Die Kirchen mischen im weihnächtlichen Wachstumsmarkt mit

Basel/Luzern/Zürich, 16.12.17 (kath.ch) Weihnachtsmärkte boomen. Die Kirchen stehen am Rande der kommerziellen Betriebsamkeit, sie profitieren mit, üben aber auch Kritik. Ein Augenschein bei drei Altstadt-Weihnachtsmärkten in Luzern, Basel und Zürich.

Remo Wiegand

Gelb leuchtende Lichterketten funkeln. Ein Weihnachtsmann saust auf seinem Rentier über einen Glühweinstand. Unter der Deko dezentes Gelächter, gedämpft durch Schneefall und dicke Jacken. Menschengrüppchen schlürfen süss-heissen Glühwein. Daneben spielt ein Blasmusik-Ensemble Weihnachtsschlager. Die Besucher und Besucherinnen des Luzerner Weihnachtsmarktes auf dem Franziskanerplatz sind eingelullt in weihnächtliche Behaglichkeit. Weihnachten kann kommen.


Wachsendes Angebot

Weihnachtsmärkte sind der Renner. Sie wachsen in der Altstadt, in Dorfkernen, auf zentralen Plätzen und um Kirchen herum. Kaum einer, weder Handwerker, Händlerinnen noch Konsumenten oder Nachtschwärmer kommen um sie herum. Das freut Michael Hägeli, Magenbrot-Händler und Platzmeister des Luzerner Weihnachtsmarktes beim Franziskanerplatz: «Der Weihnachtsmarkt zieht und ist bekannt.» Andererseits habe der Weihnachtsmärkte-Boom auch seine Schattenseiten. Immer mehr Märkte buhlen laut Hägeli um die attraktivsten Händler und um die gleichen Konsumenten.

Immer mehr Märkte buhlen um die gleichen Kunden.

Betrachtet man nur die historischen Altstadt-Weihnachtsmärkte, so ist der Basler Markt mit den nahe beieinander liegenden Standorten Barfüsser- und Münsterplatz der grösste in der Schweiz (zusammen etwa 180 Stände). Luzerns Hauptweihnachtsmarkt gehört mit 60 Ständen zu den mittelgrossen. Das gilt auch für Zürichs Weihnachtsmarkt im Niederdorf und beim Grossmünster, laut Eigenwerbung der älteste Weihnachtsmarkt der Stadt, mit etwa 50 Ständen.

Während in Luzern und Zürich das lokale Gewerbe die Altstadt-Märkte organisiert, steht hinter demjenigen von Basel das kantonale Amt für Messen und Märkte mit ungleich mehr Ressourcen.

A-capella-Gruppen animieren zum Mitsingen.

Der Zürcher Altstadt-Weihnachtsmarkt spürt die wachsende Konkurrenz besonders stark. So etwa den grossen Markt am Bellevue mit mehr als 100 Ständen. Im Zürcher Niederdorf versucht man aus der Not eine Tugend zu machen: Die Devise laute bewusst «klein aber fein», wie die Standfrau des «Duftschlosses» versichert. Die Stände sind im Niederdorf und auf dem Zwingliplatz locker verteilt.

Auch die Läden und Bars der Einkaufsmeile präsentieren sich am Markt. Zur Hebung der Weihnachtsstimmung ziehen A-capella-Gruppen durch den Markt, die die Besucher zum Mitsingen animieren.

«Keine Fasnachtsstimmung»

Am Luzerner Franziskanerplatz setzt man ganz besonders auf eine gesunde Mischung zwischen klassischen Markthändlern und Verpflegungsständen: Letztere sollen nur zehn Prozent ausmachen. Was beim Startschuss des Luzerner Marktes vor zwölf Jahren noch eine Vorgabe der Stadt war, wurde den Organisatoren mittlerweile zur Selbstverpflichtung.

«Ein Stand mit selbst gemachten Kerzen geht unter, wenn nur Scheiaweia herrscht.»

«Es ist uns wichtig, dass es hier nicht in Richtung Fasnachtsstimmung kippt», sagt Platzmeister Hägeli. So wolle man den Besuchern eine gewisse Ruhe bieten, aber auch die Händler schützen: «Ein Stand mit selbst gemachten Kerzen geht einfach unter, wenn nur Scheiaweia herrscht.»

Kreative Zonen geschaffen

Am Basler Barfüsserplatz sind Glühweinstände deutlich dichter gesät. Besinnlicher und verspielter geht es in Basel dafür neben dem Münster zu. Hier werden insbesondere Familien mit Kindern angesprochen. Im Märchenwald können Kinder basteln, Schmied spielen oder am offenen Feuer Schlangenbrot backen. «Wir haben bewusst versucht, Zonen zu schaffen, in denen es weniger kommerziell und mehr kreativ zu und her geht», sagt Daniel Arni, Leiter Messen und Märkte beim Kanton Basel-Stadt.

Kreativ und stimmungsvoll sind auch die weihnachtlichen Dekorationen, vor allem die unzähligen Schneeleuchtkugeln an den Bäumen auf dem Münsterplatz.

Stille ist gefährdet

Die Altstadtmärkte liegen alle nahe bei Kirchen. Gelegentlich wird Kritik geübt: «Ich höre viele Klagen über den ständig zunehmenden Betrieb», verrät Martin Rüsch, Pfarrer am Grossmünster. Es fehlten in der Weihnachtszeit Ruhezonen, wo wenig oder nichts laufe. «Die Kirche als ruhiger Ort, wo Stille und Besinnlichkeit erfahrbar sein kann, ist dabei mit gefährdet.»

Der Markt nimmt Rücksicht auf Gottesdienste im Münster.

In Zürich bedauert man auch, dass die Ausdehnung des Marktes auf den Vorplatz des Grossmünsters keiner Zusammenarbeit mit den Markt-Verantwortlichen entsprungen sei. In Basel hat man aktiver um das Wohlwollen der Münstergemeinde geworben. Durch einen intensiven Austausch sei eine gute Zusammenarbeit entstanden, meint Daniel Arni.

Der Markt nimmt Rücksicht auf Gottesdienste im Münster und vermeidet zu diesen Zeiten Lärm. Auch wurden kirchliche Aktivitäten in das Marktgeschehen integriert, so die Ankunft des Friedenslichtes aus Bethlehem oder die Werbung für das Taizé-Jugendtreffen über Sylvester.

Kirchliche Konsumkritik erwünscht

Besonders eng ist die Beziehung zwischen Markt und Kirche in Luzern. Die Beziehung sei «von Respekt und Wohlwollen geprägt», so Cornel Baumgartner, Gemeindeleiter der Pfarrei St. Maria zu Franziskanern. Er eröffnet den Weihnachtsmarkt jeweils gar mit einem Segensgebet.

Und der wachsende Besucherstrom? «Das ist auch uns nicht entgangen, doch während den Veranstaltungen in der Kirche wird draussen keine Musik gespielt, was bis jetzt auch ziemlich gut geklappt hat», beschwichtigt Baumgartner. Zudem werde die Kirche bei eisigen Temperaturen gerne als Refugium genützt, um sich aufzuwärmen.

«Der Konsumwahn an Weihnachten hat wirklich seine Grenzen.»

Platzmeister Hägeli umgekehrt überschüttet die Kirche mit viel Lob. Selbst kritische Einwände gegen die Kommerzialisierung von Weihnachten seitens der Kirchenverantwortlichen versteht Hägeli. Mehr noch: «Das finde ich super. Der Konsumwahn an Weihnachten hat wirklich seine Grenzen.» Nicht zuletzt deshalb endet der Luzerner Weihnachtsmarkt auch früher als die anderen Weihnachtsmärkte, nämlich bereits am 20. Dezember.

«Irgendwann muss dann auch mal Schluss sein mit dem Weihnachtsgeschäft», so Hägeli. Und ergänzt: «Dann ist es Zeit, um an den Familientisch zu sitzen.»

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