Die instrumentalisierte Mutter Gottes

Zürich, 16.10.17 (kath.ch) Der Film «Mary’s Land» versucht dem Phänomen der Marienerscheinungen und Wunderheilungen auf den Grund zu gehen. Filmemacher und Hauptdarsteller Juan Manuel Cotelo wurde während der Dreharbeiten bekehrt. Weshalb und welche Rolle der bosnische Marienwallfahrtsort Medjugorje in diesem Missionsfilm spielt, untersucht Marie-Therese Mäder, Religions-und Filmwissenschaftlerin, in ihrem Filmkommentar.

Ein Detektiv bekommt die Aufgabe, als Advocatus Diaboli (Anwalt des Teufels) die Wahrheit über Gott herauszufinden. Auf den ersten Blick ist dies der Beginn einer fiktionalen und eventuell sogar verspielten Geschichte. Doch leider meint es dieser Film sehr ernst und vermischt die fiktionale Anordnung mit dokumentarischen Elementen.

Die Zuschauer erfahren mitunter haarsträubende «Wahrheiten».

Der Detektiv (Juan Manuel Cotelo) geht auf die Suche nach Menschen, sozialen Akteurinnen und Akteuren, welche Gott und vor allem die Gottesmutter Maria gefunden haben. Dabei erfahren die Zuschauerinnen und Zuschauer mitunter haarsträubende «Wahrheiten» wie jene, dass an einem geschützten Ort in Panama junge Frauen und Mädchen zusammenwohnen und -arbeiten, die oftmals eine Missbrauchsgeschichte hinter sich haben. Sie überwinden dort unter der Leitung von Padre Francisco Verar ihre Depressionen und Ängste durch das Gebet und benötigen keine Antidepressiva. Auch erfahren wir, dass Abtreibung bei Frauen Bulimie oder Depressionen auslösen und überhaupt das Übel der Welt bedeuten.

Erst gegen Ende des Films wird klar, worauf die tendenziöse Geschichte abzielt. Der Wallfahrtsort Medjugorje, wo wundervolle Dinge passieren, soll hier dem Publikum schmackhaft gemacht werden. Die Grossaufnahmen von Gläubigen, denen die Tränen über die Wangen kullern, wirken aufdringlich.

Der Wallfahrtsort soll dem Publikum schmackhaft gemacht werden.

Eigentlich könnte es aus einer ethnografischen Perspektive erhellend sein zu untersuchen, weshalb dieser vom Vatikan (noch) nicht anerkannte Wallfahrtsort Gläubige derart anzieht. Die provisorischen Beichtstühle, in denen das Sakrament in unzähligen Sprachen angeboten wird, oder die Gläubigen, die offenbar aus der ganzen Welt anreisen, werden auf eindrückliche Weise mit der Kamera festgehalten.

Leider wendet sich die Kamera dann von den Pilgerinnen und Pilgern ab, die mit viel Hoffnung an diesen Ort kommen, euphorisch auf Wunder warten und von ihren Erlebnissen berichten. Stattdessen werden die Zuschauerinnen und Zuschauer gezwungen, dem Hauptdarsteller bei seinem unglaubwürdig dargestellten Bekehrungserlebnis zuzuschauen.

Ein Interview nach etwa zwanzig Minuten Spielzeit gibt Aufschluss darüber, aus welcher Ecke diese Produktion stammt. Der Detektiv trifft auf seinen ersten Kontakt in London. Es handelt sich um den Amerikaner John Rick Miller, der als christlicher Missionar seiner eigenen Kirche unterwegs ist. Als Gründer der «Holy Mother Church» (Heilige Mutter Kirche) erklärt er seine Mission, die «For the Love of God Worldwide» (Für Gottes Liebe weltweit) heisst, und erzählt davon, wie er vor 25 Jahren zum Glauben, genauer: zur katholischen Kirche zurückgefunden hat.

Laienmission erhält ein Werbefenster.

Gemäss der Website von Millers Werk handelt es sich um die grösste und am schnellsten wachsende Laienmission, die – sicher kein Zufall – Medjugorje eifrig unterstützt. Vor 25 Jahren ist Miller die Mutter Gottes erschienen, die ihn anwies, nach Medjugorje zu pilgern. Miller drückt «Detektiv» Cotelo auch gleich einen Flyer von Medjugorje in die Hand, der als Grossaufnahme eingeblendet wird, damit ihn auch jeder und jede lesen kann. Der amerikanische Laienmissionar, der offenbar mittlerweile verstorben ist, bekommt ein mittelgrosses Werbefenster eingebaut, in dem seine Organisation (21 Länder, 350 Städte, mehr als eine Million Menschen gemäss eigenen Angaben) und Medjugorje angepriesen werden.

Die im Film ausführlich dargestellten Pro-Life (Für das Leben)-Themen wie der Kampf gegen Abtreibung und die Pille danach, wie sie auch in jedem amerikanischen Wahlkampf thematisiert werden, können nach einer kurzen Recherche über Miller eingeordnet werden: Er ist ein vehementer Verfechter dieser Werte. Seine Organisation sieht sich als Verteidigerin des katholischen Glaubens gegen die Protestanten und alle anderen religiösen Gemeinschaften.

Warnhinweis wäre angebracht.

Das ist erlaubt, aber diese Weltsicht in einen Film zu verpacken, der sich tendenziell an ein jugendliches Publikum richtet, ist verantwortungslos. Denn ohne eine kritische Reflexion der auf Mission ausgerichteten, emotionalen Erlebnisberichte der Akteure und Akteurinnen, kann dieser Film bei labilen oder sich in Krisen befindenden Menschen auch Schaden anrichten. Oder noch schlimmer – von selbsternannten, manipulativen Missions-Pädagogen und Pädagoginnen moralisch und politisch instrumentalisiert werden.

Es wäre vielleicht sinnvoll, diesen Film auf Netflix und in den Kinoankündigungen mit dem Hinweis zu versehen, dass die Ereignisse und Erzählungen persönliche Meinungen darstellen und keinen Anspruch darauf haben, die Wahrheit wiederzugeben.

«Mary’s Land» (Terra de María) Spanien 2013, Regie: Juan Manuel Cotelo, Darsteller: Carmen Losa, Juan Manuel Cotelo, Emilio Ruiz.

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