«Die staatlichen Privilegien der Kirchen müssen reduziert werden»

Zürich, 16.1.18 (kath.ch) Der Humanistische Verband Berlin-Brandenburg (HVD-BB) hat seit Januar den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts und ist damit den grossen Kirchen rechtlich gleichgestellt. Auch in der Schweiz gibt es Humanisten. Wollen sie es ihren deutschen Kollegen gleichtun? kath.ch hat beim Präsidenten der Freidenker-Vereinigung der Schweiz (FVS), Andreas Kyriacou, nachgefragt.

Barbara Ludwig

Begrüssen Sie die Gleichstellung des Humanistischen Verbandes Berlin-Brandenburg?

Andreas Kyriacou: Der Verband wies zu Recht darauf hin, dass der Staat verschiedene Weltanschauungsgemeinschaften ganz unterschiedlich behandelt und diese Ungleichbehandlung nur schwer zu rechtfertigen ist. Wir gratulieren ihm, dass er erreicht hat, diese Ungerechtigkeit zu reduzieren. Wir sehen die Entwicklung allerdings durchaus skeptisch, da es gesellschaftspolitisch adäquater wäre, die Privilegien der anerkannten Religionsgemeinschaften zurückzubauen. Dies entspricht auch der Haltung anderer säkularer Organisationen in Deutschland.

«Es wäre gesellschaftspolitisch angebracht, die Privilegien der anerkannten Religionsgemeinschaften zurückzubauen.»

Lässt sich die dortige Situation in Bezug auf die öffentlich-rechtliche Anerkennung mit derjenigen hierzulande so einfach vergleichen?

Kyriacou: Die Situation in Deutschland ist tatsächlich nicht eins zu eins mit derjenigen der Schweiz zu vergleichen, da in unserem Nachbarland auch Organisationen wie Ärztekammern oftmals den Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft haben. In der Schweiz sind vergleichbare Vereine und Verbände hingegen fast immer als privatrechtliche Vereine oder allenfalls als Stiftungen organisiert – ausser eben diejenigen Religionsgemeinschaften, die staatlich anerkannt sind.

Unterhält die Freidenker-Vereinigung der Schweiz Beziehungen zum Humanistischen Verband in Deutschland?

Kyriacou: Die FVS hat zum Humanistischen Verband Deutschlands insgesamt gute Beziehungen. Sowohl der HVD wie auch die Freidenker sind Mitglied der «European Humanist Federation» und der «International Humanist and Ethical Union». Beide sind zudem Mitträger des Humanistischen Pressedienstes. Wir haben während der Entstehung des Schulfaches «Religion und Kultur» im Kanton Zürich die damalige Begleitgruppe mehrfach auf die exzellenten Materialen des Humanistischen Verbandes Berlin-Brandenburg für den Ethikunterricht aufmerksam gemacht – leider vergebens.

Wünschen Sie sich für die einzelnen kantonalen Sektionen Ihres Dachverbandes eine öffentlich-rechtliche Anerkennung?

«Kantone sollen mit Religionsgemeinschaften punktuell sehr wohl ein Vertragsverhältnis eingehen können.»

Kyriacou: Nein. Wir sind der Ansicht, dass weltanschaulich ausgerichtete Gruppierungen nicht grundsätzlich gegenüber anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen zu bevorzugen sind. Kantone sollen mit Religionsgemeinschaften punktuell sehr wohl ein Vertragsverhältnis eingehen können. Es spricht beispielsweise nichts dagegen, dass konfessionell ausgerichtete Seelsorge an öffentlichen Spitälern angeboten wird.

Es ist klar, dass es da geklärte Zusammenarbeitsformen braucht, in denen festgehalten wird, was ein Seelsorger tun darf und was eben nicht. Dafür müssen die Organisationen, die für ein bestimmtes Bevölkerungssegment Seelsorgetätigkeiten übernehmen, aber keine besondere Rechtsform haben. Eine Naturschutzorganisation, die einen Pflegeauftrag für ein Naturschutzgebiet erhält, kann dies problemlos als Verein tun.

Streben gleichwohl einzelne Sektionen in ihrem Kanton nach einer solchen Anerkennung?

Kyriacou: Die Freidenker sind der Meinung, dass die staatlichen Privilegien der Kirchen reduziert werden müssen und öffentliche Gelder nur für ganz konkrete Leistungsaufträge gesprochen werden. Selbstredend fordern die Freidenker auch für sich selbst keine Besserstellung gegenüber Naturschutz- und anderen Organisationen. Sie streben also keine Anerkennung an. Aber die Freidenker sind sehr wohl bereit, dort mitzuwirken, wo die öffentliche Hand gegenüber den konfessionsfreien Menschen in der Pflicht steht.

«Im laizistischen Kanton Genf wirkt bereits ein Mitglied der Freidenker als Spitalseelsorger.»

Wo ist das aus Ihrer Sicht der Fall?

Kyriacou: Ein aktueller Bereich mit Handlungsbedarf ist, in Spitälern eine weltliche Alternative zur konfessionellen Seelsorge aufzubauen. Hier helfen die Freidenker gerne mit, beispielsweise bei der Definition des Angebots und der Anforderungen an Personen, welche diese Rolle ausüben. Wir können aus dem Umfeld unserer weltlichen Ritualbegleiterinnen und Ritualbegleiter auch Personen bieten, welche diese Aufgabe professionell und auf der Basis einer weltlich-humanistischen Ethik ausüben könnten. Im laizistischen Kanton Genf wirkt bereits ein Mitglied der Freidenker als Spitalseelsorger. Als Kooperationspartner bieten sich die Freidenker also gerne an.

Was ist  denn bei den Freidenkern anders?

Kyriacou: Anders als Religionsgemeinschaften haben wir nicht den Anspruch, dass alleine unsere Existenz staatliche Beiträge rechtfertigen würde. Entschädigungen durch die öffentliche Hand sollten natürlich auch für uns nur im Rahmen eines klar umrissenen Leistungsauftrags erfolgen.


Berliner Humanistischer Verband feiert Körperschaftsstatus

 

 

 

 

 

 

 

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