Vorglühen für das Europäische Jugendtreffen in Basel

Zürich, 19.11.17 (kath.ch) Am Samstag fand im Grossmünster in Zürich die «Nacht der Lichter» statt. Mehrere hundert Menschen stimmten sich mit diesem Abend ein auf das Europäische Jugendtreffen von Taizé, das in sechs Wochen in Basel stattfinden wird. Ein Abend voller Stille, Gesänge und Erinnerungen.

Vera Rüttimann

Es ist kalt in Zürich. Mit hochgezogenem Mantelkragen eilen die Leute um 19 Uhr zum Abendgebet ins Grossmünster. Sie huschen vorbei am «Stille»-Schild , das die Thurgauerin Alena Schmidt am Eingang hochhält. Im Innern der Kirche spenden orangene Tücher im Altrarraum ein warmes Licht. Dort und im Mittelgang sitzen Kinder, Jugendliche und ein Taizé-Chor, der aus vielen Freiwilligen besteht. Er eröffnet die Andacht mit dem Taizé-typischen «Halleluja».

Dann zehn Minuten Stille. Niemand hüstelt oder wartet, bis es endlich endet. Im Zürcher Grossmünster ist es jetzt ganz ruhig. Selbst im Block, wo die Firm – und  Konfirmationsgruppen sitzen, schweigt das iPhone. Dann erklingt eine neue Melodie, wird mantra-artig wiederholt, und füllt den Raum. Immer wieder neu.

Seit zwanzig Jahren jährlich in Taizé

Die orthodoxen Taizé-Gesänge prägen sich durch ihre medidative Wirkung stark ein. So ergeht es auch Werner Spielmann. Der Lehrer aus Schwyz setzt sich in der Versöhnungskirche in Taizé während der drei täglichen Gebetszeiten jeweils immer zum Chor, um dort mitzusingen. Und so ist es auch hier im Grossmünster.

Herzstück ist nicht das Singen, sondern die Stille.

Mit geschlossenen Augen singt er, der seit über zwanzig Jahren jeden Sommer mit seinem Bus nach Taizé reist, die Zeilen mit oder gibt Musikern Zeichen für ihre Einsätze. Das Singen nimmt auch hier im Grossmünster kein Ende. Der Mittsechsziger blickt auf die Jugendlichen, die zusammengerollt neben der grossen Kreuzikone liegen.

Auftakt in die Adventszeit

Einer, der diese Atmosphäre ebenfalls geniesst, ist Lars Simpson, Pfarrer der christkatholischen Kirche der Stadt Zürich. Er sagt: «Das Herzstück heute Abend ist für mich nicht das Singen, sondern die Stille. Wenn man miteinander versucht, lange inne zu halten, kann das eine unglaubliche Kraft geben.» Die Nacht der Lichter ist für ihn wie für viele andere hier der Auftakt in die Adventszeit.

Das Prinzip der Freiwilligen funktioniert auch in Zürich.

Eine einmalige Gelegenheit, sich aus dem Alltag auszuklinken und in eindrücklichem Rahmen innezuhalten. Ein achtsames Leben, Downshifting, Stille, die fruchtbar sein kann – vieles von dem, was heute in Lifestyle-Magazinen propagiert wird, wird in Taizé und in vielen von diesem Ort inspirierten Kirchen längst schon praktiziert.

Die Krypta-Gruppe

Nach dem Abendgebet treffen sich alle zur Begegnung auf dem Zwingliplatz zu Getränken, Snacks und zum Gedankenaustausch. Vor dem Engang werden in Plastikbechern wässriger Tee und süsser Honigkuchen verteilt. Wer einmal in Taizé war, fühlt sich da sofort ins Leben auf dem burgundischen Hügel versetzt. Die Nacht ist kalt und so stehen die Leute eng aneinander gereiht mit ihrem dampfenden Heissgetränk um die Feuerschale auf dem Zwingli-Platz.

 

Unter ihnen sind auch solche, die der Krypta-Gruppe angehören. Sie versammelt sich seit Mitte der 80er-Jahre regelmässig im Grossmünster zum Taizé-Gebet und stellt jedes Jahr die Nacht der Lichter im Grossmünster auf die Beine. Leute wie Fabian Läubli sind es, die seit vielen Jahren dafür sorgen, dass die grosse Kreuz-Ikone im Altarraum liegt, unzählige Kerzen verteilt werden und die tyischen Taizé-Meditationsbänke aufgestellt werden. «Das Prinzip der Freiwilligentrupps, die in Taizé so gut funktioniert, das wird auch hier in Zürich praktiziert», sagt Fabian Läubli.

Taizé als spirituelle Heimat

Vor dem Abendgebet hat er mit vielen anderen an einem Workshop in der Helferei teilgenommen, wo Taizé-Neulingen erklärt wurde, was es mit dieser ökumenischen Kommunität genau auf sich hat und was Teilnehmer am Europäischen Taizé-Treffen in Basel erwartet. Sie erfuhren dort auch, unter welchen Umständen Frère Roger Taizé in 1949 gegründet hat; warum die Versöhnungskirche in den 70er-Jahren gebaut werden musste; sie hörten erstmals etwas über das «Konzil der Jugend» und erfuhren, wie Anfang der 80er-Jahre das erste Europäischen Jugendtreffen entstand.

So nah bei uns, das wird genial

Unter denen, die derzeit für das Europäische Jugendtreffen von Taizé in Basel Werbung machen und sich am offenen Feuer die Hände wärmen, ist auch die Sozialarbeiterin Laura Keller, die zurzeit im Aki Zürich arbeitet. Dort gestaltet sie regelmässig ein Taizé-Gebet. Keller, die in den vergangenen acht Jahren fast an jedem Europäischen Taizé-Treffen teilnahm, freut sich riesig auf das Grossereignis in Basel. «So nah bei uns, das wird genial», ist sie sich sicher.

2008 besuchte sie erstmals die ökumensische Gemeinschaft im Burgund. Dieser Aufenthalt veränderte ihr Leben. «Als ich dort ankam, merkte ich: Das ist es! Es hat mich voll gepackt. Ich fand dort meine spirituelle Heimat. Die Lieder, der Ort, das alles hat so viel Seele», erzählt sie. Der Besuch auf dem burgundischen Hügel hinterliess bei ihr Spuren.

Die Lieder, der Ort, das alles hat so viel Seele.

Zwei Jahre später liess sie sich taufen. Ihren Lieblingsort in Taizé fand sie in der pittoresken romanischen Dorfkirche, die von der Abendsonne so oft in goldgelbes Licht getaucht wird. Neben dem Eingang dieser Kirche findet sich auch das Grab von Frère Roger, dem Gründer von Taizé.

Wie ein internationales Sportmeeting

An der Feuerschale steht auch Simon Brechbühler, Leiter der Animationsstelle kirchliche Jugendarbeit (AKJ) der Stadt Zürich und einer der Mitorganisatoren der Nacht der Lichter. Er war noch nie in Taizé, obwohl er  die Lieder der Kommunität oft für seine Jugendarbeit benützt. Was ihn an Taizé fasziniert, beschreibt er so: «Hier können alle alle Sprachen reden. Für mich ist Taizé ein bisschen wie ein grosses internationales Sportmeeting, wo Leute aus der ganzen Welt zusammen kommen. Nur, dass man sich hier nicht versammelt, um sich mit Leistungen zu messen, sondern um zusammen ohne gesellschaftliche Zwänge das Leben zu feiern.»

Hier können alle alle Sprachen reden.

Simon Brechbühler hat draussen am Feuer noch jene Worte im Ohr, die Lars Simpson im Grossmünster zu Beginn des Abendgebets aussprach und die für ihn diese Lichternacht gut auf den Punkt bringen: «Taizé ist nicht nur ein Dorf in Frankreich, es ist der Name einer weltweiten Community, von der wir heute Abend ein Teil sind.»

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https://www.kath.ch/newsd/vorgluehen-fuer-das-europaeische-jugendtreffen-in-basel/