Amnesty International wirft Sommaruga «Pflästerlipolitik» vor

Bern, 11.11.17 (kath.ch) Am 13. November findet auf Einladung von Bundesrätin Simonetta Sommaruga ein Treffen der «Kontaktgruppe Zentrales Mittelmeer» statt. Diskutiert wird an diesem Ministertreffen die direkte Aufnahme von Flüchtlingen aus Krisengebieten wie Libyen. Amnesty International Schweiz (AI) fordert stattdessen eine Neuausrichtung der Zusammenarbeit mit Libyen, wie einer Medienmitteilung vom 10. November zu entnehmen ist.

Am Treffen in Bern soll über die Notwendigkeit von Schutzmassnahmen für Migranten und Flüchtlinge in Libyen und auf dem Weg nach Libyen diskutiert werden, heisst es in der Mitteilung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD).

Diskutiert werden soll unter anderem die Frage nach einem Resettlement-Programm, gemeint ist die direkte Aufnahme von Flüchtlingen aus Libyen. Im Interview mit der «NZZ am Sonntag» (5. November) sprach Sommaruga von 40’000 Flüchtlingen, die aus Libyen direkt nach Europa gebracht werden sollen. «Die Schweiz ist bereit, die Teilnahme an einem neuen Resettlement-Programm zu prüfen», so Sommaruga im Interview.

Weitere Themen der Konferenz sind die Verbesserung der Bedingungen in den Haftzentren in Libyen, die Unterstützung der freiwilligen Rückkehr in die Herkunftsländer sowie die Bekämpfung von Menschenschmuggel.

Menschenrechtsverletzungen in Libyen

Amnesty International Schweiz begrüsst es grundsätzlich, dass Bundesrätin Simonetta Sommaruga Flüchtlinge retten will, «die unter schrecklichen Bedingungen in Libyen inhaftiert sind». Die Menschenrechtsorganisation kritisiert jedoch, dass es keinerlei Hinweise darauf gibt, dass die europäischen Staaten ihren bisherigen Ansatz aufgeben. Dieser besteht laut AI darin, die libyschen Behörden darin zu unterstützen, Menschen von der Fahrt über das Mittelmeer abzuhalten und sie in Libyen festzuhalten.

«Die europäischen Staaten haben durch ihre Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache Zehntausende von Männern, Frauen und Kindern in einem Land stranden lassen, wo sie schrecklichen Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind». Die eingesperrten Flüchtlinge müssten freigelassen und an einen sicheren Ort gebracht werden. «Dafür braucht es verbindliche Schritte, keine ‹Pflästerlipolitik› zur Gewissensberuhigung.»

Neuausrichtung gefordert

AI fordert von den europäischen Regierungen eine Neuausrichtung ihrer Zusammenarbeit mit Libyen und anderen Ländern in der Region. Dabei müsse der Schutz der Menschenrechte im Zentrum stehen. Verlangt wird finanzielle, institutionelle, materielle, politische und personelle Unterstützung. Libyen müsse ausserdem die Präsenz des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) im Land durch eine Absichtserklärung formalisieren. Eine solche Erklärung müsste es dem UNHCR erlauben, sein Mandat uneingeschränkt auszuüben, einschliesslich der Festlegung des Status der Flüchtlinge und ihres Resettlements.

An die Konferenz eingeladen sind laut EJPD Vertreter aus Ägypten, Algerien, Deutschland, Frankreich, Italien, Libyen, Mali, Malta, Niger, Österreich, Slowenien, Tschad und Tunesien sowie der EU-Kommissar für Inneres und Migration, die Estnische EU-Ratspräsidentschaft und der Europäische Auswärtige Dienst. Zudem sind auch die Internationale Organisation für Migration (IOM), das UNHCR und erstmals auch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) in das Treffen eingebunden. (sys)

Hinweis: Podiumsdiskussion von AI zum Thema «Migrationsabkommen zwischen Afrika und Europa: Abschottung auf Kosten der Menschenrechte?» 12.11.17, 10.00 Uhr, Kirchgemeindehaus Matthäus, Bern.

 

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