«Ernährungssicherheit ist ein Menschenrecht»

Luzern, 20.9.17 (kath.ch) Die Verfassungsänderung zur Ernährungssicherheit, über die am 24. September abgestimmt wird, ist ein Schritt in die richtige Richtung, sagt Monique Frey, Beraterin für Ernährungssicherheit und Märkte von Caritas Schweiz. Doch weitere Schritte müssten folgen. Wie sich eine Annahme der Vorlage auf Menschen in Südländern und die Arbeit des katholischen Hilfswerks auswirkt, erklärt Frey in ihrem Gastkommentar.

Unter dem Titel «Ernährungssicherheit» stimmt die Schweizer Bevölkerung am kommenden Wochenende über eine Anpassung der Verfassung ab. Diese betont den Schutz des Kulturlandes und der Umwelt und thematisiert die Problematik der Lebensmittelabfälle. Die Vorlage steht für eine nachhaltige sowie national und international vernetzte Land- und Ernährungswirtschaft.

Caritas Schweiz begrüsst die Unterstützung einer standortangepassten Landwirtschaft, welche die Ressourcen schont und auf einen nachhaltigen Handel innerhalb der Schweiz und mit dem Ausland ausgerichtet ist. Denn die neuen Verfassungsartikel haben einen Einfluss auf die landwirtschaftliche Produktion in Ländern, in welchen Caritas Entwicklungszusammenarbeit leistet.

Die Schweiz hat einen Selbstversorgungsgrad von knapp 60 Prozent: Sie importiert viele Lebensmittel für die menschliche Ernährung wie Getreide, Früchte, Öle, Kaffee und Tee sowie Soja für die Ernährung von Milchkühen, Schweinen und Hühnern. Viele der sogenannten lokalen Lebensmittel haben also auch einen globalen Hintergrund.

Dieser Bedarf steht in direkter Konkurrenz zu einem lokalen Bedarf in den Ländern des Südens und führt auch dazu, dass Wälder abgeholzt werden, um die Landwirtschaftsfläche zu vergrössern. Dies wiederum hat immense Auswirkungen auf die Bodenfruchtbarkeit und das lokale und globale Klima.

Die Arbeit von Caritas steht somit vor verschiedenen Herausforderungen. Die Ernährungssicherheit ist ein wichtiger Pfeiler der internationalen Arbeit in vielen Ländern. Caritas ist der Auffassung, dass der Zugang zu ausreichenden und gesunden Lebensmitteln ein Menschenrecht ist. Die Bauernfamilien müssen genügend Land haben, um Lebensmittel für den eigenen Bedarf zu produzieren. Sie müssen sich zudem an die Klimaveränderung anpassen, da die Häufigkeiten von Starkregen und Trockenheit zunehmen, und klimaangepasste Lebensmittel anbauen.

In unterschiedlichen Projekten befähigt Caritas Kleinbauern daher, ihre Produktion umweltverträglich und nachhaltig zu erhöhen, und investiert in die Entwicklung der Marktsysteme, sodass sie ihre Produkte zu fairen Preisen auf die lokalen und internationalen Märkte bringen können.

Mit Hilfe von Caritas können zum Beispiel Dalitfamilien (Kastenlose) in Indien erstmals eigenes Land bebauen, das sie nach jahrelangen Prozessen von Grossgrundbesitzern bekommen haben. Sie wenden agroökologische Methoden wie Fruchtfolgewechsel, Kompostzugaben und Mulchen an, sie haben Meliorationsmassnahmen (Verbesserungsmassnahmen) umgesetzt und Dämme gebaut, um die Fruchtbarkeit ihres Landes zu verbessern und den Ertrag zu steigern.

In Tschad wird mit Kleinbauern, welche Erdnüsse und Shea-Öl produzieren, an besseren Produktions- und Vermarktungsbedingungen gearbeitet. Caritas unterstützt die Organisationen der Produzentinnen und Produzenten, sich professioneller zu organisieren und im Politikdialog die lokalen Gesetze für Kleinbauern anzupassen. Caritas investiert in die Vernetzung zwischen den Produzentinnen und Produzenten, Organisationen, den Verarbeitungsbetrieben und den Händlerinnen und Händlern.

Die vorliegende Verfassungsänderung ist ein Schritt in die richtige Richtung, um die Handelsbeziehungen fairer zu gestalten, um die landwirtschaftliche Produktionsfläche in den Ländern des Südens für die lokale Ernährungssicherheit zu bewahren. Doch weitere Schritte müssen folgen.

 

 

 


Video des Bundes zum «Gegenentwurf zur Volksinitiative ‹Für Ernährungssicherheit›»:

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https://www.kath.ch/newsd/ernaehrungssicherheit-ist-ein-menschenrecht/