Das ewige Leben vor dem sicheren Tod retten

Medienmitteilung

Passend zum Allerseelentag in der katholischen Tradition fand an der Universität Fribourg am 2. November ein gut besuchter Studientag zum Thema «Hoffnung auf ewiges Leben?» statt. In der Organisation wirkten die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen der Schweiz (AGCK), die Neuapostolische Kirche Schweiz und das Institut für Ökumenische Studien der Universität Fribourg zusammen.

Den Anstoß hatte die Neuapostolische Kirche gegeben, die seit 2014 Gaststatus in der AGCK besitzt und vielfach ihr Engagement in der Ökumenischen Bewegung unter Beweis stellt. Zwei Elemente des neuapostolischen Bekenntnisses wecken in der Regel Diskussionsbedarf: 1) das Amt von «Aposteln» (neben den Bischöfen) und 2) das «Entschlafenenwesen», d.h. die Praxis, die Sakramente der Taufe, der Versiegelung (Firmung) und der Eucharistie stellvertretend für die Verstorbenen zu empfangen. Die Diskussionen mit der Neuapostolischen Kirche machten deutlich, dass alle christlichen Gesprächspartner es nötig haben, ihr Verhältnis zu den Verstorbenen theologisch zu durchdenken und ihre Glaubenspraxis zu überprüfen.
So kam es zur Grundidee der Tagung: Vertreter und Vertreterinnen verschiedener kirchlicher Traditionen präsentierten die Zugänge ihrer Glaubensgemeinschaft zur «Hoffnung auf ewiges Leben?»: Prof. Ralph Kunz, Zürich (reformiert), Prof. Stefan Schweyer, STH Basel (freikirchlich), Reinhard Kiefer, Leiter der Theologischen Dienste der Neuapostolischen Kirche, P. Dr. Augustin Sokolovski (orthodox) und Frau Annette Mayer-Gebhard, Seelsorgerin am Universitätsspital Lausanne (katholisch). Wichtig war die methodische Wende: Den Ausgangspunkt bildete nicht die überlieferte Glaubenslehre, sondern die jeweilige Glaubenspraxis, die auf ihre theologischen Implikationen befragt wurde. So war ein fruchtbarer Austausch zwischen akademischer Theologie und Glaubenserfahrung engagierter Gemeindemitglieder möglich. Die Zweisprachigkeit wurde durch zwei von der Neuapostolischen Kirche gestellte unermüdliche Übersetzer bewältigt.
Den provokativen Auftakt bildete der junge Künstler Manuel Dürr, dem es ausgezeichnet gelang, das Publikum mit Darstellungen moderner Kunst in die Frage einzuführen: Ja, die moderne Kunst vollzieht den Übergang zu einer immanenten, reduktionistisch auf Materie beschränkten Welt. Das Bild ist nicht mehr ein «Fenster zur Ewigkeit», wie die Ikonen – es verweist nicht einmal mehr auf die dargestellte Sache, sondern zeigt nur noch sich selbst. Doch in der Darstellung des Todes scheitert dieses Verfahren. «Der Tod, das Trauma, ist der Ort, an dem sich das zeigen lässt, was für die ganze Realität gilt: sie lässt sich nicht erschöpfend fotografieren, abdrucken oder beschreiben. Weder in der Kunst noch in der Wissenschaft … Es bleibt immer ein Rest. Es gibt immer ein Unsichtbares hinter dem Sichtbaren. Und wieder wird der Tod zum Ausgangspunkt, etwas mehr zu sehen».
Die Tagung war geprägt durch eine dichte Atmosphäre der Aufmerksamkeit, des Hörens, der Bereitschaft, Neues zu entdecken. In dieser Weise gelang es z.B. Ralph Kunz ausgezeichnet, einerseits eine typisch reformierte Position zu markieren, andererseits selbstkritisch die vernachlässigten Aspekte der protestantischen Tradition zu benennen: Die Hoffnung auf ewiges Leben darf nicht als ein Vermögen des Menschen betrachtet werden, seine individuelle Existenz zu behaupten und end-los fortzusetzen: «Ist der Wunsch, ewig zu leben, nicht ohnehin der menschliche Urfrevel (1. Mose 3,5), so sein zu wollen wie Gott, der allein Ewige?» (Kurt Marti). Doch angesichts der flachen, moralisierenden Diesseitigkeit könnte es gerade zur protestantischen Aufgabe werden, «das ewige Leben vor dem sicheren Tod zu retten».
Soweit die Gefahr des Heilsegoismus gebannt ist, kann auf diese Weise eine Brücke zur neuapostolischen Praxis geschlagen werden: Schon Paulus kennt die Tradition, sich für die Verstorbenen taufen zu lassen (1 Kor 15,29). Selbst wenn die Kirche später diese Praxis untersagte, bleibt Gott doch ein Gott «der Lebenden, nicht der Toten» (Mt 22,32), d.h. auch die Toten sind in Gott als lebendig zu bekennen und es gilt das Heil in der gemeinsamen Rettung zu suchen.
Die Hoffnung auf das Leben in der Ewigkeit Gottes hinterlässt ihre Spuren daher nicht zuletzt im Umgang mit der leibhaftigen Existenz der Kranken, Sterbenden und Verstorbenen. Stefan Schweyer betonte die starke Präsenz der Glaubensgemeinschaft im Abschied von den Verstorbenen, P. Augustin Sokolovski berichtete von den geradezu an eine Heiligsprechung erinnernden Riten im orthodoxen Beerdigungsritus. Viel Anklang fanden in dieser Perspektive die Workshops des Nachmittags, in denen in kleineren Gruppen persönliche Gespräche möglich wurden. Zu den Referentinnen und Referenten des ersten Tagungsteils kamen weitere Experten hinzu, die den Teilnehmern und Teilnehmerinnen Anteil an ihren Erfahrungen und Kompetenzen gaben: Jürg Meier sprach über «Die Trostpredigt in der Trauerfeier», die reformierten Pfarrerinnen Martina Holder-Franz und Karin Kaspers Elekes luden ein zum Austausch über «Was trösten kann» sowie über «Erfahrungen mit Palliative Care».
Der Tag mündete in einen Moment der Stille, der Besinnung, des Gedenkens und des Gebetes in der Universitätskapelle. «Danke, ich habe entdeckt, wie reich unser Glaube ist» – lautete eine der Rückmeldungen. Der Tag vermittelte, was er thematisieren wollte: nicht individueller Jenseitsegoismus, sondern ein gemeinsames Zeugnis der Hoffnung auf Leben in Gottes Ewigkeit.

Barbara Hallensleben

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