafür gibt es bislang nicht. Der heute 87-jährige Karadima, einst einer der prominentesten Geistlichen Chiles, wurde 2011 wegen Missbrauchs verurteilt. Barros zählte zu seinem geistlichen Schülerkreis. (kna)

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